Transkript
GASTROENTEROLOGIE
Diagnostik und Therapie bei Colitis ulcerosa
Aktualisierte S3-Leitlinie
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat ihre Empfehlungen zum Management bei Colitis ulcerosa dem neusten Stand angepasst. Besonderes Augenmerk haben die Experten dabei auf Fragen zur Ernährung und auf die speziellen Infektionsrisiken im Rahmen dieser Erkrankung gelegt.
awfm.org
Die neue Colitis-ulcerosa-Leitlinie ist ein Update derjenigen aus dem Jahr 2011. Neben der jeweils angegebenen Evidenzgrundlage werden drei Empfehlungsgrade verwendet: A (starke Empfehlung, Formulierung «soll»), B (Empfehlung, Formulierung «sollte») sowie C (offen, Formulierung «kann»).
Abklärungen bei Verdacht auf Colitis ulcerosa
Nach dem Endoskopiebefund wird unterschieden zwischen Proktitis (begrenzt auf das Rektum), Linksseitenkolitis (bis zur linken Kolonflexur) oder ausgedehnter Kolitis. Gleichzeitig soll auch das Vorliegen einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) dokumentiert werden, da diese die endoskopische Überwachungsstrategie beeinflusst (Kasten 1). Neben den Endoskopiebefunden sind auch detaillierte anamnestische Angaben für die Diagnosestellung wichtig. Bei Kindern und Jugendlichen sollen zusätzlich die Entwicklung von Gewicht und Länge sowie das Pubertätsstadium bei Erstdiagnose und regelmässig im Krankheitsverlauf erfasst werden. Die Diagnose einer Colitis ulcerosa soll auf dem Boden einer Kombination von Anamnese, klinischer Untersuchung und typischen laborchemischen, sonografischen, endoskopischen und histologischen Befunden gestellt werden.
MERKSÄTZE
Die Diagnose einer Colitis ulcerosa soll auf dem Boden einer Kombination von Anamnese, klinischer Untersuchung und typischen laborchemischen, sonografischen, endoskopischen und histologischen Befunden gestellt werden.
Die hochauflösende abdominelle Sonografie sollte Bestandteil der Diagnostik bei der Erstdiagnose und in der Verlaufsdiagnostik sowie beim schweren akuten Schub zur Erfassung von Komplikationen sein.
Bei allen Patienten sollte nach einer erfolgreichen Schubtherapie eine langfristige Remissionserhaltungstherapie erfolgen.
Kasten 1:
Wichtige Empfehlungen zur Diagnostik bei Colitis ulcerosa
s Die Diagnose einer Colitis ulcerosa soll aufgrund einer Kombination von Anamnese, klinischer Untersuchung und typischen laborchemischen, sonografischen, endoskopischen und histologischen Befunden gestellt werden.
L Mit einer Endoskopie soll eine Einteilung in Proktitis (begrenzt auf das Rektum), Linksseitenkolitis (Ausdehnung bis zur linken Flexur) respektive ausgedehnte Kolitis erfolgen.
L Die Anamnese sollte Art und Beginn der Symptome, eine kürzliche Reiseanamnese, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Kontakte mit infektiösen Durchfallerkrankungen, Impfstatus sowie Raucher-, Familienund Medikamentenanamnese umfassen; ausserdem sind extraintestinale Manifestationen an Mund, Haut, Augen und/oder Gelenken sowie perianale Abszesse, Fisteln und Analfissuren zu berücksichtigen.
L Zur Verlaufsdiagnostik bei etablierter Colitis ulcerosa sollte die quantitative Bestimmung von fäkalen Neutrophilenmarkern (z.B. Calprotectin) herangezogen werden.
L Wenn gleichzeitig eine primäre sklerosierende Cholangitis (PSC) besteht, sollten die Überwachungskoloskopien unabhängig von Krankheitsaktivität und Ausdehnung der Kolitis ab dem Zeitpunkt der PSC-Diagnose-Stellung jährlich erfolgen.
Die initiale Labordiagnostik sollte neben dem Blutbild mindestens folgende Parameter enthalten: L Entzündungsstatus L Eisenhaushalt L Nierenfunktion L Transaminasen L Cholestaseparameter.
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Kasten 2:
Wichtige Empfehlungen zur Therapie bei Colitis ulcerosa
L Bei allen Patienten sollte nach der erfolgreichen Therapie eines Schubs eine langfristige Erhaltungstherapie durchgeführt werden.
L Die Möglichkeiten und Risiken einer medikamentösen Behandlung sollten gegen eine operative Therapie abgewogen werden.
L Eine leichte bis mässig aktive Proktitis soll zunächst mit Mesalazin als Suppositorium 1-mal täglich behandelt werden.
L Bei Versagen dieser Monotherapie sollte die rektale Mesalazinanwendung entweder mit einem topischen Steroid oder mit oralem Mesalazin kombiniert werden.
L Die geeignete Schub- und Erhaltungstherapie hängt unter anderem ab von der Erkrankungsausbreitung und dem -verlauf, dem Ansprechen auf und den Nebenwirkungen bezüglich vorangegangener Therapien sowie dem Schweregrad des letzten Erkrankungsschubes, der remissionsinduzierenden Medikation, der Sicherheit der remissionserhaltenden Therapie und dem Potenzial einer Dysplasie und Krebsprävention.
L Eine leichte bis mässig schwere linksseitige Kolitis sollte initial mit rektalem Mesalazin in Form von Einläufen oder Schäumen in Kombination mit oralem Mesalazin behandelt werden.
L Die rektale Anwendung von Mesalazineinläufen oder -schäumen soll der topischen Steroidtherapie vorgezogen werden.
L Budesonid MMX sollte bei leichter bis mässig aktiver Linksseitenkolitis bei unzureichendem Ansprechen oder einer Unverträglichkeit von 5-Aminosalizylaten eingesetzt werden.
L Eine systemische Steroidtherapie soll begonnen werden, wenn die Symptome nicht auf die oben genannten Therapien ansprechen.
L Bei ausgedehntem Befall soll eine leichte bis mässig schwere Colitis ulcerosa zunächst mit oralem Mesalazin in Kombination mit Mesalazineinläufen oder -schäumen behandelt werden.
L Eine systemische Steroidtherapie soll begonnen werden, wenn die Symptome nicht auf die bisherigen Therapien ansprachen oder wenn bereits bei Diagnosestellung eine schwere Form der Kolitis vorliegt.
L 5-Aminosalizylate sollen primär als remissionserhaltende Therapie eingesetzt werden.
L Die Proktitis und die linksseitige Kolitis sollten primär rektal therapiert werden.
L Möglichkeiten zur stufenweisen remissionserhaltenden Therapieeskalation sind die Dosiserhöhung einer oralen/ rektalen Kombinationstherapie mit Aminosalizylaten, eine Anti-TNF-Therapie oder eine Behandlung mit Vedolizumab oder mit Thiopurinen.
L Kortikosteroide sollen zur Remissionserhaltung nicht eingesetzt werden.
L Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Krankheitsaktivität, welche unzureichend auf die Behandlung mit systemischen Steroiden ansprechen oder bei denen Kontraindikationen oder Intoleranzen vorliegen, sollten mit TNF-Antikörpern oder mit Ciclosporin A oder Tacrolimus behandelt werden.
GASTROENTEROLOGIE
Zur Abschätzung des Ansprechens auf die Therapie können C-reaktives Protein (CRP) und/oder fäkale Neutrophilenmarker (z.B. Calprotectin) als Verlaufsparameter herangezogen werden. Die quantitative Bestimmung von fäkalen Neutrophilenmarkern sollte in der klinischen Differenzialdiagnostik zur Abgrenzung der Beschwerden gegenüber einer (funktionellen) Reizdarmsymptomatik genutzt werden. Eine intestinale Infektion sollte bei der Erstdiagnostik und bei einer Schubsymptomatik im Verlauf ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang kann die Reiseanamnese bedeutsam sein. Bei nicht eindeutig zu klassifizierender Kolitis sollte eine Diagnostik des oberen Gastrointestinaltrakts mittels Ösophagogastroduodenoskopie und des mittleren Gastrointestinaltrakts mittels Magnetresonanztomografie des Dünndarms und/oder abdomineller Sonografie durchgeführt werden.
Verlaufsbeobachtung bei etablierter Colitis ulcerosa
Eine routinemässige Koloskopie sollte bei Patienten mit Colitis ulcerosa in der Remission bis zum Beginn der Karzinomüberwachung nicht erfolgen. Eine erneute endoskopische Diagnostik in der klinischen Remission kann zur Beurteilung des Therapieansprechens und unter Immunsuppression oder biologischer Therapie mit Blick auf eine Therapiedeeskalation erwogen werden. Die hochauflösende abdominelle Sonografie sollte Bestandteil der Diagnostik bei der Erstdiagnose und in der Verlaufsdiagnostik sowie beim schweren akuten Schub zur Erfassung von Komplikationen sein. Die Colitis ulcerosa ist mit einem erhöhten Kolonkarzinomrisiko assoziiert. Die Kolonkarzinommortalität kann durch eine endoskopische Überwachung gesenkt werden. Daher sollten angepasst an eine Risikostratifizierung Überwachungskoloskopien erfolgen. Dieses Monitoring wird jedoch nicht empfohlen, wenn die Krankheitsaktivität auf das Rektum beschränkt ist. Besteht hingegen gleichzeitig eine PSC, sollten die Überwachungskoloskopien unabhängig von der Krankheitsaktivität und der Ausdehnung der Kolitis ab dem Zeitpunkt der PSC-Diagnosestellung jährlich erfolgen. In der Konstellation PSC plus Kolitis kann zur Prophylaxe eines kolitisassoziierten Karzinoms Ursodesoxycholsäure eingesetzt werden.
Therapie bei Colitis ulcerosa
«Das primäre Ziel der Colitis-ulcerosa-Therapie ist das rasche Erreichen einer klinischen Remission und die Bewahrung einer langfristigen steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission», beschreibt die Leitlinie die Aufgaben der Behandlung. Vor Einleitung einer antientzündlichen Therapie sollte allerdings eine Entzündungsaktivität objektiv nachgewiesen werden. Bei allen Patienten sollte nach einer erfolgreichen Schubtherapie eine langfristige Remissionserhaltungstherapie erfolgen (Kasten 2). Die verschiedenen medikamentösen Therapiemöglichkeiten und -risiken sollten individuell gegen eine operative Therapie abgewogen werden. Eine leichte bis mässig aktive Proktitis soll zunächst mit Mesalazin ≥ 1 g pro Tag als Suppositorium 1-mal täglich behandelt werden. Mesalazinschaum und -einläufe stellen eine äquivalente therapeutische Alternative dar. Reicht die rektale Monotherapie nicht aus, sollte sie entweder mit topischen Steroiden oder oralem Mesalazin kombiniert werden.
Kasten 3:
Empfehlungen zur Ernährung bei Colitis ulcerosa
s Mit Ausnahme des Stillens gibt es keine Ernährungsfaktoren, die zur Minderung des Risikos für eine Colitis ulcerosa empfohlen werden könnten.
s Weder als primäre Therapie zur Remissionsinduktion noch zur Remissionserhaltung sollte eine spezielle Diät oder Ernährungstherapie empfohlen werden.
s Ein isolierter Mikronährstoffmangel sollte durch entsprechende orale oder parenterale Supplemente behandelt werden.
s Eine leichtgradige Eisenmangelanämie kann oral behandelt werden. Bei Intoleranz oder unzureichendem HbAnstieg sollte rechtzeitig auf eine intravenöse Eisentherapie umgestellt werden.
Eine leichte bis mässig schwere Linksseitenkolitis sollte initial mit rektalem Mesalazin in Form von Einläufen oder Schäumen (≥ 1 g/Tag) in Kombination mit oralen mesalazinfreisetzenden Präparaten (≥ 3 g/Tag) behandelt werden. Bei oraler Gabe von Mesalazin sollte eine tägliche Einmaldosierung vorgezogen werden. Erst wenn die Symptome nicht auf diese Therapien ansprechen, soll eine systemische Steroidtherapie (0,5–1 mg/kg Körpergewicht [KG]/Tag Prednisolonäquivalent) begonnen werden. Bei unzureichendem Ansprechen oder einer Unverträglichkeit von 5-Aminosalizylate-freisetzenden Präparaten sollte Budesonid MMX (9 mg/Tag) eingesetzt werden.
Kasten 4:
Empfehlungen zu Alternativund Komplementärtherapien
s Die Beurteilung naturheilkundlicher und komplementärmedizinischer Verfahren soll nach den Kriterien einer evidenzbasierten Medizin erfolgen.
s Patienten sollen über die Anwendung komplementärer Heilmethoden befragt werden.
s Achtsamkeitsbasierte Verfahren zur Stressreduktion sowie Yoga zur Verbesserung der Lebensqualität können komplementär eingesetzt werden.
s Akupunktur kann im leichten bis moderaten Schub komplementär eingesetzt werden.
s Indische Flohsamen (Plantago ovata) können komplementär zur Remissionserhaltung eingesetzt werden.
s Für die Therapie mit Curcumin komplementär zu einem Aminosalizylat liegen Studien mit positiven Ergebnissen in der Remissionsinduktion und -erhaltung vor.
s Eine Kombination aus Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle kann komplementär zur Remissionserhaltung eingesetzt werden.
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GASTROENTEROLOGIE
Bei ausgedehntem Befall soll eine leichte bis mässig schwere Colitis ulcerosa zunächst mit einem oralen mesalazinfreisetzenden Präparat in einer Dosierung ≥ 3 g/Tag in Kombination mit Mesalazineinläufen oder -schäumen behandelt werden. Bei Nichtansprechen soll eine systemische Steroidtherapie begonnen werden. Dasselbe Vorgehen empfiehlt die Leitlinie, wenn bereits bei Diagnosestellung eine schwere Form der Kolitis vorliegt. 5-Aminosalizylate sollen primär als remissionserhaltende Therapie eingesetzt werden, wenn ein Ansprechen auf Aminosalizylate oder Steroide besteht. Der Applikationsweg von 5-Aminosalizylaten soll sich nach dem Befallsmuster der Erkrankung richten. Die Proktitis und die linksseitige Kolitis sollten primär rektal therapiert werden. Eine Kombination von oralen und rektalen Präparaten soll als Zweitlinienerhaltungstherapie verwendet werden. Wegen des günstigeren Nebenwirkungsprofils bei vergleichbarer Effizienz sollte Mesalazin der Vorzug gegenüber Sulfasalazin gegeben werden. Eine remissionserhaltende Mesalazintherapie sollte bei Effektivität mindestens zwei Jahre durchgeführt werden. Unter dem Aspekt der Karzinomprävention sollte aber eine Langzeitbehandlung angeboten werden. Als Möglichkeiten zur stufenweisen remissionserhaltenden Therapieeskalation erwähnt die Leitlinie die Dosiseskalation einer oralen/rektalen Kombinationstherapie mit Aminosalizylaten sowie die Therapie mit Vedolizumab oder mit Thiopurinen.
Kortikosteroide sollen zur Remissionserhaltung nicht eingesetzt werden
Patienten mit einem schweren akuten Schub sollten stationär behandelt werden, und die Behandlung sollte in einem interdisziplinären Team zusammen mit einem erfahrenen Abdominalchirurgen erfolgen. Bei mittelschwerer bis schwerer Krankheitsaktivität, die unzureichend auf systemische Steroide anspricht, beziehungsweise bei Steroidkontraindikationen oder -intoleranzen, sollte mit TNF-(Tumornekrosefaktor-)Antikörpern (Adalimumab, Golimumab, Infliximab) beziehungsweise mit Ciclosporin A oder Tacrolimus behandelt werden. Wird Infliximab eingesetzt, sollte vorzugsweise eine Kombinationstherapie mit einem Thiopurin erfolgen. Patienten mit fulminanter Krankheitsaktivität, die refraktär auf die Behandlung mit intravenösen Steroiden sind, sollten mit Infliximab beziehungsweise mit Ciclosporin A oder Tacrolimus behandelt werden. Eine Proktokolektomie sollte mit in Erwägung gezogen werden. Tritt unter intensiver antientzündlicher Therapie eine klinische Verschlechterung ein, sollte eine Proktokolektomie durchgeführt werden. Diese kann ebenso indiziert sein, wenn nach 4 bis 7 Tagen keine Verbesserung des klinischen Zustands eintritt. Nach Erreichen einer Remission sollte eine remissionserhaltende Therapie mit Thiopurinen bei Patienten mit milder bis moderater Erkrankungsaktivität eingesetzt werden, wenn frühe oder gehäufte Schübe unter einer optimal dosierten Therapie mit 5-Aminosalizylaten auftreten. Thiopurine sind auch eine Alternative bei Unverträglichkeit gegen 5-Aminosalizylate, wenn ein steroidabhängiger Erkrankungsverlauf besteht oder wenn die Erkrankung auf eine remissionsinduzierende Therapie mit Ciclosporin oder Tacrolimus anspricht.
Erhöhtes Infektionsrisiko bei Colitis ulcerosa
«Bei einer Kombinationstherapie aus mehreren immunsuppressiv wirkenden Medikamenten steigt das Risiko für Infektionen mit Hinzunahme jedes weiteren Medikaments deutlich an», halten die Autoren fest. Besonders gefährdet sind ältere Patienten, solche mit Komorbiditäten oder durchgemachten schweren Infektionskrankheiten sowie Patienten mit Mangelernährung. Bei der Erstdiagnose beziehungsweise spätestens vor Beginn einer immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie sollte bei allen Patienten ein Infektionsscreening auf Hepatitis B, Tuberkulose und Epstein-Barr-Virus (EBV) durchgeführt werden. Gleichzeitig sollte der Impfstatus überprüft und aktualisiert werden. Nichtlebendimpfungen unter immunsuppressiver Therapie gelten als sicher, während Lebendimpfungen kontraindiziert sind. Vor Einleitung einer Therapie mit Biologika ist das Tuberkulosescreening zu aktualisieren. Eine routinemässige Diagnostik auf C. difficile wird bei leichten Schüben nicht empfohlen, da in dieser Situation Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) selten sind. Bei hospitalisierten Patienten und bei Patienten nach Antibiotikatherapie ist die Infektionsrate hinsichtlich C. difficile jedoch höher. Im Gegensatz zu Patienten ohne entzündliche Darmerkrankung weisen Colitis-ulcerosa-Patienten eine längere Krankenhausverweildauer und eine vierfach höhere Mortalität auf. Daher ist hier ein Screening auf C. difficile sinnvoll. Glukokortikoide, Immunomodulatoren und TNF-Antikörper sind Risikofaktoren für eine schwere CDI.
Erhöhtes Risiko für Mangelernährung bei Colitis ulcerosa
«Mit Ausnahme des Stillens gibt es keine Ernährungsfaktoren, die zur Risikominderung empfohlen werden könnten», so die lapidare Feststellung der Leitlinie. Von spezieller enteraler und/oder ausschliesslich parenteraler Ernährung rät die Leitlinie daher ab (Kasten 3). Eine spezielle Diät oder Ernährungstherapie zur Remissionserhaltung sollte ebenfalls nicht empfohlen werden. Patienten mit Colitis ulcerosa haben jedoch ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung, nach der schon zum Zeitpunkt der Erstdiagnose und im weiteren Krankheitsverlauf gesucht werden sollte. Dieses Risiko betrifft vor allem Mikronährstoffe. Ein isolierter Mikronährstoffmangel sollte durch entsprechende orale oder parenterale Supplemente behandelt werden. Eine generelle Vitamin- oder Spurenelementsubstitution ist hingegen bei Colitis ulcerosa nicht sinnvoll. Bei leichtgradiger Eisenmangelanämie (Hb 11–13 g/dl) kann mit einer oralen Eisenzufuhr von zirka 100 mg/Tag für 4 Wochen begonnen werden. Bei Intoleranz oder unzureichendem Hb-Anstieg (< 2 g/dl) sollte rechtzeitig auf eine intravenöse Eisentherapie umgestellt werden. Bei schwerer Anämie sollte in jedem Fall eine intravenöse Eisenverabreichung mit dem Ziel der Hb-Wert-Normalisierung und Auffüllung der Eisenspeicher erfolgen.
Alternativ- und Komplementärtherapie bei Colitis ulcerosa
Die Leitlinie, die sich der evidenzbasierten Medizin (EBM) verpflichtet fühlt, lehnt Alternativtherapien anstatt einer evidenzgesicherten Therapie ab und verlangt, dass auch natur-
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heilkundliche und komplementärmedizinische Verfahren nach EBM-Kriterien beurteilt werden. Wie bei anderen chronischen Erkrankungen wenden sich viele Betroffene komplementären Heilmethoden zu. Die Patienten sollen dazu befragt werden. Für den behandelnden Arzt sind die Gründe für die Anwendung von Interesse. Unter der Vielzahl komplementärmedizinischer Behandlungsoptionen erwähnt die Leitlinie achtsamkeitsbasierte Verfahren zur Stressreduktion, Yoga und auch Akupunktur im leichten bis moderaten Schub, die angewendet werden können (Kasten 4). Die Autoren äussern sich auch verhalten positiv zu Flohsamen (Plantago ovata) in der remissions-
erhaltenden Behandlung sowie zu Curcumin zur Remission-
sinduktion und -erhaltung. Eine schwache Empfehlung gilt
auch für die Kombination aus Myrrhe, Kamillenblütenex-
trakt und Kaffeekohle (Myrrhinil intest®), die komplementär
in der remissionserhaltenden Behandlung eingesetzt werden
kann.
L
Halid Bas
Quelle: www.rosenfluh.ch/qr/colitisulcerosa
Morbus Parkinson
Management der Obstipation findet noch zu wenig Beachtung
Parkinsonpatienten, die unter Obstipation leiden, sind in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Der Linderung dieser Beschwerden sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Auch nicht motorische Beschwerden können das Wohlbefinden von Parkinsonpatienten substanziell beeinträchtigen. Ein Beispiel ist die Obstipation, unter der bis zu zwei Drittel der Patienten leiden. Alles in allem führen die physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen zu einer Einschränkung der Lebensqualität. Deshalb haben Carrasco et al. in einerm systematischen Review die Wirksamkeit und Sicherheit der verfügbaren Therapieoptionen in Augenschein genommen. Sie durchsuchten die drei elektronischen Datenbanken Embase, Medline und Psychinfo nach entsprechenden Studien, als sekundärer Endpunkt wurden allfällige Nebenwirkungen analysiert. Die Recherche identifizierte 18 Studien mit
15 verschiedenen Interventionen, jedoch alle ohne ausreichende
Evidenz für eine starke Empfehlung. Dennoch gibt es einige Evi-
denz dafür, dass diätetische Interventionen mit Pro- und Präbiotika
die Symptomlast reduzieren können – und das bei sehr günstigem
Nebenwirkungsprofil. Auch der Einsatz von Lubiproston, Macro-
gol und, in einem spezifischen Fall einer isolierten Outlet-Obstruk-
tion, eine Botulinum-A-Injektion können moderat unterstützt
werden. Die Autoren kommen zum Schluss, dass dem Problem der
Verstopfung bei Parkinsonpatienten bislang zu wenig Aufmerk-
samkeit gewidmet wurde.
Mü L
Quelle: Carrasco AJ et al.: Management of constipation in patients with Parkinson’s disease. NPJ Parkinsons Dis 2018; 4: 6; doi:10.1038/s41531-018-0042-8.
Zur Publikation gelangen Sie via www.rosenfluh.ch/qr/kb-am-23_3
oder direkt via QR-Code.
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