Transkript
PNEUMOLOGIE/ALLERGOLOGIE
Zweifachkombination bewährt sich in grossem Studienprogramm
Experten erinnern an leitliniengerechte Behandlung der COPD
Zur wirksamen Behandlung der COPD stehen heute verschiedene Optionen zur Verfügung. Immer noch zu häufig kommen Steroide zum Einsatz. Dabei konnte das umfassende Studienprogramm TOviTO einer kombinierten Therapie aus Tiotropium und Olodaterol gute Ergebnisse bescheinigen, wie Experten an einem Pressetermin von Boehringer aufzeigten.
Die 2017 neu formulierte Definition der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) (1) zeige eine wesentliche veränderte Einschätzung, so eröffnete Prof. Dr. Martin Brutsche, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin am Kantonsspital St. Gallen, seinen Vortrag. Sprach man früher im Zusammenhang mit einer COPD von «selbst verschuldet, progredient und nicht behandelbar», so weiss man heute, dass die Erkrankung zwar häufig, aber häufig auch vermeidbar ist und längst nicht nur selbst verschuldet aufgrund von Rauchkonsum. 95 Prozent der Weltbevölkerung sind ungesunder Luft ausgesetzt, und das macht die COPD, gerade in den Schwellenländern, zu einem grossen gesellschaftlichen Thema. Obwohl es Patienten mit persistierenden Symptomen gibt, gilt die COPD grundsätzlich als behandelbar. Dafür gebe es gute Evidenz, sei es für pharmakologische oder nicht pharmakologische rehabilitative Massnahmen, betonte Brutsche.
Bis zu einer halben Million Betroffene
In der Schweiz leiden etwa 400 000 bis 500 000 Menschen unter einer COPD (2). Diese macht sich oftmals erst dann mit Symptomen bemerkbar, wenn die Lungenfunktion bereits eingeschränkt ist. Rund 90 Prozent der Betroffenen benötigen eine Bronchodilatation, bei etwa 20 Prozent kommt es im Verlauf zu Exazerbationen, und nur zirka 10 bis 20 Prozent benötigen ein topisches Kortikosteroid (inhalative corticosteroid; ICS), wie Brutsche sagte. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn auch eine asthmatische Komponente mit dabei ist.
Tripeltherapie im Alltag zu häufig verschrieben
Im Zentrum der Therapie stehen lang wirksame Anticholinergika (long-acting muscarinic-receptor antagonist; LAMA) und lang wirksame Betaagonisten (long acting beta agonist; LABA), die topischen ICS sollten als Alternative nur bei jenen Patienten eingesetzt werden, die mindestens 2 Exazerbationen pro Jahr haben oder mindestens 1, die mit einer Hospitalisierung einhergeht, entsprechend GOLD C, daran erinnerte der Experte. In der Realität sieht es leider anders aus. Auch 62 Prozent der Patienten aus GOLD A und 57 Prozent der Patienten aus GOLD B erhalten eine Tripeltherapie, bestehend aus lang wirksamen LAMA, LABA und ICS (3).
«Das ist meist eine Frage der Zeit, bei anhaltenden Symptomen wird oft ein zusätzliches Medikament gegeben», so Brutsche.
Gute Evidenz für LAMA/LABA-Kombination
Dabei gibt es gute Evidenz für den Einsatz der Zweifachkombination aus LAMA/LABA, die eine stärkere Bronchodilatation als eine LAMA-Monotherapie ermöglicht (4), wie auch das umfassende Studienprogramm zu Tiotropium und Olodaterol zeigen konnte. Zu Tiotropium liegen bereits Erfahrungen aus mehr als 40 Millionen Patientenjahren und mehr als 240 klinischen Studien vor. Als Partner hat sich Olodaterol bewährt, ein eigens zu diesem Zweck entwickeltes LABA, dessen Wirkung schnell eintritt und lange anhält (5). Gemeinsam wurden sie im Spiolto®-Respimat®-Studienprogramm TOviTO versus Tiotropium allein untersucht. Das Programm umfasste mehr als 15 000 Patienten, untersucht wurden darin die verschiedensten patientenrelevanten Outcomeparameter für COPD-Patienten im Stadium Gold 2 bis 4. Ein stattliches Portfolio, das recht viel Evidenz generiere, so Brutsche. Die Studien bestätigen über ein breites Spektrum von COPD-Patienten und -Stadien hinweg eine klare und konsistente Verbesserung unter der kombinierten Therapie im Vergleich zur Monotherapie. In der Gruppe chronisch Kranker ist auch die Sicherheit von grosser Bedeutung. Alles in allem lagen bei rund 87 Prozent der Teilnehmer Komorbiditäten vor (21,5% kardial, 49,0% vaskulär, inklusive Hypertonie) (6). Das Nebenwirkungsspektrum sowie die Häufigkeit von Nebenwirkungen waren unter der Kombination vergleichbar mit jenen unter den Monosubstanzen, es ergaben sich keine Anhaltspunkte für vermehrte kardiovaskuläre Risiken. Zu Therapieabbrüchen kam es unter der Kombination sogar seltener.
Studienprogramm TOviTO mit DYNAGITO erfolgreich vollendet
Mit DYNAGITO ist nun auch die letzte Studie des Programms abgeschlossen (7). Diese Studie untersuchte die Wirkung auf die Exazerbationsrate, denn gehäufte Exazerbationen spielen eine grosse Rolle für den weiteren Krankheitsverlauf und gehen im Fall einer Hospitalisation mit grossem
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Aufwand einher, wie Prof. Dr. med. Michael Tamm, Chefarzt Pneumologie am Universitätsspital Basel, betonte. Wenn man wegen einer Exazerbation hospitalisiert werden müsse, sei die Mortalität der Betroffenen nicht unmittelbar, aber in den nächsten drei Jahren mehr als dreimal so hoch, so wie bei Patienten, die wegen eines Herzinfarkts hospitalisiert wurden, berichtete der Experte. In der 52-wöchigen, randomisierten, doppelblinden, aktiv kontrollierten Phase-III-Studie, die weltweit 7880 Patienten mit einem hohen Exazerbationsrisiko einschloss, wurden zu Beginn bereits 70 Prozent mit einem inhalativen Steroid behandelt, wie Tamm weiter ausführte – eine Massnahme, die eigentlich bei der COPD erst ganz zum Schluss ergriffen werden sollte. Die Mehrheit erhielt bereits bei Studieneintritt eine Tripeltherapie. Auch wenn das aus regulatorischen Gründen gewählte Signifikanzniveau von 99 Prozent nicht erreicht werden konnte, wurde die Rate moderater bis schwerer COPD-Exazerbationen (primärer Endpunkt) über den Behandlungszeitraum hinweg durch die Kombination (Tiotropium/Olodaterol 5/5 µg) numerisch um zusätzliche 7 Prozent im Vergleich zur 20-prozentigen Verbesserung unter der Monotherapie (Tiotropium 5 µg) gesenkt (p = 0,0498). Besonders deutlich profitierten zwei Patientengruppen von der Kombination, wie explorative Analysen zeigten. Und zwar die Patienten, die am häufigsten exazerbierten, sowie diejenigen mit kortisonpflichtigen Exazerbationen. Ein weiterer Endpunkt war das Ergebnis des Scores von CAT (COPD Assessment Test) bei Klinikbesuchen. Die erhobenen Werte zeigten einen signifikanten Unterschied in der Lebensqualität zugunsten der kombiniert behandelten Therapiegruppe. Hinsichtlich der Sicherheit ergaben sich keine neuen Risiken.
Zentrum überwiesen. Damit die Erkenntnisse aus Studien
vermehrt Eingang in die alltägliche Praxis finden, müssten
die darauf aufbauenden Guidelines stärker in einfache, klare
Botschaften übersetzt werden, so Tamm. Für zu komplexe
Vorgaben fehlt im Alltag häufig die Zeit. Auch Brutsche
merkte an, dass zwar sehr viel Gewicht auf die Erstellung der
Guidelines gelegt werde, aber die Implementierung in die
Praxis oft noch etwas hinterherhinke. Darauf müsse in Zu-
kunft noch mehr Gewicht gelegt werden.
s
Christine Mücke
Referenzen: 1. From the Global Strategy for the Diagnosis, Management and Preven-
tion of COPD, Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) 2017. Available at: http://goldcopd.org 2. www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken 3. Brusselle G et al.: The inevitable drift to triple therapy in COPD: an analysis of prescribing pathways in the UK Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2015; 10: 2207–2217. 4. Dale PR et al.: The pharmacological rationale for combining muscarine receptor antagonists and ß-adrenoceptor agonist in the treatment of airway and bladder disease. Curr Opin Pharmacol 2014; 16: 31–42. 5. Fachinformation Olodaterol, swissmedicinfo.ch, Stand März 2014. 6. Buhl RM et al.: Long-term general and cardiovascular safety of tiotropium/olodaterol in patients with moderate to very severe chronic obstructive pulmonary disease. Respir Med 2017; 122: 58–66. 7. Calverley PMA et al.: Tiotropium and olodaterol in the prevention of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations (DYNAGITO): a double-blind, randomised, parallel-group, active-controlled trial. Lancet Respir Med 2018; 6(5): 337–344.
Umsetzung in der Praxis hinkt den Guidelines hinterher
Die COPD-Patienten werden in der Schweiz mehrheitlich
von den Hausärzten behandelt und in schweren oder unkla-
ren Fällen zur Diagnostik an den Experten respektive das
CAT-Score
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