Transkript
NEUROLOGIE/PSYCHIATRIE
Evidenz für Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen
Erste Vergleichsstudie Quetiapin vs. Aripiprazol
Kinder und Jugendliche mit Antipsychotika zu behandeln, obschon nur Studiendaten bei Erwachsenen zur Verfügung stehen, ist sehr schwierig und dazu noch «off label». Eine erste Vergleichsstudie bringt nun Abhilfe. Die Kopf-an-Kopf-Vergleichsstudie verglich die Wirksamkeit und die Sicherheit von Quetiapin-ER und Aripiprazol bei Kindern und Jugendlichen mit einer Erstepisodenpsychose, hauptsächlich Schizophrenie. Die Wirkung der beiden ist vergleichbar, das Nebenwirkungsprofil muss demnach die Wahl entscheiden.
Lancet Psychiatry
Kinder und Jugendliche mit Psychosen haben eine schlechtere Prognose als Erwachsene. In der Behandlung von Early-onset-Psychosen sind Antipsychotika der zweiten Generation die Therapie der Wahl. Doch ist die Wahl eines Präparats von wenig Evidenz bei dieser Patientengruppe untermauert, und es bleibt nur die Extrapolierung von Studienresultaten bei Erwachsenen. Quetiapin-ER (Retardformulierung) und Aripiprazol haben unterschiedliche Rezeptorprofile und werden in der Pädiatrie häufig verwendet. In der vorliegenden Vergleichsstudie zu Wirksamkeit und Sicherheit sind die Resultate nach 12 Wochen publiziert. Langzeitdaten nach 52 Wochen Follow-up werden zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Methode
In diese doppelblinde, randomisierte, multizentrische Studie, an der sieben dänische Universitätskliniken beteiligt waren, wurden 113 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren mit einer Schizophreniediagnose nach ICD-10 aufgenommen. Die Teilnehmer wurden entweder der Quetiapin-ER(n = 55) oder der Aripiprazolgruppe (n = 58) zugeteilt. Beide Antipsychotika wurden innerhalb von 9 Tagen auf die Zieldosis auftitriert, Quetiapin-ER beginnend bei 50 mg/Tag auf 600 mg/Tag, Aripiprazol von 2,5 mg/Tag auf die Zieldosis von 50 mg/Tag. Die Behandlung dauerte 12 Wochen. Als primärer Endpunkt war der positive PANSSScore (positive and negative syndrome scale) definiert. Bezüglich Nebenwirkungen interessierten Gewichtszunahme,
HOMA-IR (homeostatic model of insulin resistance), Akathisie und Sedierung.
Wirkung in dieser Studie vergleichbar
Nach 12 Wochen unterschied sich der positive PANSS-Score in den beiden Gruppen nicht, war aber in beiden Gruppen über die Zeit signifikant abgefallen (p < 0,0001), von 19,9 auf 15 unter Quetiapin-ER und von 20,6 auf 14,4 unter Aripiprazol. Das Gewicht stieg unter Quetiapin signifikant schneller an, nach 12 Wochen wogen die Patienten durchschnittlich 3,3 kg mehr. Der HOMA-IR, mit dem eine Insulinresistenz berechnet wird, zeigte eine Differenz von 0,259 (Standardabweichung 0,906) zugunsten von Aripiprazol. Die Werte veränderten sich unter Quetiapin-ER von 3,1 auf 4,32 nach 12 Wochen und unter Aripiprazol von 2,92 auf 2,74. Zur Nebenwirkung Akathisie kam es unter Aripiprazol in der zweiten Woche doppelt so häufig (60%) wie unter Quetiapin (30%), doch zu keinem weiteren Zeitpunkt. Die Sedation war zu allen gemessenen Zeitpunkten (Woche 2, 4 und 12) unter Aripirazol signifikant häufiger als unter Quetiapin-ER (97,1 vs. 89,2%; p = 0,012). Das Lipidprofil sowie Prolaktin war, verglichen mit den Ausgangswerten unter Quetiapin-ER, höher. Ausser Akathisie und Sedation wurden unter beiden Therapien am häufigsten Tremor, erhöhte Schlafdauer, orthostatischer Schwindel, Depression, Anspannung/innere Unruhe, Gedächtnisprobleme und Gewichtszunahme beobachtet.
Unterschiedliche Nebenwirkungen als Entscheidungshilfe
In dieser ersten Vergleichsstudie zwi-
schen Quetiapin-ER und Aripiprazol
zeigte sich punkto Rückgang der
Krankheitsschwere nach 12 Wochen
Behandlung kein Unterschied zwischen
den zwei Gruppen. Quetiapin-ER ver-
ursachte mehr metabolische Neben-
wirkungen durch die Zunahme von
Gewicht und HOMA-IR, Aripiprazol
mehr neurologische wie Akathisie und
unerwarteterweise mehr Sedation, und
es brauchte mehr Medikation gegen ex-
trapyramidale Nebenwirkungen. Ins-
gesamt hatten fast alle Teilnehmer
(98%) irgendeine Nebenwirkung. Für
die Wahl einer der beiden Substanzen
sollte demnach das Nebenwirkungs-
profil entscheidend sein. Bei kardiome-
tabolischen Bedenken sollte etwa Que-
tiapin gemieden werden, bei Empfind-
lichkeiten gegenüber neurologischen
Nebenwirkungen sollte eher auf Aripi-
prazol verzichtet werden, obschon
Akathisie als vorübergehende Erschei-
nung beschrieben wird, zumindest bei
Erwachsenen.
s
Valérie Herzog
Referenzen: Pagsberg AK et al.: Quetiapine extended release versus aripiprazole in children and adolescents with first-episode psychosis: the multicentre, double-blind, randomised tolerability and efficacy of antipsychotics (TEA) trial. Lancet Psychiatry 2017; 4: 605–608.
18 ARS MEDICI DOSSIER VII | 2018