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Hämorrhoiden und was noch?
Untertitel
Ursachen analer Beschwerden
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Blut im Stuhl, Nässen, analer Juckreiz: All diese Symptome können durch ein Hämorrhoidalleiden verursacht sein. Doch auch an andere Auslöser analer Beschwerden ist zu denken. So sind Fissuren, Ekzeme und Fisteln Auslöser ähnlicher Symptome. Und auch das – glücklicherweise seltene – Analkarzinom muss immer in Erwägung gezogen werden. Für die einzelnen Erkrankungen stehen heutzutage effektive Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.
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Gastroenterologie
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GASTROENTEROLOGIE
Hämorrhoiden und was noch?
Ursachen analer Beschwerden

Blut im Stuhl, Nässen, analer Juckreiz: All diese Symptome können durch ein Hämorrhoidalleiden verursacht sein. Doch auch an andere Auslöser analer Beschwerden ist zu denken. So sind Fissuren, Ekzeme und Fisteln Auslöser ähnlicher Symptome. Und auch das – glücklicherweise seltene – Analkarzinom muss immer in Erwägung gezogen werden. Für die einzelnen Erkrankungen stehen heutzutage effektive Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.
Alexander Herold

Hämorrhoiden
Oberhalb der Linea dentata, unter der Rektumschleimhaut, findet sich ein zirkulär angelegtes arteriovenöses Gefässkonglomerat: das Corpus cavernosum recti. Bei einer Hyperplasie dieser Gefässstrukturen spricht man von Hämorrhoiden, bei zusätzlich auftretenden Beschwerden von einem Hämorrhoidalleiden.
Symptome Die auf Hämorrhoiden zurückzuführenden Beschwerden sind uncharakteristisch und auch bei vielen anderen prokto-
MERKSÄTZE
 Eine stadienorientierte Therapie des Hämorrhoidalleidens mit konservativen und operativen Massnahmen bietet gute Heilungschancen mit niedrigem Komplikations- und Rezidivrisiko. Während die neuen Therapieoptionen noch weiter evaluiert werden müssen, hat die Staplermethode dank guter Resultate und hoher Evidenz einen festen Platz im Therapiespektrum erreicht.
 Muskelrelaxierende Lokaltherapeutika (Nitropräparate, Ca-Antagonisten) sind derzeit die Therapie erster Wahl bei chronischer Analfissur. Bei unzureichendem Erfolg hat eine Fissurektomie eine sehr hohe Heilungsrate.
 Symptomatische Fisteln behandelt man entsprechend ihrem Bezug zur Sphinktermuskulatur mit dem Ziel der Fistelsanierung bei Erhalt der Kontinenz. Distale Fisteln werden so in aller Regel komplett gespalten (hohe Heilungsrate), während proximale Fisteln mit plastischen Verfahren verschlossen werden (Heilungsrate je nach Verlauf bei 50–80%).
 Analkarzinome als maligne Tumoren sind selten. Humane Papillomviren (HPV) spielen in der Genese eine entscheidende Rolle. Die Klassifikation erfolgt nach dem TNMSystem und differenziert Analkanal und -rand, das Staging erfolgt mit den Routinediagnostika.

logischen Erkrankungen in ähnlicher Weise vorhanden. Sie hängen nicht von der Grösse der Hämorrhoiden ab. Am häufigsten treten Blutungen auf, vor Nässen, Schmieren und einer stuhlverschmutzten Wäsche. Mit Juckreiz einhergehende Analekzeme sind dann eine indirekte Folge des Hämorrhoidalleidens. Hämorrhoiden verursachen in der Regel keine Schmerzen. Die Diagnostik ist mit Inspektion, Palpation, Proktoskopie und Rektoskopie ausschliesslich klinisch. Die Therapie orientiert sich an der Grösse der Veränderung.
Stadieneinteilung der Hämorrhoiden Bei Hämorrhoiden unterscheidet man vier Stadien beziehungsweise Grade: L 1. Grad: proktoskopisch sichtbare Polster L 2. Grad: Prolaps bei der Defäkation – retrahiert sich spon-
tan L 3. Grad: Prolaps bei der Defäkation – manuell reponibel L 4. Grad: Prolaps fixiert, fibrosiert, thrombosiert – nicht
reponibel.
Therapieoptionen Von einer lokalen Behandlung mit Salben, Suppositorien oder Analtampons ist bei Beschwerden, die ausschliesslich auf Hämorrhoiden zurückzuführen sind (z.B. Blutungen), kein Erfolg zu erwarten. Hier wird ja nur symptomatisch und nicht kausal eingegriffen. Allerdings kann sie die entzündlichen, ödematösen Begleitveränderungen, die bei Hämorrhoiden auftreten, günstig beeinflussen. Sklerosierungsbehandlung: Die Sklerosierungstherapie ist die erste Wahl bei Hämorrhoiden 1. Grades. Hämorrhoidale Beschwerden (Blutungen) sind nach zwei Sklerosierungsbehandlungen schon in 70 bis 80 Prozent der Fälle abgeklungen. Langfristig ist mit einer hohen Rezidivquote zu rechnen, die nach drei Jahren bei 70 Prozent liegt. Gummiringligatur: Die Gummiringligatur gilt als Therapie erster Wahl zur Behandlung von Hämorrhoiden 2. Grades. Mit einer speziellen Ligatur werden im vorn offenen Proktoskop knotig vergrösserte Hämorrhoiden mittels kleiner Gummiringe so abgeschnürt, dass sie innerhalb kurzer Zeit

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Abbildung 1: Hämorrhoide 3. Grades

Die Hämorrhoidenoperation mit Zirkularstapler gilt aufgrund der heutigen Erfahrung als die ideale Indikation bei zirkulären Hämorrhoidalleiden 3. Grades. Der Vorteil liegt vor allem in den geringeren postoperativen Schmerzen. Ist der Hämorrhoidalprolaps nicht mehr reponibel, handelt es sich um Hämorrhoiden 4. Grades. Bei einer akuten Thrombosierung oder Inkarzeration ist die konservative Therapie mit Antiphlogistika, Analgetika und lokalen Massnahmen zu bevorzugen. In erfahrenen Händen kann auch eine sofortige Operation erfolgen. Bei chronischen, fibrosierten, fixierten Befunden, meist mit einem begleitenden zirkulären Anodermprolaps, sind auch plastisch-rekonstruktive Verfahren sinnvoll. Bei allen Techniken liegt die Beschwerdefreiheit nach zwei Jahren bei über 90 Prozent. Rezidive nehmen im Zeitverlauf zu, sind aber meist mit konservativen Massnahmen beherrschbar. Die Reoperationsrate liegt unter 5 Prozent.

Abbildung 2: Chronische Analfissur
nekrotisieren und abfallen. Die Behandlungserfolge mit Gummiringligaturen bei Hämorrhoiden 2. Grades liegen zwischen 70 und 80 Prozent. Die Rezidivrate ist in den ersten vier Jahren bei 25 Prozent festzumachen. Dopplergesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur (HAL): Bei Hämorrhoiden 2. und 3. Grades (Abbildung 1) lassen sich mit einem Spezialproktoskop, in das ein Doppler-Transducer eingebaut ist, die zuführenden Hämorrhoidalarterien orten und gezielt ligieren. Dies führt innerhalb kurzer Zeit zu einem Schrumpfen der Hämorrhoidalkonvolute. Publikationen berichten von einem Therapieerfolg in 50 bis 90 Prozent der Fälle. Durch eine zusätzliche Raffung des betroffenen Gewebes (RAR) wurde die Technik inzwischen erweitert. Neuere Untersuchungen zeigen, dass bei gleicher Effektivität auf den Doppler verzichtet werden kann. Operation: Hämorrhoiden 3. Grades sind nur in Ausnahmefällen noch konservativ mit zufriedenstellendem Ergebnis therapierbar. Die Indikation zur Operation ist hier meist gegeben. Insbesondere bei segmentären Hämorrhoidalvorfällen sind die Verfahren nach Milligan-Morgan und Ferguson empfehlenswert. Die vergrösserten Hämorrhoidalknoten werden segmentär reseziert. Die Rezidivrate wird in der Literatur der letzten 20 Jahre mit 3 bis 5 Prozent angegeben. Mit modernen Geräten setzt man heute bevorzugt eine Versiegelungstechnik ein, was insbesondere die Blutungsrate reduziert. Als subanodermale/submuköse Resektion der Hämorrhoiden mit gleichzeitiger Reposition des dislozierten Anoderms – somit bei fortgeschritteneren Befunden zu bevorzugen – wird alternativ die Operationstechnik nach Parks angewendet.

Therapiekonzept In Deutschland werden jährlich zwischen 40 000 und 50 000 Patienten wegen eines Hämorrhoidalleidens operiert. Diese hohe Zahl umfasst aber nur 2 bis 5 Prozent aller behandelten Patienten, das heisst, die grosse Mehrzahl wird konservativ und suffizient behandelt. Diese stadienadaptierte Therapie orientiert sich an der Grösse der Veränderung: Hämorrhoiden 1. Grades werden konservativ behandelt. Zusätzlich zu ballaststoffreicher Ernährung kommt die Sklerosierung zum Einsatz. Bei Hämorrhoiden 2. Grades ist die Therapie der Wahl die ambulante Gummibandligatur nach Barron. Hämorrhoiden 3. Grades sind in der Regel zu operieren.
Analfissur
Analfissuren zeichnen sich durch ihren typischen stuhlgangabhängigen Schmerz aus. Dieser entsteht durch längliche ulzerale Defekte im hochsensiblen Anoderm unterhalb der Linea dentata (Abbildung 2). Die akute Fissur dauert nur wenige Tage und zeigt keine sekundären Veränderungen. Die chronische Fissur ist meist rezidivierend und hält mehr als sechs Wochen an. Als Sekundärläsionen zeigt sie Vorpostenfalte, Analfibrom, indurierte Ränder sowie einen freiliegenden und sklerosierten M. sph. ani internus. Mit ausschliesslicher Inspektion und Palpation ist die Diagnose meist zweifelsfrei zu stellen. Die Therapie umfasst Stuhlregulation, Lokaltherapeutika und operative Massnahmen. Die akute Fissur heilt bei der Hälfte der Patienten spontan, mit zusätzlichen Salben werden 90 Prozent erreicht. In den letzten Jahren hat die Therapie mit Glycerintrinitrat (0,2%) die konservativen Möglichkeiten bei chronischen Fissuren wesentlich verbessert. Anfängliche Erfolgsraten von bis zu 80 Prozent wurden in randomisierten Studien nicht erzielt. Mit 50 bis 60 Prozent liegen sie aber signifikant über der Plazebowirkung. Botulinumtoxin zeigt mit 70 bis 80 Prozent gute Therapieergebnisse, ist jedoch eine noch sehr teure Alternative. Die besten Ergebnisse bei der Abheilung hat die operative Therapie: Eine Fissurektomie ist einer Sphinkterotomie vorzuziehen.
Abszess und Fistel
Der Abszess ist die akute, die Fistel die chronische Form der kryptoglandulären Entzündung. Beim Abszess (Abbildung 3) sind Schmerz und Schwellung die führenden Symptome, bei

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Abbildung 3: Analabszess

Proximale (hohe) trans-, supra- und extrasphinktäre Fistelgänge, die wesentliche Muskelanteile durchbohren, werden primär fadendrainiert, im nicht entzündlichen Stadium in zweiter Sitzung exstirpiert und plastisch verschlossen. Hierzu führt man nach kompletter Exstirpation des Fistelgangs, vor allem der kryptoglandulären Region, eine direkte Naht der Sphinktermuskulatur durch und sichert sie mit einem Verschiebelappen aus Schleimhaut oder Mukosa/Submukosa/Internus. So schliesst man die innere Fistelöffnung. Eine unmittelbare Nahtinsuffizienz tritt in 10 bis 25 Prozent der Fälle auf, die Rezidivrate liegt zwischen 5 und 30 Prozent (9, 10). Neben diesen Methoden setzt man in Einzelfällen auch andere Techniken ein: die direkte komplette Spaltung und den ein- oder zweizeitigen Wiederaufbau der Muskulatur sowie die Interposition von Muskulatur (z.B. M. gracilis oder M. rectus abdominis), die langzeitige Fadendrainage und die Fibrinklebung. Eine Sonderform der anorektalen Fistel ist die rekto- beziehungsweise anovaginale Fistel. Sie wird analog zu obigen Prinzipien diagnostiziert und therapiert. Wegen ihrer Lage sind jedoch meist plastische Verfahren notwendig. Bedingt durch das in diesem Bereich fehlende umgebende Binde- und Muskelgewebe des Septum rektovaginale sind die Erfolgsraten schlechter als bei den anderen Anorektalfisteln (11).

Abbildung 4: Analfistel
Abbildung 5: Analkarzinom der Fistel Sekretion und Juckreiz (Abbildung 4). Entsprechend ihrer Beziehung zum Sphinkter erfolgen die Klassifikation und die spätere Therapie. Ein anorektaler Abszess wird grundsätzlich unverzüglich nach Diagnosestellung operiert. Subanodermale, submuköse, intersphinktäre und distale (tiefe) transsphinktäre Fisteln, die nur einen kleinen Anteil der Sphinktermuskulatur umfassen, können ohne Einschränkung der Kontinenz komplett gespalten werden. Die Rezidivrate liegt bei unter 10 Prozent, während die Kontinenzstörung direkt vom Ausmass der Sphinkterbeteiligung abhängt. Hat man früher bis zu zwei Drittel der Muskelmasse durchtrennt, geht man heute zurückhaltender vor. In der Literatur werden daher Daten der postoperativen Kontinenzleistung mit enormer Streuung angegeben (5–40%) (8).

Analkarzinom

Analkarzinome sind maligne Tumoren des Analkanals und

-rands (Abbildung 5). Sie machen nur 1 bis 2 Prozent aller kolo-

rektalen Karzinome beziehungsweise 2,1 Prozent der Mali-

gnome des Verdauungstrakts aus. Die Ätiologie ist meist eine

Virusgenese (humane Papillomviren, HPV). Je nach Grösse

und Sitz des Tumors kann die Symptomatik äusserst vielfältig

sein. Meist liegen eher unspezifische Beschwerden vor.

Die Klassifikation der Analkarzinome erfolgt nach dem

TNM-System der UICC. Durch Anamnese, Inspektion und

Palpation des Analkanals sowie Rekto- und Proktoskopie

lässt sich der Primärtumor beurteilen. Mit einer Tumorbiop-

sie sichert man die maligne Veränderung histologisch. Im

fortgeschrittenen Tumorstadium sind eine Computertomo-

grafie (CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT)

von Abdomen und Becken, vor allem zur Beurteilung der ilia-

kalen, inguinalen und paraaortalen Lymphknoten, gefordert.

Eine Positronenemissionstomografie-(PET-)CT könnte sich

zum Standard entwickeln, da hier auch kleinere Herde dar-

stellbar sind. Standardtherapie ist eine Radiochemotherapie

über sechs Wochen und 54 bis 59 Gy mit Heilungsraten sta-

dienabhängig zwischen 50 und 80 Prozent, mit neuesten

Techniken auch über 90 Prozent. Nur T1-Tumoren und

Rezidive werden operiert.

L

Prof. Dr. med. Alexander Herold EDZ Mannheim D-68165 Mannheim
Alle Abbildungen © Herold
Interessenlage: Der Autor hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 8/2018. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

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