Transkript
PNEUMOLOGIE
Korrekte inhalative Therapie
Unterschätzter Faktor für den Therapieerfolg
Damit eine inhalative Therapie im klinischen Alltag optimale Wirksamkeit entfalten kann, muss sie ihren Wirkort erreichen. Dies setzt korrekte Inhalation voraus. Im klinischen Alltag ist man davon leider in vielen Fällen noch weit entfernt.
Dr. Omar Usmani aus London (GB) stellt das Verschreibungsparadigma infrage. Es sei Zeit, darüber nachzudenken, ob in der Therapie von Atemwegserkrankungen nicht die Wahl eines neuen Medikaments weniger Relevanz habe als die Wahl des richtigen Inhalators für den individuellen Patienten. Statt zu einer Individualisierung der Medikation gelange man so zu einem «Inhaler Phenotyping». Dieses werde durch die ständig wachsende Zahl von Devices zwar theoretisch immer persönlicher, dafür aber auch immer schwieriger. Nicht nur Patienten sind da bisweilen überfordert. So ge-
Lehrvideos zum richtigen Inhalieren
Die Deutsche Atemwegsliga e.V. bietet auf ihrer Homepage sowie auf YouTube kleine Lehrvideos zur korrekten Inhalation an. Neben allgemeinen Videos gibt es inhalatorspezifische Videos zu 16 verschiedenen Pulverinhalatoren, zu Dosieraerolosen und zu anderen Inhalationssystemen. Darüber hinaus gibt es auch Checklisten zur korrekten Inhalation als PDF-Dateien zum Herunterladen sowie weiterführende Informationen und Lehrmaterialien. Für viele Inhalatorsysteme sind die Videos auf dem YouTube-Kanal der Deutschen Atemwegsliga auch in weiteren Sprachen (Englisch, Arabisch, Türkisch, Slowakisch und Russisch) verfügbar.
Foto: Deutsche Atemwegsliga
Weitere Infos auf der Homepage der Deutschen Atemwegsliga: https://www.atemwegsliga.de/richtiginhalieren.html
langte eine spanische Studie zu dem alarmierenden Ergebnis, dass nur 14,2 Prozent der befragten 1500 Ärzte adäquates Wissen über inhalative Therapien hatten und nur 28 Prozent nach der Neuverschreibung eines Inhalators dessen korrekte Anwendung durch den Patienten auch kontrollierten (1). Daten aus der iHARP-Studie zeigen, dass 75 Prozent der Asthmapatienten zumindest einen kritischen Fehler im Umgang mit ihren Devices machen (2). Schlechte Inhalationstechnik ist dabei mit schlechten Therapieergebnissen assoziiert. Die Studie identifizierte auch besonders kritische Fehler. Diese waren zu geringer Krafteinsatz bei der Einatmung für Patienten, die Trockenpulverinhalatoren, Turbohaler oder Diskus-Devices verwendeten, während bei Patienten mit treibgasbetriebenen Dosieraerosolinhalatoren zu frühes Auslösen der am stärksten mit Asthmaexazerbationen assoziierte Fehler war. Auch für COPD-Patienten konnte eine Assoziation zwischen kritischen Anwendungsfehlern und schlechtem Outcome mittlerweile in einer Studie nachgewiesen werden. In der nicht interventionellen Beobachtungsstudie zur Anwendung der sechs am häufigsten für die COPD-Therapie verordneten Inhalatoren führten kritische Anwendungsfehler zu vermehrtem Auftreten schwerer Exazerbationen (3). Im Vergleich zu Patienten ohne kritischen Anwendungsfehler waren bei Patienten mit mindestens einem kritischen Anwendungsfehler im Beobachtungszeitraum doppelt so häufig schwere Exazerbationen aufgetreten (3,3% vs. 6,9%). Diese Ergebnisse hätten letztlich gezeigt, so Usmani, dass die Anweisungen für den Gebrauch des Inhalators der jeweils eingesetzten Technologie angemessen sein müssten und dass Patienten ein Device erhielten, das ihren körperlichen Möglichkeiten entspreche. So sei es beispielsweise bei der Anwendung von Trockenpulverinhalatoren entscheidend, dass der Patient genügend Atemkraft aufbringen könne, um schnell und tief einzuatmen. Patienten, die nur langsam einatmen könnten, seien hingegen gute Kandidaten für einen mit Treibmittel betriebenen Dosieraerosolinhalator oder einen Soft Mist Inhaler (Respimat) (4).
Inhalatoren in den Leitlinien
Auch in den Guidelines wird der Frage nach den Inhalatoren mittlerweile ein gebührender Stellenwert eingeräumt. GINA hebt die Kontrolle der Inhalationstechnik im Rahmen des
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Asthma Management Cycle hervor. Und die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) unterstreicht im Update ihrer Empfehlungen von 2017 (5), dass «die Schulung und das Training der Patienten in der korrekten Inhalationstechnik von zentraler Bedeutung sind». GOLD empfiehlt auch bestmögliche Individualisierung auf der Basis bekannter Fähigkeiten und der Vorlieben des Patienten. Bereits vor der ersten Anwendung eines Inhalators sollte eine gründliche Einschulung erfolgen. Danach sollte bei jedem Folgetermin überprüft werden, ob der Inhalator weiterhin korrekt eingesetzt wird. Im Falle des Nichtansprechens auf eine Therapie empfiehlt GOLD, zunächst die Inhalationstechnik und die Therapieadhärenz des Patienten zu überprüfen und erst nach Ausschluss dieser Fehlerquellen über eine Umstellung der Therapie nachzudenken. Nicht zuletzt weist Usmani auch auf die hohen Folgekosten suboptimaler Inhaleranwendung hin. So ergab eine 2016 publizierte gesundheitsökonomische Analyse allein für die Länder Spanien, Schweden und Grossbritannien direkte und indirekte Kosten unzureichender Inhalatoranwendung im Management von Asthma und COPD in Höhe von jährlich 782 Millionen Euro. Die Autoren gelangten zu dem Schluss, dass
Training sowohl für Ärzte und Pflegepersonal als auch für
Patienten sowie bessere Devices und mehr Adhärenz nicht
nur die Behandlungsergebnisse verbessern, sondern auch die
Behandlungskosten deutlich senken könnten (6).
L
Reno Barth
Quelle: Session «Advances in Inhaler technology – intuitive design and better drug delivery» beim ERS 2017, 12. September 2017 in Mailand.
Referenzen: 1. Plaza V et al.: Physicians’ knowledge of inhaler devices and inhalation
techniques remains poor in Spain. J Aerosol Med Pulm Drug Deliv 2012; 25(1): 16–22. 2. Molimard M et al.: Chronic obstructive pulmonary disease exacerbation and inhaler device handling: real-life assessment of 2935 patients. Eur Respir J 2017; 49(2); doi: 10.1183/13993003.01794-2016. 3. Price DB et al.: Inhaler Errors in the CRITIKAL Study: Type, Frequency, and Association with Asthma Outcomes. J Allergy Clin Immunol Pract 2017; 5(4): 1071–1081.e9. 4. Usmani O et al.: Choosing an appropriate inhaler device for the treatment of adults with asthma or COPD. www.guidelines.co.uk. 5. http://goldcopd.org. 6. ooLewis A et al.: The economic burden of asthma and chronic obstructive pulmonary disease and the impact of poor inhalation technique with commonly prescribed dry powder inhalers in three European countries. BMC Health Serv Res 2016; 16: 251.
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eRef. Mit der kostenlosen eRef-App sind die
Inhalte der Arzneimitteldatenbank auch off-
line immer griffbereit.
Fazit: Hier gibt es für den klinischen Alltag die
massgeblichen Informationen zu den wichtig-
sten Arzneimitteln in kompakter Form. Die
Kompaktheit der Informationen und die für
Checklisten typische, tabellarische und stich-
wortartige Gliederung sorgen für Übersicht-
lichkeit und Praxistauglichkeit.
Kleines Manko: Unter den «interessanten
Links» stehen zwar der Link zur FDA in den
USA, ansonsten aber nur Adressen zu deut-
schen Institutionen. Die Swissmedic wurde
ebenso wenig aufgenommen wie österreichi-
sche Institutionen. Hier wäre in Zukunft eine
stärkere Ausrichtung auf alle deutschsprachi-
gen Leser wünschenswert.
AZA
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