Transkript
GynäkOlOGIE
Was hilft gegen Wallungen?
Kombinierte transdermale Hormontherapie ist vielversprechend
Klimakterische Hitzewallungen können sehr belastend sein und den Alltag der betroffenen Frauen einschränken. Eine systematische Übersichtsarbeit untersuchte, welche Therapie bei vasomotorischen Wechseljahrsbeschwerden am effektivsten wirkt.
BJOG: An International Journal Of Obstetrics And Gynaecology
Wechseljahrsbeschwerden treten extrem häufig auf. Vasomotorische Symptome (VMS) – Hitzewallungen und nächtliche Schweissausbrüche – sind die am weitesten verbreiteten klimakterischen Beschwerden. In Grossbritannien berichten 75 Prozent der postmenopausalen Frauen von VMS, davon sind 25 Prozent schwer betroffen. Dauer und Ausprägung menopausaler Symptome sind nicht einheitlich: Die Beschwerden können sich in den Jahren vor der letzten Menstruation entwickeln und während der Postmenopause über einige oder sogar viele Jahre bestehen bleiben. Hitzewallungen beginnen oft als Hitzeempfindung am oberen Thorax und im Gesicht. Manchmal kommt es zur Generalisation, die einige Minuten anhält und von heftigen Schweissausbrüchen, Palpitationen und Angst begleitet sein kann. Dies ist für die betroffenen Frauen oft sehr belastend und führt zu Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten, vor allem wenn Hitzewallungen wiederholt tagsüber und nachts auftreten. Nächtliche Hitzewallungen und Schweissausbrüche führen häufig zu Insomnie und Tagesmüdigkeit.
Hormonelle und nicht hormonelle Therapien
Um VMS während der Menopause zu bekämpfen, wenden Frauen verschiedene medikamentöse und nicht medi-
kamentöse Behandlungsoptionen an. Einige dieser Therapien, wie die Hormonersatztherapie (HET), zielen auf eine «Substitution» der Östrogenspiegel ab. Die HET umfasst synthetische Hormone einschliesslich Östradiol, konjugierte equine Östrogene, Östradiolvalerat sowie verschiedene synthetische Progestagene und Tibolon, das östrogene, gestagene und androgene Eigenschaften aufweist. Andere Behandlungsansätze wie Phytopharmaka oder psychologische Therapien wirken auf andere Weise. VMS können sich spontan zurückbilden, daher möchten manche Frauen keine Hormone nehmen. Bei anderen Frauen ist eine HET kontraindiziert, beispielsweise wenn ein hormonabhängiges Karzinom vorliegt oder ein hohes Risiko für ein solches besteht. In einer systematischen Übersichtsarbeit und Netzwerk-Metaanalyse untersuchte ein britisches Autorenteam kürzlich, welche Therapien bei nicht hysterektomierten Frauen mit einer natürlichen Menopause gegen VMS am effektivsten wirken. In die Analyse gingen 47 randomisierte, kontrollierte Studien ein, in denen 16 Behandlungsklassen (n = 8326 Frauen) untersucht wurden.
Hormonpflaster reduziert Häufigkeit von Hitzewallungen
Die Netzwerk-Metaanalyse ergab, dass
MERKSÄTZE
Nicht hysterektomierten Frauen mit vasomotorischen Wechseljahrsbeschwerden sollte eine Östrogen-Progestagen-Kombinationstherapie angeboten werden.
Die transdermale Therapie mit Östradiol und Progestagen erwies sich in der vorliegenden Analyse als effektivste Therapie bei vasomotorischen Symptomen.
die transdermale Applikation (Pflaster) von Östrogen plus Progestagen die Frequenz von VMS bei nicht hysterektomierten Frauen am effektivsten senkt und dass diese Art der Behandlung seltener abgebrochen wird als alle anderen verfügbaren hormonellen, nicht hormonellen und nicht medikamentösen Therapieoptionen. Es gab eine gewisse Evidenz, dass eine kombinierte orale Östrogen-Progestagen-Therapie VMS im Vergleich zu Plazebo effektiver lindern kann, aber die orale Therapie war diesbezüglich nicht ganz so erfolgreich wie die transdermale. Dennoch können beide Applikationsweisen im klinischen Alltag als Optionen erwogen werden, je nach Therapieansprechen der jeweiligen Patientin. Isoflavone und Traubensilberkerze linderten bei nicht hysterektomierten Frauen VMS ebenfalls effektiver als Plazebo, aber es gab keine Evidenz, dass die Wirksamkeit dieser Substanzen sich von derjenigen einer kombinierten Östrogen-Progestagen-Therapie unterschied. Diese Ergebnisse sollten jedoch zurückhaltend interpretiert werden, da in den verschiedenen Studien unterschiedliche Pflanzenpräparate eingesetzt wurden. SSRI (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer)/SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer) erwiesen sich hinsichtlich der Linderung von VMS nicht als effektiv, jedoch wurden sie im Vergleich zu anderen Substanzen öfter abgesetzt. Dies verwundert angesichts des ernsten Nebenwirkungsprofils dieser Substanzen nicht.
Weniger Therapieabbrüche
Die Netzwerk-Metaanalyse zeigte, dass Frauen, die mit einer nicht oralen Östradiol-Progestagen-Therapie oder mit
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konjugierten Östrogenen plus Bazedoxifen behandelt wurden, seltener die Therapie abbrachen als diejenigen, die Tibolon oder Plazebo erhielten. Die Resultate der vorliegenden Netzwerk-Metaanalyse wurden bei der Entwicklung der aktuellen NICE-Guideline berücksichtigt. Unter anderem wurden die Ergebnisse der klinischen Wirksamkeit bei einer probabilistischen Kosten-Nutzen-Analyse mitberücksichtigt, welche für die Entscheidungsfindung des Leitlinienkomitees herangezogen wurde. Der Leitlinienausschuss empfahl, dass nicht hysterektomierten Frauen zur
Linderung von VMS in einem indivdualisierten Ansatz eine Behandlung mit Östrogen und Progestagen angeboten werden sollte, nachdem die kurzfristigen (≤ 5 Jahre) und längerfristigen Vorteile und Risiken diskutiert wurden.
SSRI, SNRI oder Clonidin sind keine First-Line-Optionen
Ärzte sollten weder eine Monotherapie mit SSRI oder SNRI noch mit Clonidin routinemässig als Erstlinientherapie anbieten. Zusätzlich sollten die Frauen darüber informiert werden, dass es zwar eine gewisse Evidenz gibt, dass Isoflavone oder Traubensilberkerze
VMS lindern können, dass es jedoch
gewisse Sicherheitsbedenken hinsicht-
lich mehrerer Präparate und hinsicht-
lich Interaktionen mit anderen Medi-
kamenten gibt.
O
Andrea Wülker
Quelle: Sarri G et al.: Vasomotor symptoms resulting from natural menopause: a systematic review and network meta-analysis of treatment effects from the National Institute for Health and Care Excellence guideline on menopause. BJOG 2017; DOI: 10.1111/1471-0528.14619.
Interessenlage: In der referierten Originalpublikation sind keine Interessenkonflikte deklariert.
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