Transkript
RHEUMATOLOGIE/ORTHOPÄDIE
Update der EULAR-Leitlinien zum Management der Handarthrose
Neue Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR)
Seit der Veröffentlichung der letzten EULAR-Empfehlungen zur Behandlung der Hand- und Fingergelenkarthrosen im Jahr 2007 gab es eine Reihe neuer Erkenntnisse. Daher publizierte die EULAR kürzlich ein Update ihrer Empfehlungen.
Annals of the Rheumatic Diseases
Die Handarthrose ist eine häufige Erkrankung, deren Prävalenz mit zunehmendem Alter steil ansteigt. Die Erkrankung geht mit Schmerzen, Steifheit, funktionellen Einschränkungen, verminderter Greifstärke und reduzierter Lebensqualität einher. Manchmal wird auch eine Weichteilschwellung beobachtet. Die Arthrose der Hand- und Fingergelenke zeigt einen unterschiedlichen Verlauf. Lange Zeit war die Handarthrose eine wenig beachtete Erkrankung («forgotten disease»). Doch in den letzten Jahren gab es neue Daten zu medikamentösen und nicht medikamentösen Behandlungsoptionen. Daher gab die EULAR nun aktualisierte Empfehlungen zur Handarthrose heraus: Ein internationales interdisziplinäres Expertenteam formulierte fünf übergeordnete Prinzipien und zehn Empfehlungen.
Übergeordnete Prinzipien
1. Primäres Therapieziel ist es, die Symptome des Patienten wie Schmerzen und Steifheit zu kontrollieren, die Handfunktion zu optimieren und die Aktivität, Teilhabe und Lebensqualität des Patienten zu maximieren.
2. Allen Patienten sollten Informationen über die Natur und den Verlauf der Erkrankung angeboten werden, ebenso eine Edukation zu Selbstmanagementprinzipien und Behandlungsoptionen.
3. Die Therapie der Handarthrose sollte individualisiert werden, je nach Lokalisation, Schweregrad und Begleiterkrankungen.
MERKSÄTZE
Topische NSAR werden bei Arthrose der Hand- und Fingergelenke als medikamentöse Erstlinientherapie empfohlen.
Orale Analgetika, insbesondere NSAR, sollten nur über einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden.
Bei Patienten mit Arthrose des Daumensattelgelenks sollten Orthesen zur Symptomlinderung erwogen werden.
Injektionen in kleine Fingergelenke sollen vorzugsweise durch den Rheumatologen erfolgen.
4. Das Management der Handarthrose sollte auf einer gemeinsamen Entscheidung von Patient und Arzt beruhen.
5. Die optimale Behandlung der Handarthrose erfordert im Allgemeinen einen multidisziplinären Ansatz. Es sollten nicht medikamentöse Strategien, medikamentöse Optionen und chirurgische Eingriffe erwogen werden.
1. Empfehlung: Patientenedukation
Jedem Patienten sollten eine Edukation und ein Training zu ergonomischen Prinzipien, Anpassung von Aktivitäten und Einsatz von Hilfsmitteln angeboten werden. Diese Aufgabe kann ein Ergotherapeut, ein Physiotherapeut oder eine entsprechend geschulte Pflegekraft übernehmen. Der Einsatz von Hilfsmitteln erleichtert das Selbstmanagement des Patienten und hat sich als effektiv erwiesen.
2. Empfehlung: Übungen
Bei jedem Patienten sollten Übungen zur Verbesserung von Muskelfunktion und -kraft sowie zur Schmerzlinderung in Betracht gezogen werden. Die Übungen sollten die Gelenkbeweglichkeit und Muskelkraft sowie die Stabilität des Daumensattelgelenks verbessern.
3. Empfehlung: Orthesen
Orthesen sollten zur Symptomlinderung bei Patienten mit Arthrose des Daumensattelgelenks erwogen werden. Ein langfristiger Einsatz wird befürwortet. Studien ergaben, dass Orthesen für das Daumensattelgelenk Schmerzen lindern und die Funktion etwas bessern, wenn sie über längere Zeit getragen werden (mindestens 3 Monate). Es ist wichtig, dass die Orthese gut sitzt, daher sollte sie am besten massgefertigt sein.
4. Empfehlung: Topische Therapien
Topische Behandlungsoptionen werden aus Sicherheitsgründen gegenüber systemischen Therapien bevorzugt. Topische NSAR (nicht steroidale Antirheumatika) sind die topischen Medikamente erster Wahl. Topische NSAR werden als medikamentöse Erstlinientherapie empfohlen, da sie im Vergleich zu systemischen Analgetika ein besseres Sicherheitsprofil aufweisen. Zudem können
8 ARS MEDICI DOSSIER I | 2019
RHEUMATOLOGIE/ORTHOPÄDIE
topische NSAR zu einer ähnlichen Schmerzlinderung führen wie orale NSAR.
5. Empfehlung: Orale Schmerzmittel
Orale Analgetika, insbesondere NSAR, sollten nur über einen begrenzten Zeitraum zur Symptomlinderung eingesetzt werden. In drei qualitativ hochwertigen Studien führten orale NSAR nach 2 bis 4 Wochen zu einer Besserung von Schmerzen und Funktion. Jedoch treten bekanntlich vor allem bei älteren Patienten nicht selten Nebenwirkungen auf. Die Autoren raten, orale NSAR in der geringsten wirksamen Dosis und über einen begrenzten Zeitraum zu verordnen, vorzugsweise sollten orale NSAR nur bei Bedarf genommen werden. Insbesondere bei Patienten mit hohem Risiko für gastrointestinale, kardiovaskuläre oder renale Nebenwirkungen sollte man das Nutzen-Risiko-Verhältnis im Blick behalten. Die Wirksamkeit von Paracetamol bei Arthrose der Handund Fingergelenke ist immer noch unklar und vermutlich nur gering. Auch dieses Medikament ist nicht frei von Nebenwirkungen wie etwa einer Erhöhung der Leberwerte. Dennoch kann man Paracetamol bei ausgewählten Patienten einsetzen (vorzugsweise nur über einen begrenzten Zeitraum), beispielsweise wenn eine Kontraindikation gegen orale NSAR besteht.
6. Empfehlung: Chondroitinsulfat
Chondroitinsulfat kann bei Patienten mit Handarthrose zur Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung eingesetzt werden. Eine sorgfältig durchgeführte Studie ergab, dass Chondroitinsulfat die Symptome einer Handarthrose lindern kann. Aufgrund der begrenzten Evidenz möchten die Autoren ihr Statement zu Chondroitinsulfat eher als Vorschlag denn als Behandlungsempfehlung verstanden wissen.
7. Empfehlung: Gelenkinjektionen
Intraartikuläre Glukokortikoidinjektionen sollten bei Patienten mit Handarthrose nicht generell eingesetzt werden. Doch können sie bei Patienten mit schmerzhaften Interphalangealgelenken erwogen werden. Neuere Studien konnten bei Patienten mit Arthrose des Daumensattelgelenks keinen Vorteil von intraartikulären Glukokortikoidinjektionen gegenüber Plazebo nachweisen. Im Gegensatz dazu ergab eine Studie, an der Patienten mit schmerzhafter Arthrose der Interphalangealgelenke teilnahmen, dass intraartikuläre Glukokortikoidinjektionen die Schmerzen bei Gelenkbewegungen sowie Gelenkschwellungen effektiver bekämpften als Plazebo. Die Autoren entschieden sich für die Formulierung «… sollten nicht generell eingesetzt werden», da ihnen bewusst war, dass intraartikuläre Glukokortikoidinjektionen in bestimmten Situationen wie etwa bei eindeutiger Gelenkentzündung nach wie vor eine Behandlungsoption sein können. Sie weisen jedoch darauf hin, dass Injektionen in kleine Fingergelenke vorzugsweise von einem Rheumatologen verabreicht werden sollten.
8. Empfehlung: Krankheitsmodifizierende Substanzen
Patienten mit Handarthrose sollten weder mit konventionellen noch mit biologischen krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Substanzen (disease-modifying antirheumatic drugs, DMARD) behandelt werden. In der klinischen Praxis werden bei schwerer entzündlicher, oft erosiver Handarthrose gelegentlich konventionelle oder sogar biologische DMARD verschrieben. Doch haben verschiedene Studien gezeigt, dass konventionelle und biologische DMRAD bei Handarthrose nicht wirksam sind.
9. Empfehlung: Operationen
Chirurgische Interventionen sollten bei Patienten mit strukturellen Veränderungen erwogen werden, wenn andere Therapieoptionen die Schmerzen nicht effektiv lindern konnten. Bei Patienten mit Arthrose des Daumensattelgelenks sollte eine Trapezektomie in Betracht gezogen werden und bei Patienten mit Arthrose der Interphalangealgelenke eine Arthroplastik. Operationen sollten nur bei Patienten erwogen werden, die trotz medikamentöser und nicht medikamentöser Therapien symptomatisch bleiben. Die Art der chirurgischen Intervention richtet sich nach der Lokalisation der Arthrose. Ist das Daumensattelgelenk betroffen, gilt im Allgemeinen die Trapezektomie als Eingriff der Wahl. Eine Arthroplastik (bei der typischerweise Silikonimplantate verwendet werden) ist bei Arthrose der proximalen Interphalangealgelenke (PIP) die bevorzugte chirurgische Technik – nicht jedoch bei Arthrose des PIP-Gelenks am Zeigefinger, hier kann eine Arthrodese in Betracht kommen. Eine Arthrodese ist das empfohlene Verfahren bei Arthrose der distalen Interphalangealgelenke. Wichtig ist in allen Fällen, dass nach der Operation eine Rehabilitation erfolgt.
10. Empfehlung: Follow-up
Die langfristige Betreuung von Patienten mit Handarthrose
sollte an die individuellen Bedürfnisse des Patienten ange-
passt werden.
Die Handarthrose ist eine heterogene Erkrankung. Ob eine
langfristige Betreuung erforderlich ist, hängt von verschiede-
nen Faktoren ab wie Ausprägung der Symptomatik, Vorlie-
gen einer erosiven Erkrankung oder Einsatz einer medika-
mentösen Therapie, die reevaluiert werden muss. Auch die
Wünsche und Erwartungen des Patienten spielen eine Rolle.
Die Nachbeobachtung muss nicht immer durch den Rheu-
matologen erfolgen.
L
Andrea Wülker
Quelle: Kloppenburg M et al.: 2018 Update of the EULAR recommendations for the management of hand osteoarthritis. Ann Rheum Dis 2018; 78(1): 16–24.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Originalpublikation hat Honorare und/oder Forschungsgelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
ARS MEDICI DOSSIER I | 2019
9