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GYNÄKOLOGIE
Knochenprotektion unter endokriner Langzeittherapie
Strategien bei Patientinnen mit Mammakarzinom
Endokrine Therapien haben seit einiger Zeit in der Behandlung von hormonabhängigen Tumoren einen festen Stellenwert. So positiv die Wirkung bezüglich Tumorbehandlung ist, so problematisch sind indes auch die Nebenwirkungen auf den Knochen. Wirksame und gleichzeitig nebenwirkungsarme Strategien zur Knochenprotektion unter endokriner Langzeittherapie sind deshalb ein wichtiger Aspekt jeder Tumortherapie. Im Folgenden werden der Einfluss von endokrinen Therapien auf den Knochen sowie mögliche prophylaktische Massnahmen bei Patientinnen mit Mammakarzinom beleuchtet.
Diana Frey
Endokrine respektive hormonablative Therapien sind in der Behandlung von hormonabhängigen Tumoren (v.a. Mamma- und Prostatakarzinome) nicht mehr wegzudenken. Nachteil dieser Behandlungen ist jedoch ihr negativer Einfluss auf den Knochen (1).
Postmenopausaler und iatrogen induzierter Knochendichteverlust
Sexualhormone spielen im Knochenstoffwechsel eine wichtige Rolle; bis zum Abschluss des Wachstums und besonders in der Pubertät sorgen sie für den Wachstumsschub, die Entwicklung der charakteristischen weiblichen oder männlichen Knochenform und den Aufbau der optimalen «peak bone mass». Beim Erwachsenen erhalten sie das Gleichgewicht von Osteoblasten- und Osteoklastentätigkeit und sorgen damit für eine stabile Knochenmasse und gesunde Knochenstruktur. Bei Fehlen der Sexualhormone überwiegt die Osteoklastenaktivität, was zum Verlust an Knochenmasse und zur Degradation der Struktur führt. Bei Frauen kommt es deshalb zum Zeitpunkt der Menopause physiologischerweise zu einem Verlust an Knochendichte, der in den ersten Jahren bis zu 2 Prozent pro Jahr betragen kann. In der späten Menopause pendelt sich der jährliche Verlust auf etwa 1 Prozent ein. Bei einer genügenden «peak bone mass» reicht aber die
MERKSÄTZE
Endokrine Therapien können zu Knochendichteverlust und erhöhtem Frakturrisiko führen.
Frauen unter endokriner Therapie müssen bezüglich Osteoporose abgeklärt, beraten und bei Bedarf behandelt werden.
Zur Prophylaxe und Therapie eignen sich Bisphosphonate und Denosumab.
Eine Therapie mit Denosumab darf nicht ohne Anschlussbehandlung mit einem Bisphosphonat gestoppt werden.
Knochenreserve bei gesunden Frauen bis ans Lebensende, ohne dass es zu Osteoporose kommt. Mammakarzinome exprimieren oft Östrogenrezeptoren und sind damit hormonsensitiv; ein Ziel der Tumortherapie ist deshalb die Verminderung der Östrogenspiegel im Brustgewebe. Die iatrogene, ausgeprägte Unterdrückung der Östrogenspiegel führt aber gleichzeitig zu einer vermehrten Knochenresorption, die oft nicht mehr durch die früher erworbene «peak bone mass» abgefangen werden kann – es kommt zu Osteoporose und erhöhtem Frakturrisiko.
Verschiedene Strategien zur Hormonablation und Knocheneffekte
Je nach Menopausenstatus kommen zur Hormonablation bei Brustkrebspatientinnen verschiedene Strategien zum Einsatz: Bei postmenopausalen Frauen, bei denen die ovarielle direkte Östrogenproduktion nur noch minimal ist, stammt das verbleibende Östrogen mehrheitlich aus der Umwandlung von adrenalen Androgenen in Östrogen mittels des Enzyms Aromatase. Durch Hemmung der Aromatase können diese bereits tiefen Östrogenspiegel zusätzlich auf fast nicht messbare Werte gesenkt werden. Bei prämenopausalen Frauen sind die Ovarien die Hauptlieferanten für Östrogene. Eine Suppression der Östrogenproduktion kann somit chirurgisch permanent durch Ovarektomie oder medikamentös zeitlich beschränkt durch GnRH-Agonisten erreicht werden, welche durch hormonelle Rückkoppelung die Produktion von Östrogenen in den Ovarien unterdrücken. Eine Therapie mit Aromatasehemmern (AI) ist demgegenüber weniger wirksam, da die direkte Östrogenproduktion durch die Ovarien nicht vermindert wird. Selektive Östrogenmodulatoren (SERM) wirken je nach Gewebe agonistisch oder antagonistisch (siehe Tabelle). Im Brustgewebe und in den Ovarien wirken sie antagonistisch und vermindern deshalb die Östrogenwirkung auf Brustgewebe und die Östrogenproduktion in den Ovarien. Auf die osteologischen Rezeptoren wirken sie jedoch agonistisch, weshalb bei postmenopausalen Frauen ein knochenprotekti-
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Tabelle 1:
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose beziehungsweise für das Auftreten einer osteoporotischen Fraktur (Liste nicht abschliessend)
Risikofaktoren für Osteoporose und osteoporotische Frakturen Alter Familienanamnese für Osteoporose Body-Mass-Index < 20 kg/m2 Nikotin > 10 Zigaretten täglich Alkohol > 30 g täglich Erhöhtes Sturzrisiko, gehäufte Stürze Verminderte Mobilität Vorgängig erlittene Fragilitätsfrakturen Menopause vor 45. Lebensjahr Primärer Hyperparathyreoidismus Rheumatoide Arthritis Malabsorption Hypercortisolismus Spondylarthropathien, insbesondere M. Bechterew Diabetes mellitus Typ 1 und 2 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Hyperthyreose Chronische Lebererkrankungen Chronische Nierenerkrankungen Chronische Steroidtherapie (> 5 mg > 3 Monate) Aromatasehemmer Antiepileptika Glitazone Enzyminduzierende Antiepileptika
Im FRAXTM-Tool berücksichtigt + + (nur Hüftfrakturen berücksichtigt) + + (Dosisabhängigkeit nicht berücksichtigt) + (Dosisabhängigkeit nicht berücksichtigt)
+ + (als sekundäre Osteoporose berücksichtigt) + (als sekundäre Osteoporose berücksichtigt) + + (als sekundäre Osteoporose berücksichtigt)
+ (als sekundäre Osteoporose berücksichtigt)
+ (als sekundäre Osteoporose berücksichtigt)
+ (Dosisabhängigkeit nicht berücksichtigt) + (als sekundäre Osteoporose berücksichtigt)
Nach: Empfehlungen SVGO 2015. https://www.svgo.ch/content/documents/2015/SVGO%20Empfehlungen%202015.pdf
ver Effekt resultiert. Bei prämenopausalen Frauen reicht dieser agonistische Effekt auf die Knochen jedoch nicht aus, die erniedrigten Östrogenspiegel zu kompensieren, weshalb hier die knochenvermindernde Wirkung im Vordergrund steht. Der Knochenverlust unter endokriner Therapie ist deutlich höher als der physiologische Knochendichteabbau. Je nach Literatur kann der Knochenabbau beispielsweise unter Aromatasehemmung zwischen etwa 3 Prozent bei postmenopausalen und 7 Prozent bei prämenopausalen Frauen liegen (2). Der Verlust an Knochendichte der Lendenwirbelsäule unter dem SERM Tamoxifen wird für prämenopausale Frauen in der Literatur mit etwa 1,5 bis 1,9 Prozent pro Jahr angegeben, während bei postmenopausalen Frauen sogar ein Anstieg der Knochendichte von 1,1 Prozent gefunden wurde (3). AI haben auf jeden Fall einen negativen Einfluss auf den Knochen und gehen nicht nur mit einem erhöhten Knochendichteverlust, sondern auch mit einem erhöhten Frakturrisiko einher.
Frakturrisiko – Einflussfaktoren
Ob sich der Anstieg der Knochendichte bei postmenopausalen Frauen unter Tamoxifen auch auf das Frakturrisiko auswirkt, ist nicht ganz geklärt. In älteren Studien wird eine Reduktion des Risikos von bis zu 32 Prozent gefunden, wobei sich der Effekt nach Sistieren der Therapie rasch verlor. Eine neuere grosse Kohortenstudie zeigte hingegen keinen Effekt auf das Frakturrisiko (4). Bei prämenopausalen Frauen steigt hingegen das Frakturrisiko unter Tamoxifen deutlich an. In der gleichen Kohortenstudie mit 1800 prä-
menopausalen Frauen unter Tamoxifen fand sich eine kumulative Frakturrate von 6,3 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe mit 3,6 Prozent. Alle AI erhöhen das Frakturrisiko deutlich um mindestens 10 bis 20 Prozent in fünf Jahren. Damit ergeben sich eine beträchtliche Morbidität und Mortalität aufgrund der osteologischen Therapienebenwirkungen (5).
Individuelles Frakturrisiko und Therapieindikation
Die Schätzung des Frakturrisikos im individuellen Fall sollte die endokrine Therapiemodalität (GnRH-Analoga, SERM, AI) einbeziehen, aber auch andere Risikofaktoren berücksichtigen, welche allgemein für die Entwicklung einer Osteoporose eine Rolle spielen (Tabelle 1). Einige dieser Faktoren werden durch das Tool FRAXTM erfasst. Allerdings wird dabei das Frakturrisiko bei Patientinnen unter AI-Therapie unterschätzt, da einerseits diese Medikamente nicht im FRAXTM erfasst werden, andererseits die AI nicht nur die Knochendichte vermindern, sondern unabhängig davon auch die Knochenarchitektur ungünstig beeinflussen. Deshalb ist die Frakturinzidenz unter AI-Therapie höher, als aufgrund der Knochendichte vermutet werden kann. Da demzufolge Frakturen bereits bei höheren Knochendichtewerten auftreten als bei der postmenopausalen Osteoporose, kann man sich bei der Risikoeinschätzung weder auf die klassische Osteoporosedefinition (T-Score ≤ –2,5) noch auf den FRAX-Score abstützen. Die Therapieindikation sollte deshalb bereits bei einer höheren Knochendichte und tieferem FRAX-Risiko gestellt werden als bei Patientinnen ohne endokrine Therapie.
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Patientinnen mit Mammakarzinom, die eine Behandlung mit einer knochenschädigenden endokrinen Therapie erhalten (Aromatasehemmer und GnRH-Analoga bei allen Frauen, Tamoxifen bei prämenopausalen Frauen)
Erfassen weiterer Risikofaktoren und gegebenenfalls Behandlung Genügende Kalzium-, Vitamin-D- und Eiweisszufuhr Regelmässige körperliche Aktivität
Osteodensitometrie
T-Score > –2,0 und keine zusätzlichen Risikofaktoren
Regelmässiges Erfassen von neuen Risikofaktoren und Osteodensitometrie alle 2 Jahre
Mind. 2 Risikofaktoren:
• T-Score < –1,5 • Alter > 65 Jahre • Nikotinabusus • BMI < 20 kg/m • Positive Familienanamnese
für Hüftfrakturen
• Vorangegangene eigene
Fragilitätsfrakturen
• Steroidtherapie > 3 Monate
T-Score ≤ –2,0
Bisphosphonate oder Denosumab
Osteodensitometrie alle 2 Jahre
Abbildung: Möglicher Algorithmus der Osteoporoseprophylaxe bei Patientinnen unter endokriner Therapie. Nach Hadji et al. (Ref. 6) 1 Kostengutsprachegesuch bei Osteopenie für Alendronat, Ibandronat und Zoledronat notwendig 2 Cave: Wegen Reboundeffekt Anschlusstherapie mit Bisphosphonaten nach Absetzen indiziert
Verschiedene medizinische Gesellschaften haben sich seit mehreren Jahren mit dem Thema befasst und Guidelines zur Prophylaxe und Therapie von AI-induzierter Osteoporose publiziert. Gemeinsam ist diesen Guidelines, dass eine medikamentöse Osteoporoseprophylaxe bereits vor dem Vorliegen einer Osteoporose begonnen werden sollte. Einige Guidelines verzichten sogar auf eine Osteodensitometrie und empfehlen einen Behandlungsbeginn bereits, wenn mehrere klinische Risikofaktoren vorliegen. Die Abbildung zeigt einen Algorithmus zur Prophylaxe, basierend auf den Emp-
Tabelle 2:
Allgemeine Massnahmen zur Osteoporoseprophylaxe und -therapie
Allgemeine Massnahmen zur Osteoporoseprophylaxe
Vitamin D
800–1000 IU täglich, Zielspiegel > 30 µg/l
(> 75 nmol/l)
Kalzium
1000–1200 mg täglich (Nahrung und evtl.
Supplemente)
Eiweiss
1 g pro kg Körpergewicht
Körperliche Aktivität
Skelettbelastende Aktivitäten
(z.B. Tanzen, schnelles Gehen, Krafttraining
Gleichgewichtstraining
Verzicht auf Nikotin,
Alkohol: max 20–30 g täglich (= ca. 2–3 Gläser)
mässiger Alkoholkonsum
Body-Mass-Index > 20 kg/m2
Nach: Empfehlungen SVGO 2015. https://www.svgo.ch/content/documents/ 2015/SVGO%20Empfehlungen%202015.pdf
fehlungen des Position Statement verschiedener europäischer Gesellschaften aus dem Jahr 2017 (6).
Kalzium, Vitamin D, Eiweiss, Bewegung
An erster Stelle der Prävention und Therapie stehen nicht medikamentöse Massnahmen respektive eine genügende Versorgung mit Kalzium, Eiweiss und Vitamin D. Des Weiteren wirkten regelmässige körperliche Betätigung günstig auf den Knochen (Tabelle 2). Empfehlenswert sind hierbei vor allem Aktivitäten, die mit einer axialen Skelettbelastung einhergehen, wie schnelles Gehen, Tanzen, Krafttraining, wohingegen Schwimmen oder Velofahren keinen direkten Effekt auf den Knochen haben. Eine weitere wichtige Massnahme ist regelmässiges Gleichgewichtstraining, da die meisten Frakturen durch Stürze entstehen.
Osteoporosespezifische medikamentöse Therapieformen
Zur Prophylaxe und Therapie der AI-induzierten Osteoporose existieren Daten für orale und intravenöse Bisphosphonate (Zoledronat, Risedronat, Ibandronat p.o., Alendronat) sowie Denosumab. Selektive Östrogenmodulatoren werden hingegen zurzeit nicht gebraucht, da frühere Studien gezeigt hatten, dass Tamoxifen und AI eine Interaktion aufweisen, welche die Wirksamkeit gegenseitig vermindert. Eine kürzlich publizierte präklinische Studie konnte diesen Effekt zwischen Raloxifen und Letrozol bei Mäusen allerdings nicht nachweisen und zeigte eine deutliche Verbesserung der Knochenstruktur bei Mäusen unter Letrozol plus Raloxifen im Vergleich zur Gruppe mit Letrozol alleine (7). Weitere Studien hierzu sind nötig. In verschiedenen Studien mit Zoledronat (z.B. Z-FAST, ZO-FAST und ALLIANCE) (8–10) bei insgesamt über 2700 postmenopausalen Frauen mit Mammakarzinom unter AI konnte gezeigt werden, dass Zoledronat 4 mg alle 6 Monate den Knochenverlust signifikant vermindert. Insgesamt fand sich sogar eine Zunahme der Knochendichte, wenn die Patientinnen gleichzeitig mit dem Beginn der AI-Therapie auch Zoledronat bekamen. Bei Patientinnen, welche erst bei einem Z-Score von –2,0 oder einer Fraktur mit der Zoledronat-Therapie begannen, konnte der Knochendichteverlust nach 5 Jahren nicht vollständig verhindert werden. Die Studien waren nicht darauf angelegt, eine Frakturrisikoreduktion zu zeigen, aber die Verhinderung des Knochendichteverlusts macht eine Frakturrisikoverminderung doch wahrscheinlich. Die bei postmenopausaler Osteoporose gebräuchliche Dosis von 5 mg einmal jährlich wurde bisher im Zusammenhang mit AI-Therapien nicht untersucht. Studien mit verschiedenen oralen Bisphosphonaten versus Plazebo (Risedronat: SABRE-Studie [11], Ibandronat: ARIBONStudie [12], Alendronat: BATMAN-Studie [13]) zeigten für alle Präparate, dass der Knochendichteverlust gegenüber der jeweiligen Plazebogruppe signifikant vermindert werden konnte. Auch in diesen Studien wurden jedoch keine Daten bezüglich Frakturrisikoreduktion erhoben. Die einzige Studie (ABSCG-18) mit dem primären Endpunkt einer Frakturrisikoreduktion wurde mit Denosumab 60 mg durchgeführt und zeigte eine signifikante Verminderung aller Frakturen, unabhängig von Alter und Knochendichte der Patientinnen. Insbesondere blieb der Effekt auch bei Patientin-
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Tabelle 1:
Wichtige Charakteristika verschiedener Osteoporosetherapeutika zur Behandlung von endokrin bedingter Erniedrigung der Knochendichte
Substanz Alendronat
Vorteil Kostengünstig
Risedronat
Kostengünstig
Ibandronat p.o. Zoledronat
Kostengünstig Nur einmal monatlich
Gute Bioverfügbarkeit Ein bis zweimal jährlich
Denosumab
Einfache Verabreichung Gute Daten bezüglich Frakturreduktion
Nachteil Compliance, Bioverfügbarkeit, keine Frakturdaten Compliance, Bioverfügbarkeit, keine Frakturdaten Compliance, Bioverfügbarkeit, keine Frakturdaten Keine Daten für jährliche Dosierung
Möglicher Rebound nach Absetzen oder Intervallverlängerung
Bemerkungen Kassenpflichtig bei Osteoporose
Kassenpflichtig ab T-Score −2,0
Kassenpflichtig bei Osteoporose
Kassenpflichtig bei Osteoporose Kassenpflichtig unabhängig von der Knochendichte Kassenpflichtig nur während Dauer der AI-Therapie Anschlussbehandlung mit mit Bisphosphonat indiziert
nen unter AI-Therapie mit normaler Ausgangsknochendichte signifikant (14).
Nebenwirkungen und Compliance
Alle der in Frage kommenden Substanzen weisen Vorteile, aber auch Nachteile auf, die es bei der Wahl des geeigneten Medikaments gegeneinander abzuwägen gilt (Tabelle 3). Orale Bisphosphonate sind kostengünstig und nebenwirkungsarm, haben aber den grossen Nachteil, dass die Compliance oft gering ist, insbesondere bei Patientinnen, die keinen direkten Nutzen der Einnahme spüren. Der komplizierte Einnahmemodus (nüchtern, danach mindestens 30 Minuten nüchtern bleiben, sich nicht mehr hinlegen) führt zusätzlich oft zum Abbruch der Therapie. Demgegenüber sind die subjektiven – meist gastrointestinalen – Nebenwirkungen eher von untergeordneter Bedeutung. Bei peroral eingenommenen Substanzen ist ausserdem die Bioverfügbarkeit gering – bei korrekter Einnahme werden nur 1 bis 2 Prozent der Substanz resorbiert. Kleine Einnahmefehler können deshalb zum vollständigen Verlust der Resorption führen. Zoledronat als intravenöse Kurzinfusion hat demgegenüber den grossen Vorteil einer nahezu vollständigen Bioverfügbarkeit, und die Patientinnen werden nicht durch zusätzliche Medikamenteneinnahmen belastet. Subjektiv führt Zoledronat jedoch nach der Infusion oft zu teils ausgeprägten AkutePhase-Reaktionen im Sinne von grippeartigen Symptomen. Denosumab als 6-monatliche subkutane Injektion ist normalerweise gut verträglich und weist eine hohe Bioverfügbarkeit auf. Allerdings kann es bei Verlängerung des Injektionsintervalls und nach Absetzen zu einem Rebound-Effekt mit überschiessendem Anstieg des Knochenmetabolismus, starkem Verlust an Knochendichte und erhöhtem Frakturrisiko kommen. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt bei Patientinnen, die vorbestehend bereits Wirbelfrakturen aufwiesen oder eine tiefe Ausgangsknochendichte hatten (15). Eine Therapie mit Denosumab setzt deshalb eine regelmässige Verabreichung und im Falle eines Therapieabbruchs eine Nachbehandlung mit einem Bisphosphonat voraus, um den Rebound zu verhindern.
Gemeinsam ist allen Bisphosphonaten und auch Denosumab das geringe Risiko von Kieferknochennekrosen und atypischen Femurfrakturen, welches mit zunehmender Therapiedauer ansteigt. Im Vergleich zum Risiko von osteoporosebedingten Frakturen unter der endokrinen Behandlung sind diese beiden Risiken allerdings als sehr gering einzustufen und sollten beim Therapieentscheid keine wesentliche Rolle spielen. Die Patientinnen müssen jedoch auf eine gute Mundhygiene hingewiesen werden. Bei bevorstehenden Eingriffen am Kiefer (Zahnextraktionen, Implantate etc.) unter laufender Therapie sollte die optimale Behandlungsstrategie zusammen mit dem behandelnden Zahnarzt besprochen werden.
Vergütung durch die Krankenkassen
Die Kosten aller Bisphosphonate werden bei Vorliegen einer Osteoporose durch die Krankenkassen übernommen. Bei Osteopenie ist hingegen nur Risedronat ab einem T-Score von < –2,0 kassenpflichtig. Für alle anderen Medikamente respektive bei T-Scores höher als –2,0 ist eine vorgängige Kostengutsprache durch die Krankenkasse nötig. Denosumab ist hingegen zur Prophylaxe der AI-induzierten Osteoporose unabhängig von der Knochendichte in der Spezialitätenliste aufgeführt und wird so lange von den Kassen bezahlt, wie die AI-Therapie andauert. Nach Abschluss dieser Behandlung ist auch die Prophylaxe mit Denosumab zu stoppen. Wegen des möglichen Rebound-Effekts muss jedoch eine Anschlussbehandlung mit einem anderen Antiresorptivum durchgeführt werden, was bei Osteopenie nicht kassenpflichtig ist. Für eine Nachbehandlung mit einem Bisphosphonat ist eine Kostengutsprache durch die Krankenkasse notwendig. Die Prophylaxe einer AI-induzierten Osteoporose mit Denosumab stellt deshalb eine besondere Herausforderung dar: Patientinnen sollten auf jeden Fall darauf aufmerksam gemacht werden, dass nach einer Behandlung mit Denosumab eine Anschlusstherapie mit einem Bisphosphonat für mindestens ein Jahr erfolgen muss, die Kosten dafür jedoch möglicherweise selber übernommen werden müssen. Alternativ kann bei Osteopenie bereits primär eine Bisphosphonatbehandlung eingesetzt werden, was
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jedoch ebenfalls eine Kostengutsprache durch die Krankenkasse voraussetzt.
Fazit
Endokrine Therapien können als Nebenwirkung zu Knochen-
dichteverlust und erhöhtem Frakturrisiko führen. Ausnahme
sind SERM bei postmenopausalen Frauen, die eher knochen-
protektiv wirken. Frauen, bei denen eine endokrine Therapie
begonnen wird, sollten deshalb baldmöglichst einer osteo-
logischen Abklärung (Osteodensitometrie, Evaluation weite-
rer Risikofaktoren, Ernährungssituation) zugeführt und bei
Vorliegen einer tiefen Knochendichte respektive zusätzlichen
Risikofaktoren entsprechend behandelt werden. Als Guide-
line zur Therapie kann dafür beispielsweise das Position
Statement der IOF, CABS, ECTS, IEG, ESCEO, IMS und
SIOG verwendet werden (6). Als Prophylaktika oder Thera-
peutika kommen sowohl Bisphosphonate als auch Deno-
sumab in Frage, während es für SERM keine gesicherten
Daten zur Kombination mit AI gibt. Die Wahl der Therapie
hängt von der Knochendichte und den Patientinnencharakte-
ristika ab. Insbesondere bei einer Therapie mit Denosumab
ist darauf zu achten, dass die Therapie nicht ohne Anschluss-
behandlung gestoppt und das Injektionsintervall nicht ver-
längert wird.
L
KD Dr. med. Diana P. Frey Leiterin Osteoporosezentrum Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich 8091 Zürich E-Mail: diana.frey@usz.ch
Erstpublikation in Schweizer Zeitschrift für Gynäkologie 4/2018.
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