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Praxisnahe Empfehlungen zur Hypertonie
Untertitel
Europäische Kardiologen stellen neue Bluthochdruckleitlinien vor
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Am Jahreskongress der European Society of Hypertension (ESH) wurden die mit Spannung erwarteten neuen europäischen Leitlinien erstmals vorgestellt. Die Europäer haben sich nicht an den amerikanischen Vorgaben orientiert, welche die Hypertonie neu definieren und in denen die Zielwerte gesenkt wurden. Im Folgenden die wichtigsten Aussagen im Überblick, die am Präventionstag des Universitätsspitals Zürich präsentiert wurden.
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KARDIOLOGIE
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KARDIOLOGIE
Europäische Kardiologen stellen neue Bluthochdruckleitlinien vor
Praxisnahe Empfehlungen zur Hypertonie

Am Jahreskongress der European Society of Hypertension (ESH) wurden die mit Spannung erwarteten neuen europäischen Leitlinien erstmals vorgestellt. Die Europäer haben sich nicht an den amerikanischen Vorgaben orientiert, welche die Hypertonie neu definieren und in denen die Zielwerte gesenkt wurden. Im Folgenden die wichtigsten Aussagen im Überblick, die am Präventionstag des Universitätsspitals Zürich präsentiert wurden.

«Mit dieser eher moderaten Entscheidung haben wir es vermieden, über Nacht 400 000 Schweizer zu Hypertonikern zu machen», eröffnete Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka, Klinikdirektor Kardiologie am Universitären Herzzentrum, Universitätsspital Zürich, die Präsentation der neuen Guidelines. «Und viel Geld gespart, welches wir möglicherweise viel sinnvoller zur Senkung der Lipidwerte ausgeben, um das kardiovaskuläre Gesamtrisiko zu minimieren», fügte er hinzu. Aber eins nach dem anderen. Seit den Empfehlungen der Swiss Society of Hypertension zur Diagnose eines erhöhten Blutdrucks aus dem Jahre 2009 hätten sich die Empfehlungen zur Messung verändert, wie Dr. med. Johann Debrunner, Chefarzt Innere Medizin und Kardiologie, Spital Uster, darlegte. Heute weiss man, wie wichtig es ist, den Blutdruck nicht nur in der Praxis zu messen, wenn man wichtige Informationen und damit die richtige Diagnose nicht verpassen will.
«Wir haben es vermieden, über Nacht 400 000 Schweizer zu Hypertonikern zu machen.»
Kriterien für Diagnose und Therapie
Wie wichtig die frühzeitige Diagnose ist, zeigen bekannte Daten zum Hochdruckrisiko. Abhängig vom Alter ist das Risiko für Schlaganfall oder ischämische Herzerkrankung bei Hypertonie deutlich erhöht. Die Bedeutung einer adäquaten Therapie ist unumstritten, wie die im Einzelnen auszusehen hat, wird jedoch seit den Ergebnissen der SPRINT-Studie kontrovers diskutiert. Profitieren tatsächlich alle Patienten von einem intensiveren Vorgehen, wie die Ergebnisse auf den ersten Blick glauben machten? Die eindrückliche Risikosenkung, die zum vorzeitigen Studienabbruch führte, wurde durch vermehrte Nebenwirkungen relativiert. Ausgeschlossen waren zudem Diabetiker und Patienten nach Schlaganfall, und der Blutdruck wurde anders als sonst üblich erhoben. Dennoch haben sich die amerikanischen Gesellschaften bei der Überarbeitung ihrer Guidelines

stark darauf gestützt und eine neue Definition der Hypertonie eingeführt. Dadurch hat sich auf einen Schlag die Zahl der Betroffenen in den USA massiv erhöht, etwa die Hälfte der Amerikaner muss demnach als Hypertoniker gelten, wie Debrunner berichtete. Allerdings müssten diese nicht gleich medikamentös therapiert werden. Die Europäer haben sich der neuen Hypertoniedefinition nicht angeschlossen. Im Gegensatz zu den USA gelten in Europa Werte zwischen 120 und 129 mmHg systolisch und zwischen 80 und 84 mmHg diastolisch noch als normal, optimal wären < 120 mmHg und < 80 mmHg. Ein Hochdruck liegt in Europa erst bei in der Praxis gemessenen Werten zwischen 140 und 159 mmHg (Hochdruck 1) respektive zwischen 160 und 179 mmHg (Hochdruck 2) systolisch und zwischen 90 und 99 mmHg diastolisch vor. Als Zielblutdruck werden für unter 65-Jährige Praxiswerte von 120 bis 130 mmHg systolisch angestrebt, für über 65-Jährige von 130 bis 140 mmHg. Die Werte, angegeben als Spannweite, variieren nicht nur abhängig vom Alter, sondern auch gemäss kardiovaskulärem Risiko und Komorbiditäten. Die diastolischen Zielwerte liegen über alle Modalitäten hinweg bei 70 bis < 80 mmHg. Ist der Praxisblutdruck grenzwertig oder auffällig, sollten unbedingt weitere Messungen durchgeführt werden, entweder Heimmessungen oder ein 24-Stunden-Profil, das gleichzeitig auch Aussagen über den nächtlichen Blutdruckverlauf zulässt: Kommt es zum erwünschten Dipping, dem nächtlichen Absinken des Blutdrucks? Zur Interpretation der erhobenen Werte brauche es auch weiterhin gute Ärzte, denn es bleibe doch zu hoffen, dass nicht die Werte, sondern nach wie vor individuelle Patienten behandelt würden, so das Plädoyer Debrunners. Zu einer guten Behandlung gehören für ihn unter anderem folgende Punkte: s Nehmen Sie sich Zeit für die Blutdruckmessung! s Machen Sie «Out-of-office»-Messungen! s Propagieren Sie einen gesunden Lebensstil! Welche Medikamente wann einsetzen? Noch seien die neuen europäischen Guidelines nicht publiziert, aber der erste Eindruck sei vielversprechend, sagte auch 4 ARS MEDICI DOSSIER XI + XII | 2018 KARDIOLOGIE PD Dr. med. Isabella Sudano, Oberärztin der Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich, und Präsidentin der Schweizerischen Hypertoniegesellschaft. Die Botschaften sind praxisnah und klar formuliert. Das erste Ziel ist eine Senkung des Blutdrucks unter 140/90 mmHg bei allen Patienten. Wird das gut vertragen, sollte der Blutdruck bei den meisten Patienten auf 130/80 mmHg oder weniger eingestellt werden. Bei allen Patienten ist ein diastolischer Wert < 80 mmHg anzustreben, unabhängig vom individuellen Risiko und von Komorbiditäten. Dabei sollte auch bei den 18- bis 65-Jährigen der systolische Wert nicht unter 120 mmHg gesenkt werden. Lebensstilveränderungen weiterhin bedeutsam Bei Patienten mit hochnormalem Blutdruck sowie bei allen Ausprägungen der Hypertonie sind Lebensstilveränderungen anzustreben, abhängig vom kardiovaskulären Risiko und ergänzt durch eine sofortige pharmakologische Therapie ab Hypertoniestufe 1. Die Lebensstilveränderungen seien wichtig, unterstrich auch Sudano, könnten sie doch die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie verzögern oder die blutdrucksenkende Wirkung der Medikation unterstützen. Ausserdem gehen die gesundheitlichen Vorteile eines gesunden Lebensstils weit über den Einfluss auf den Blutdruck hinaus. In den meisten Fällen wird von Anfang an eine Kombination aus zwei Wirkstoffen empfohlen. Medikamentöse Therapie schon kombiniert beginnen Dabei bestätigen die neuen Empfehlungen die Praxis, neu wird in den meisten Fällen schon von Anfang an eine Kombination aus zwei Wirkstoffen empfohlen. Diese sollte als Schritt 1 einen ACE-Hemmer oder ein ARB (Sartan) plus einen Kalziumantagonisten oder ein Diuretikum umfassen. Als Diuretikum kommt ein Thiazid oder ein thiazidähnliches Präparat wie Chlorthalidon oder Indapamid infrage. Eine Monotherapie wird bei gebrechlichen älteren Patienten sowie bei Patienten mit einer Stufe-1-Hypertonie und niedrigem kardiovaskulärem Risiko angeraten (vor allem bei einem systolischen Blutdruck < 150 mmHg). Reicht das nicht aus, ist im zweiten Schritt ein ACE-Hemmer oder ein ARB plus ein Kalziumantagonist plus ein Diuretikum, wie gerade beschrieben, indiziert – wie schon in Schritt 1 als Kombinationspräparat. Erst im dritten Schritt muss der Patient dann zwei Tabletten nehmen, wenn zur Dreifachkombination noch ein Spironolacton oder anderes hinzukommt. Spätestens dann sollte auch die Zuweisung an ein Hypertoniezentrum erfolgen. Betablocker haben zur alleinigen Blutdruckbehandlung ihren Stellenwert verloren, werden aber in bestimmten klinischen Situationen, wie Angina pectoris, nach Herzinfarkt, bei Herzinsuffizienz oder zur Herzfrequenzkontrolle, in Kombination mit einer der vier genannten Hauptklassen weiterhin empfohlen. Nicht empfohlen wird die Kombination zweier Substanzen, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System hemmen (RAAS-Blocker wie ACE-Hemmer oder ARB). Ergänzende Massnahmen zur Senkung des kardiovaskulären Risikos Für Patienten mit einem mittleren oder hohen kardiovaskulären Risiko oder bereits bekannter koronarer Herzerkrankung ist jedoch die Blutdrucksenkung allein ungenügend. Diese Patienten profitieren von einer zusätzlichen Statintherapie, selbst bei gut kontrolliertem Blutdruck kann durch ein zusätzliches Statin das Risiko eines Infarkts um zirka ein Drittel und das eines Schlaganfalles um zirka ein Viertel gesenkt werden. Ähnliche Vorteile wurden auch bei Hochdruckpatienten mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko beobachtet. Die Zugabe eines Thrombozytenaggregationshemmers hingegen, insbesondere niedrig dosiertes ASS, wird bei Hypertonie nur sekundärpräventiv empfohlen. Bedeutung der Adhärenz stärker thematisiert Neu wird die Bedeutung der Adhärenz stärker unterstrichen, neu eingestellte Patienten sollten zumindest in den ersten beiden Monaten kontrolliert werden, um den Blutdruckverlauf und allfällige Nebenwirkungen zu beobachten. Anschliessend reichen Kontrollen nach 3 und 6 Monaten. Ganz wichtig ist es, die kardiovaskulären Risikofaktoren nicht aus den Augen zu verlieren, spätestens alle zwei Jahre sollte eine Evaluation erfolgen. Die Adhärenz sollte bei jeder Kontrolle ein Thema sein und auch vonseiten der Pflege, der MPA oder des Apothekers angesprochen werden. Auch aufseiten der Patienten gibt es Massnahmen, die zur Verbesserung der Adhärenz beitragen können. Dazu zählen die Selbstmessung des Blutdrucks, eine Besprechung in Gruppen, Erinnerungen, soziale Unterstützung durch Familie, Pflege und Apotheke sowie Medikamente am Arbeitsplatz. Wie kann ich als Arzt die Adhärenz verbessern? s Informieren über Bluthochdruck (Risiko und Therapienutzen) s Behandlungsstrategie zur langfristigen Kontrolle (Lebensstil und medikamentös) s medikamentöse Therapie so einfach wie möglich (single pill) s Ermächtigung des Patienten s positives Feedback zu Verhaltens- und klinischer Verbesserung s Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsdienst- leistern Hypertonie geht oft mit Begleiterkrankungen einher Ein Bluthochdruck ist als Systemerkrankung häufig mit anderen Komorbiditäten vergesellschaftet. So hätten beispielsweise drei Viertel der Patienten mit Diabetes mellitus einen ARS MEDICI DOSSIER XI + XII | 2018 5 KARDIOLOGIE NACHGEFRAGT Zur Person PD Dr. med. Isabelle Sudano ist Oberärztin an der Klinik für Kardiologie, Oberärztin und Leiterin der Sprechstunden für Hypertonie, Raucherentwöhnung und Dyslipidämie an der Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich, und Präsidentin der Schweizer Hypertoniegesellschaft. «Die europäischen Guidelines haben sich in Richtung der Schweizer Guidelines bewegt» Interview mit PD Dr. med. Isabella Sudano, Universitätsspital Zürich, Präsidentin der Schweizer Hypertoniegesellschaft Was ist für Sie die wichtigste Aussage der neuen europäischen Blutdruck-Guidelines? PD Dr. med. Isabella Sudano: Erst einmal, dass eine Hypertonie immer noch als Blutdruck über 140/90 mmHg definiert ist. Es gibt einfach keine Studie, die beweist, dass ein Blutdruck über 130/80 mmHg eine Hypertonie darstellt, auch wenn das in den neuen amerikanischen Guidelines so aufgenommen wurde. Wichtig für mich ist, dass Kombinationspräparate jetzt recht früh im Krankheitsverlauf offiziell empfohlen werden, das bestätigt mich in meiner Praxis. Und hier sehe ich auch Potenzial zur Verbesserung der Blutdruckeinstellung – allerdings nur beiVerwendung von Fixkombinationen. Falls Sie zwei einzelne Präparate geben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie beide genommen werden, deutlich kleiner als mit einer Tablette. Was mir sehr gut gefällt ist, dass Follow-up und Adhärenz stärker thematisiert werden, das hat bislang gefehlt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Natürlich müssen die Medikamente auch wirksam sein und so wenig Nebenwirkungen haben wir möglich, damit ich adhärent bin. Wenn der Blutdruck wirksam gesenkt wird, bin ich eher bereit, Nebenwirkungen zu tolerieren. Woran orientieren sich die Zielwerte? Sudano: Die Zielwerte orientieren sich in erster Linie am gesamthaften kardiovaskulären Risiko stärker als an den Begleiterkrankungen. Ist lediglich mein Blutdruck erhöht, niemand in meiner Familie hat kardiovaskuläre Erkrankungen und auch ich bin ansonsten gesund, dann kann ich mit dem Blutdruck weniger aggressiv umgehen. Wenn ich eine übergewichtige Diabetikerin mit Dyslipidämie bin und rauche, sollte der Blutdruck etwas stärker und schneller gesenkt werden. Wenn ich eine koronare Herzerkrankung und eine chronische Nierenerkrankung habe, ist auch mein kardiovaskuläres Risiko sehr hoch. Bei anderen Komorbiditäten, wie beispielsweise dem Diabetes, sind wir in den Richtlinien mit der Zeit etwas weniger aggressiv geworden, weil sich gezeigt hat, dass sich eine zu aggressive Senkung des Blutdrucks dabei nicht lohnt. Welchen Stellenwert haben die verschiedenen Formen der Blutdruckmessung? Sudano: Unsere Diagnose Bluthochdruck orientiert sich am Praxisblutdruck. Alle vorhandenen Daten beruhen darauf. Aber das Setting ist nicht optimal, oft fehlt es an Zeit, das ist uns bewusst. Daher sind die Heimmessung und die 24-Stunden-Bludruckmessung umso wichtiger. Mit den zusätzlichen Messungen kann man eine Weisskittelhypertonie entlarven oder, fast noch wichtiger, eine maskierte Hypertonie entdecken, die unerkannt zu Organschäden führt. Diese ergänzende Messung ist in der Schweiz auch schon recht üblich, war aber bislang noch nicht prominent Gegenstand der Guidelines. Zur Einordnung der in der SPRINT-Studie verwendeten automatischen Blutdruckmessung in einem separaten Raum fehlen noch die Vergleichswerte, auch können die so erhobenen Werte derzeit nicht mit Endorganschäden oder kardiovaskulären Ereignissen korreliert werden. Sollte sich in den laufenden Studien herausstellen, dass die Werte genauso gut sind wie die Praxismessung, dann lohnt sich der zusätzliche Aufwand wohl eher nicht. Haben Sie Empfehlungen zur Heimmessung? Sudano: Vor und nach Beginn einer neuen Therapie brauchen wir Messungen beziehungsweise Werte über ein bis zwei Wochen hinweg. Wenn die Therapie stabil ist, reicht eine Messung einmal pro Monat. Aber es gibt auch Patienten, die stündlich messen müssen, weil sie neugierig sind, obwohl das nicht sinnvoll und häufig kontraproduktiv ist. Wichtig ist, dass die heute immer verbreitetere elektronische Heimmessung bei Patienten mit Arrhythmien, wie Vorhofflimmern, nicht funktioniert. Welchen Einfluss haben die überarbeiteten europäischen Guide- lines auf die Empfehlungen der Schweizer Gesellschaft für Hyper- tonie? Wird es adaptierte Empfehlungen geben? Sudano: Wir werden das besprechen, aber mir scheint, als hätten sich die europäischen Guidelines ein wenig in Richtung der Schweizer Guidelines bewegt. Wir waren bislang etwas vorsichtiger mit den Emp- fehlungen zur Kombinationstherapie. Einen Unterschied gibt es auch bei den betagten Patienten, bei denen wir pauschal 150 mmHg als obere Grenze für den systolischen Blutdruck angegeben haben und wir bis jetzt nicht zwischen fit und gebrechlich unterscheiden. s Das Interview führte Christine Mücke. Bluthochdruck, wie PD Dr. med. Christian M. Schmied, Leitender Arzt, Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich, zeigte. Sehr verbreitet sei auch eine Kombination von Hochdruck und metabolischem Syndrom. Anders als bislang sagen die aktuellen Richtlinien aber weniger detailliert, was bei einzelnen Erkrankungen zu empfehlen ist, sondern es wurde eine nützliche Übersicht der Kontraindikationen beziehungsweise der relativen Kontraindikationen der Substanzklassen zusammengestellt (Tabelle). Konkrete Empfehlungen und Zielwerte gibt es beispielsweise für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz. Diese Empfehlungen unterscheiden sich wenig von den bisherigen, und der generelle Zielwert bleibt < 140/90 mmHg. Wichtig sei dabei die Botschaft, den Wert tief, aber nicht zu tief zu senken, wie Schmied unterstrich. Strategien bei chronischer Niereninsuffizienz Bei dieser Patientengruppe geht es um die Reduktion der Proteinurie respektive der Albuminurie. Als wichtige Massnahme wird die strikte Kontrolle der Lebensstilfaktoren betont, unter anderem eine (nicht zu rigorose) Salzrestriktion im Rahmen der Ernährungsmassnahmen. Bei schwerer Niereninsuffizienz mit einer GFR < 30 ml/min/1,73m2 sollten 6 ARS MEDICI DOSSIER XI + XII | 2018 KARDIOLOGIE Tabelle: Kontraindikationen für Hypertoniemedikamente Klasse Kontraindikation absolut relativ Diuretika Thiazide, Chlorthalidon, Indapamid Gicht (schwere Niereninsuffizienz) metabolisches Syndrom, Glukoseintoleranz, Schwangerschaft, Hyperkalzämie, Hypokaliämie Betablocker Asthma bronchiale, hochgradiger SA- oder AV-Block, Bradykardie metabolisches Syndrom, Glukoseintoleranz, Athleten und Freizeitsportler Kalziumantagonisten Dihydropyridine Tachyarrhythmie, HFrEF (NYHA III, IV) Kalziumantagonisten Verapamil, Diltiazem hochgradiger SA- oder AV-Block, schwere syst. LV-Dysfunktion (EF < 40%), Bradykardie Obstipation ACE-Hemmer, ARB (Sartane) Schwangerschaft, Hyperkaliämie (SerumKalium > 5,5 mmol/l), bilaterale Nierenarterienstenose, ACE-Hemmer: Status nach Angioödem

Frauen im gebärfähigen Alter ohne adäquate Verhütung

Quelle: Präventionssymposium@USZ – «Vorsorge ist die beste Therapie», 14. Juni 2018 im Universitätsspital Zürich. Die Daten wurden während des 28th European Meeting on Hypertension and Cardiovascular Protection am 9. Juni in Barcelona präsentiert.

Thiaziddiuretika durch Schleifendiuretika ersetzt werden. Initial muss mit einem Abfall der GFR gerechnet werden. 10 bis 20 Prozent seien dabei im Toleranzbereich, da mit der Senkung des Blutdrucks auch der renale Perfusionsdruck abnehme, wie Schmied ausführte. Eine sorgfältige Überwachung der Serumelektrolyte sowie der GFR sollte bei diesen Patienten selbstverständlich sein. Als Blutdruckziel gelten systolische Werte zwischen 130 und 140 mmHg. Bei Patienten mit nicht diabetischer Niereninsuffizienz und einer Albuminurie > 1 g/Tag erwies sich eine Anpassung der systolischen Zielwerte nach unten (110 bis 119 mmHg) hinsichtlich der Progredienz als günstig. Eine solche Entscheidung sei am besten in Zusammenarbeit mit einem Nierenzentrum zu treffen, wie der Experte anmerkte. Zur medikamentösen Therapie wird hier wiederum initial eine Kombination aus RAAS-Blocker und einem Kalziumantagonisten oder einem Diuretikum empfohlen.
Diabetes mellitus und koronare Herzkrankheit
Die medikamentöse Behandlung umfasst auch bei Patienten mit Diabetes mellitus RAAS-Blocker und Kalziumantagonist oder ein thiazidähnliches Diuretikum. Letzteres sollte durch ein Schleifendiuretikum ersetzt werden, falls die Niereninsuffizienz als schwer klassifiziert werden muss. Bei Diabetikern sollte der Blutdruck, falls toleriert, systolisch unter 130 mmHg, aber nicht tiefer als 120 mmHg gesenkt werden. Bei Älteren ist ein systolischer Blutdruck zwischen 130 und 140 mmHg anzustreben. Der diastolische Blutdruck sollte unter 80 mmHg,

aber nicht tiefer als bis 70 mmHg gesenkt werden. Diese Zielwerte gelten auch für Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Bei Hochdruckpatienten nach Myokardinfarkt werden bevorzugt Betablocker und RAAS-Blocker als Bestandteil der Therapie empfohlen, bei Patienten mit Hochdruck und Angina pectoris sollten bevorzugt Betablocker und Kalziumantagonisten eingesetzt werden.

Vorgehen bei Herzinsuffizienz

Patienten mit Hypertonie und Herzinsuffizienz sollten eben-

falls ab einem Blutdruck von 140/90 mmHg antihypertensiv

behandelt werden. Für Patienten mit reduzierter Auswurffrak-

tion (HFrEF) wird ein ACE-Hemmer oder ein ARB und ein

Betablocker und ein Diuretikum und/oder ein Mineralokor-

tikoidrezeptorantagonist empfohlen, falls indiziert. Werden

die Zielwerte darunter nicht erreicht, können zusätzlich Kal-

ziumantagonisten vom Dihydroperidintyp eingesetzt wer-

den. Für Patienten mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF)

gelten die gleichen Blutdruckziele, hier können alle Erstlini-

enpräparate gleichermassen verwendet werden. Für alle Pa-

tienten mit linksventrikulärer Hypertrophie wird als Ziel-

wert ein Blutdruck zwischen 120 und 130 mmHg empfohlen

und zum Erreichen desselben eine Kombination aus RAAS-

Blocker und Kalziumantagonisten oder Diuretikum.

s

Christine Mücke

Quelle: Präventionssymposium@USZ – «Vorsorge ist die beste Therapie»,
14. Juni 2018 im Universitätsspital Zürich.

ARS MEDICI DOSSIER XI + XII | 2018

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