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KARDIOLOGIE/ANGIOLOGIE
Kaliumwerte im Auge behalten
RAAS-Hemmer-Therapie könnte optimiert werden
Wenn der Kaliumspiegel steigt, wirds gefährlich. Damit RAAS-Hemmer-Therapien bei Herzpatienten deswegen nicht abgesetzt werden müssen, steht bald eine neue Option zur Verfügung. Mit der Zugabe eines Kaliumbinders bleibt der Kaliumspiegel in normalen Bahnen.
Die Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen ist unbestritten und bringt gemäss Prof. Matthew Weir, Baltimore, eine 20-prozentige relative Risikoreduktion. Der Preis dafür ist der Anstieg des Kaliums bei kardiorenalen Patienten. Eine Hyperkaliämie ist potenziell lebensgefährlich und kann verschiedene Ursachen haben: Beispielsweise Medikamente wie Betablocker, RAAS-Hemmer oder kaliumsparende Diuretika können dazu führen, aber auch eine Azidose, eine reduzierte glomeruläre Filtrationsrate oder eine prärenale Azotämie können verantwortlich sein. Bei älteren Patienten mit fortgeschrittener Nierenerkrankung oder Herzinsuffizienz sind erhöhte Kaliumwerte häufig. Der Kaliumspiegel steigt beispielsweise an, wenn zu einem RAAS-Inhibitor ein Mineralokortikoidblocker wie Spironolacton und Eplerenon hinzugefügt wird oder auch unter Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) wie Valsartan/Sacubitril, so der amerikanische Referent. «Man könnte die RAAS-Therapie optimieren, denn häufig wird sie aufgrund gestiegener Kaliumwerte abgesetzt oder unterdosiert, sodass sie die Mortalitätsrate nicht mehr in dem Ausmass senken kann, wie sie könnte», erklärte Weir am Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Barcelona.
Massnahmen bei einer Hyperkaliämie
Eine Hyperkaliämie ist definiert ab einem Serumspiegel von > 5,0 mmol/l. Oberhalb von 5,5 mmol/l ist eine kaliumarme Kost sowie Vermeidung von kaliumsparenden oder -erhöhenden Medikamenten empfohlen. Darüber hinaus sind kaliumsenkende Massnahmen indiziert, da lebensbedrohliche Arrhythmien auftreten können. Es gibt derzeit zwei Kaliumbinder: Zirkonium-Zyklosilikat (ZS-9*) und Patiromer. Zirkonium-Zyklosilikat ist nicht resorbierbar und bindet Kalium in einer kristallinen Gitterstruktur im Austausch für Natrium und Wasserstoff (1). Bei einer schweren Hyperkaliämie von ≥ 6,0 mmol/l kann der Kaliumwert mit 10 g ZS-9 innerhalb von 1 bis 4 Stunden auf einen Wert von < 5,5 mmol/l gesenkt werden, wie das HARMONIZE-Studienprogramm gezeigt hat (2). Eine Erhaltungsdosis mit täglich 5 g Zirkonium-Zyklosilikat hält den Kaliumwert in normalen Bahnen (ca. 4,6 mmol/l), dies zum Preis von Nebenwirkungen wie Verstopfung, peripheren Ödemen und einer Verstärkung der Hypertonie (3). ZS-9 ist noch nicht zugelassen. Patiromer ist ein nicht resorbierbares Polymer, das Kalium im distalen Kolon im Austausch gegen Kalzium bindet (4). In der OPAL-HK-Studie bewies Patiromer, dass es bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und einer
RAAS-Hemmer-Therapie bei Hyperkaliämie eine gute Op-
tion ist. In den ersten 4 Wochen erhielten 237 Patienten je
nach Kaliumspiegel (5,1 bis 5,5 bzw. 5,5 bis < 6,5 mmol/l)
entweder als Initialdosis 4,2 beziehungsweise 8,4 g Patiromer
zweimal täglich, in der zweiten Phase bei Kaliumwerten von
≤ 5,5 mmol/l wurden die Patienten in zwei Gruppen aufge-
teilt: RAAS-Blocker plus Patiromer versus RAAS-Blocker
alleine während 8 Wochen. Dabei zeigte sich, dass die initial
erreichte Kaliumabsenkung mit der Erhaltungstherapie auf-
rechterhalten wurde, in der Gruppe mit RAAS-Hemmer
ohne Patiromer der Kaliumspiegel jedoch wieder signifikant
anstieg. «Ist die Hyperkaliämie chronisch, steigen die Ka-
liumwerte nach Absetzen des Kaliumbinders wieder an», er-
klärte Prof. Stefan Anker, Charité Berlin. Interessant ist dabei
gemäss Anker die Tatsache, dass unter der Erhaltungsthera-
pie auch das Serumaldosteron in seinen normalen Bahnen
blieb. In der Gruppe, die den Kaliumbinder abgesetzt hatte,
stieg das Serumaldosteron von < 10 ng/dl auch signifikant
wieder an. Gastrointestinale Nebenwirkungen sind auch bei
diesem Kaliumbinder am häufigsten: Verstopfung (4%),
Diarrhö (4%) und Nausea (4%). Anfänglich ist es auch zu
Hypomagnesiämie gekommen (3%). In der AMETHYST-
Studie (5), in der die Erhaltungsphase mit Patiromer 52 Wo-
chen dauerte, blieb der initial erreichte Kaliumspiegel eben-
falls bei der erreichten Tiefe. Auch hier waren die Neben-
wirkungen ähnlich. «Diese Nebenwirkungen sind aber insge-
samt gut handhabbar, man muss einfach daran denken, dass
sie auftreten können», betont Anker.
L
Valérie Herzog
Quelle: Satellitensymposium Vifor Pharma: «Enabling and optimising renin-angiotensin-aldosterone system inhibitor therapy in cardio-renal patients through hyperkalaemia management», ESC-Kongress 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona.
Referenzen: 1. Packham DK et al.: Sodium zirconium cyclosilicate in hyperkalemia.
N Engl J Med 2017; 372: 222–231. 2. Kosiborod M et al.: Sodium zirconium cyclosilicate for urgent therapy of
severe hyperkalemia. N Engl J Med 2017; 372: 1577–1578. 3. Anker SD et al.: Long-term safety and efficacy study of ZS-9 (ZS-005).
Poster presentation, ESC 2016. 4. Weir MR et al.: Patiromer in patients with kidney disease and hyperkal-
emia receiving RAAS inhibitors. N Engl J Med 2015; 372: 211–221. 5. Bakris G et al.: Effect of Patiromer on Serum Potassium Level in Patients
With Hyperkalemia and Diabetic Kidney Disease: The AMETHYST-DN Randomized Clinical Trial. JAMA 2015; 314: 151–161.
* ZS-9 ist in der EU seit März zugelassen, in der Schweiz noch nicht.
8 ARS MEDICI DOSSIER V | 2018