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EDITORIAL NOBELPREISTRÄGER DER PHYSIOLOGIE ODER MEDIZIN
1901: Emil von Behring (Deutsches Reich)
Der erste Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin überhaupt
«… für seine Arbeiten über Serumtherapie und besonders für deren Anwendung gegen Diphtherie, mit denen er der medizinischen Wissenschaft neue Wege erschloss und dem Arzt eine erfolgreiche Waffe im Kampf gegen Krankheit und Tod gegeben hat.»
Emil Adolf Behring (ab 1901 Emil von Behring) wurde 1854 in Hansdorf in Westpreussen als Sohn des Lehrers Georg August Behring geboren. Sein Vater hatte aus erster Ehe vier Kinder und Emil war das erste von weiteren neun. Nach dem Abitur trat Behring 1874 in die KaiserWilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin ein, wo er auf Staatskosten sein Medizinstudium absolvierte. 1878 dissertierte er mit «Neuere Beobachtungen über die Neurotomia opticociliaris». Die an Militärhygiene, Versorgung von Wunden und Verhinderung von Seuchen orientierte Aus- und Fortbildung der Militärärzte sensibilisierte Behring für Seuchenprävention und Hygiene. Wichtig war dabei auch seine Zeit als Assistent von Robert Koch. Die Arbeiten an der Serumtherapie begann Behring 1890 mit dem Japaner Kitasato Shibasaburō, mit dem er den Aufsatz «Über das Zustandekommen der Diphtherieimmunität und der Tetanusimmunität bei Thieren» veröffentlichte. Der Aufsatz gilt als Grundlage der Serumtherapie. Ende 1891 wurde das aus dem Serum von Schafen gewonnene Diphtherieheilserum erstmals an zwei an Diphtherie erkrankten Kindern eingesetzt – allerdings erfolglos, da die Dosierung des Antitoxins zu gering war. Aus wissenschaftlicher Sicht gelang der Durchbruch Anfang 1894, als das Diphtherieheilserum in den Berliner Kliniken, in Leipzig und anderen Städten erfolgreich zum Einsatz kam. Im Herbst 1892 erkannte der Chemiker August Laubenheimer, Vorstandsmitglied der Farbwerke Hoechst, die Tragweite der Ideen Behrings und gewann ihn für eine Zusammenarbeit. 1894 begann die Produktion in Frankfurt-Höchst. Bis zum Ende des Jahres wurden über 75 000 Serumfläschchen versandt. 1894 wurde Behring zum Hygiene-Professor an der Universität Halle ernannt. 1895 berief der preussische Staat ihn an die Universität Marburg als Ordinarius für Hygiene und Direktor des Hygienischen Instituts. 1901 wurde Behring mit dem ersten Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet. Kaiser Wilhelm II. verlieh ihm 1903 den Titel «Excellenz» als Wirklicher Geheimer Rat.
Den Gedanken an ein eigenes Unternehmen erwog Behring im Laufe des Jahres 1903. Ein Grund, die Selbstständigkeit in einem eigenen Unternehmen anzustreben, war die Veränderung der bisherigen Vertragsverhältnisse mit den Farbwerken in Höchst. Behring nannte sein Unternehmen Behringwerk. Der Betrieb wurde mit anfänglich zehn Mitarbeitern aufgenommen. Ein rasantes Wachstum des Unternehmens bedingte 1914 die Umwandlung des Behringwerks in die Behringwerke GmbH. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die Produktion enorm ausgeweitet, da Behrings Tetanusheilserum für die in den Schützengräben liegenden Soldaten nun zum Retter vor dem tödlichen Wundstarrkrampf wurde. Neben dem Tetanusheilserum wurden auch Dysenterie- und Gasbrandserum sowie Choleraimpfstoff für das Heer produziert. Zum Privatleben: 1895 kaufte Emil Behring eine Villa auf Capri, die «Villa Behring». Dorthin machten er und seine Frau Else Spinola ihre Hochzeitsreise, nachdem sie 1896 geheiratet hatten. Else Spinola war die Tochter des Geheimrates und Vizedirektors der Charité, Werner Bernhard Spinola. Das Paar hatte sechs Söhne, von denen zwei ebenfalls Medizin studierten. Emil von Behring starb 1917 im Alter von 63 Jahren in Marburg, nachdem er seit Sommer 1916 krank und zurückgezogen von allen wissenschaftlichen und unternehmerischen Geschäften lebte. Die Ruhestätte befindet sich im Behring-Mausoleum auf der Elsenhöhe (benannt nach der Ehefrau Else von Behring), die einen Ausblick über Behrings ehemalige Ländereien und auf das Marburger Schloss bietet.
Richard Altorfer
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin wird seit 1901 jährlich vergeben und ist seit 2012 mit 8 Millionen Schwedischen Kronen (ca. 813 000 Euro) dotiert. Die Auswahl der Laureaten unterliegt dem Karolinska-Institut. Der Stifter des Preises, Alfred Nobel, verfügte in seinem Testament (1895), der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin solle demjenigen zuerkannt werden, «der die wichtigste Entdeckung in der Domäne der Physiologie oder Medizin gemacht hat». Der Nobelpreis wird jedes Jahr am Todestag Alfred Nobels, dem 10. Dezember, vom schwedischen König überreicht. Seit der ersten Nobelpreis-Verleihung wurden (Stand 2017) insgesamt 211 Personen ausgezeichnet, darunter 199 Männer und zwölf Frauen. Bisher wurde noch niemand mehrfach mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet. Der Preis wurde 39-mal ungeteilt an eine Person vergeben, 32-mal wurde er zwischen zwei und 36-mal zwischen drei Personen aufgeteilt. Neunmal wurde der Preis nicht verliehen, zuletzt 1942.
ARS MEDICI DOSSIER III | 2018
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