Transkript
FORTBILDUNG
Herausforderung Durchbruchschmerz
Therapieoptionen einer vernachlässigten Problematik bei Tumorschmerzen
Durchbruchschmerzen im Rahmen von Tumorerkrankungen treffen die Mehrzahl der Patienten. Allerdings bleiben sie oftmals unerkannt oder werden unzureichend behandelt. Vermehrte Sensibilität für die Problematik und neuere, mukosal anwendbare Fentanylpräparate können die Therapie von Durchbruchschmerzen erheblich verbessern.
HANNES HOFBAUER UND PETER STEFFEN
Jährlich erkranken über 35 000 Menschen in der Schweiz an Krebs (1). Vor allem bei soliden Tumoren sind Schmerzen ein häufiges Problem und treten in bis zu 80 Prozent der Fälle in fortgeschrittenen Stadien auf. Während eine Therapie mit retardierten Analgetika in den meisten Fällen eine gute grundsätzliche Schmerzeinstellung erreichen kann, sind oft intermittierende Schmerzspitzen, sogenannte Durchbruchschmerzen, problematisch. In den letzten Jahren haben sich die therapeutischen Optionen zu deren Linderung deutlich verbessert. Ziel dieses Artikels ist es, Grundlagen zu vermitteln, für das Problem zu sensibilisieren und die therapeutischen Optionen zu beleuchten.
Merksätze
❖ Durchbruchschmerzen treten als sehr starke bis unerträgliche Schmerzspitzen von nur kurzer Dauer trotz bestehender Dauermedikation auf und sind ein häufiges Problem im Rahmen von Tumorerkrankungen.
❖ Defizite bei der Erkennung und in der Behandlung von Durchbruchschmerzen sind häufig.
❖ Als Therapieoptionen bei Durchbruchschmerz stehen schnell verfügbare Fentanylpräparate (oral mukosal und intranasal) zur Verfügung.
❖ Eine suffiziente Behandlung von Durchbruchschmerzen kann die Aktivität und die Lebensqualität erheblich verbessern.
Definition, Charakteristika, Ursachen von Durchbruchschmerz Durchbruchschmerzen sind definiert als vorübergehende Schmerzspitzen, die trotz ausreichend behandelten, stabilen Schmerzgeschehens (mit Opioiden, aber auch mit anderen Analgetika und Koanalgetika) auftreten (2). Sie sind von einer zu niedrigen Dosis oder einer zu kurzen Wirkdauer (sog. end of dose failure) der Dauermedikation abzugrenzen. In diesen Fällen wäre eine Anpassung der Dosis beziehungsweise des Einnahmeintervalls erforderlich. Bei genauerer Erhebung treten bei der Mehrzahl der Tumorpatienten trotz ausreichender Regelmedikation Durchbruchschmerzen auf, wobei die Inzidenz mit dem Tumorstadium zunimmt (3). Ein konkretes Nachfragen ist sinnvoll, da viele Patienten nicht spontan davon berichten. Meist bauen sich die Schmerzen innerhalb weniger Minuten auf; seltener sind Attacken, die sich erst in 30 Minuten zur maximalen Stärke entwickeln. Die Schmerzstärke wird meist zwischen stark und unerträglich angegeben. Die Dauer beträgt in 31 Prozent der Episoden weniger als 15, in 64 Prozent maximal 30 Minuten (4). Es wird unterschieden zwischen: ❖ spontan auftretenden und ❖ belastungsabhängigen Durchbruchschmerzen, welche
wiederum in vorhersagbare (z.B. vor bestimmten körperlichen Belastungen) und nicht vorhersagbare (z.B. durch Husten) Durchbruchschmerzen unterteilt werden. In über 90 Prozent der Fälle sind Durchbruchschmerzepisoden durch die Tagesaktivität bedingt (5). Aufgrund der Schmerzstärke und des oftmals nicht vorhersehbaren Auftretens stellen Durchbruchschmerzepisoden eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität dar. Patienten entwickeln eine starke Angst vor den Attacken, es kommt zu Aktivitätseinschränkung und sozialem Rückzug. Als Ursachen kommen wie beim Dauerschmerz sowohl tumorbedingte als auch tumorassoziierte oder therapiebedingte Gründe infrage. Durchbruchschmerz kann nozizeptiver, neuropathischer oder auch gemischter Genese sein. Trotz der erheblichen Beeinträchtigung, unter der viele Patienten leiden, ist das Wissen um den Durchbruchschmerz und seine Behandlung oftmals begrenzt. In einer Befragung onkologischer Pflegekräfte in 12 europäischen Ländern zeigten sich erhebliche Defizite im Wissen um die Erfassung und Behandlung von Durchbruchschmerzepisoden – obwohl zirka 80 Prozent von ihnen Durchbruchschmerz als relevantes Problem sehen und im letzten Monat Probleme in der Behandlung sahen (6). Ein genereller Schulungsbedarf wurde als notwendig angesehen.
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Apreptant, Verapamil und auch Grapefruitsaft. Die
Metabolisierung erfolgt zwar hauptsächlich hepa-
tisch, die Pharmakokinetik wird aber bei relevanter
Leberinsuffizienz in nur geringem Ausmass beein-
flusst. Auch bei Nierenfunktionsstörungen kann
Fentanyl relativ problemlos eingesetzt werden. Bei
älteren, aber auch sehr kranken Patienten empfiehlt
sich eine vorsichtige Titration.
Lange Zeit war die nicht invasive Applikation proble-
matisch, da bei oraler Aufnahme infolge eines hohen
First-Pass-Effektes kaum eine systemische Wirkung
zu erzielen ist. Eine Umgehung dieses Problems bot
Ohne Bedarfsmedikation
Unretardierte Opioide
Schnell verfügbare Opioide
Abbildung 1: Durchbruchschmerzen und ihre Behandlung ohne Bedarfsmedikation, mit unretardierten Opioiden (z.B. Morphin, Oxycodon) und mit schnell verfügbaren Opioiden (mukosale Fentanyle) (rot: Dauerschmerz mit Durchbruchschmerzepisoden, türkis: Wirkung der
sich durch eine Resorption über Mund- oder Nasenschleimhaut. Dies erforderte die Entwicklung neuartiger Applikationsformen, um eine für eine Resorption hinreichende Adhäsion an der Schleimhaut zu erreichen.
retardierten Dauermedikation und Opioidbedarfsmedikation)
Therapieoptionen
Als Erstes wurde Fentanyl in Form einer lolliähnlichen
Lutschtablette eingeführt (orales transmukosales Fen-
Anforderungen an ein ideales Medikament
tanyl-Citrat [OTFC], Actiq®). Diese soll über 15 Minuten an
Die Erwartungen an ein ideales Medikament zur Behandlung der Wangenschleimhaut verrieben werden. Allerdings wird
des Durchbruchschmerzes sind vielfältig: Es sollte einerseits nur rund ein Viertel der Dosis resorbiert, der Rest wird ver-
eine hohe analgetische Potenz und einen sehr schnellen Wirk- schluckt. Nur etwa ein Drittel der verschluckten Menge wird
anschlag besitzen, andererseits möglichst nicht viel länger als nicht im Rahmen des First-Pass-Effektes eliminiert und kann
die Durchbruchschmerzepisode wirken. Es sollte nicht inva- systemisch wirken. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt
siv sowie einfach in der Anwendung (möglichst auch durch nur zirka 50 Prozent. Deshalb, aber vor allem auch wegen
Pflegekräfte und Angehörige) und schrittweise titrierbar sein. Problemen in der Anwendung, ist diese Applikationsform
Schliesslich sollten möglichst wenige Nebenwirkungen auf- inzwischen als zweite Wahl anzusehen.
treten, möglichst wenige Interaktionen den Einsatz limitieren
und keine aktiven Metaboliten entstehen.
Neue Optionen mit verschiedenen Technologien
Bis vor wenigen Jahren waren Medikamente zur nicht invasi- Nahezu zeitgleich erfolgte die Einführung zweier Fentanyl-
ven Behandlung von Schmerzspitzen auf unretardierte Opi- tabletten. Effentora® wurde entwickelt zur bukkalen Anwen-
oide in Tabletten-, Kapsel- oder Tropfenform (z.B. von Mor- dung. An Wirkstärken sind 100, 200, 400, 600 und 800 µg
phin, Hydromorphon oder Oxycodon) beschränkt. Alle diese verfügbar. Der Patient sollte die Tablette in die Wangentasche
Präparate zeichnen sich durch einen zu langsamen Wirk- legen. Die Bioverfügbarkeit beträgt etwa 65 bis 70 Prozent.
beginn – meist erst nach zirka 30 Minuten, oftmals dauert es Inzwischen ist auch eine ähnliche Bioverfügbarkeit bei sub-
bis zu 45 Minuten – aus und sind damit natürlich zu träge für lingualer Applikation nachgewiesen (7). Die Tablette sollte
eine kurze, akut einsetzende Durchbruchschmerzepisode.
jedoch nicht gelutscht oder geschluckt werden. Nach Kon-
takt mit der Mundschleimhaut kommt es durch die soge-
Eigenschaften von Fentanyl
nannte Oravescent®-Technologie zu einer Brausereaktion
In vielen Aspekten als ideale Wirksubstanz erwies sich Fen- aus Zitronensäure und Natriumhydrogenkarbonat mit einer
tanyl, das aufgrund seiner hohen Lipophilie einen schnellen lokalen, initialen pH-Senkung. Das führt zu einer besseren
Wirkbeginn bei relativ kurzer Wirkdauer (max. 1,5 Stunden) Löslichkeit der Substanz, während beim Abtransport des
gewährleistet (Abbildung 1). Aufgrund der Anwendung in entstehenden CO2 der pH-Wert wieder steigt, was wiederum
der Anästhesie, aber auch der transdermalen Opioidtherapie zu einem erhöhten Anteil an lipophilem Fentanyl führt,
handelte es sich zudem um eine bewährte, sichere Substanz welches die Resorption beschleunigt. Auch wenn sich die
mit sehr hoher analgetischer Potenz (ca. 100-mal stärker als Tablette oft erst nach etwa 15 bis 30 Minuten komplett
Morphin). Fentanyl besitzt mit über 80 Prozent eine hohe aufgelöst hat, ist bereits nach 10 Minuten eine signifikant re-
Plasmaeiweissbindung, was bei Verdrängung potenziell zu duzierte Schmerzintensität gegenüber Plazebo nachweisbar.
Problemen führen kann. Zudem wird Fentanyl grösstenteils Die Bukkaltabletten enthalten relevante Anteile an Natrium
über das Zytochrom-P-450-System über CYP3A4 zu phar- (8 mg in der 100-µg-Tablette, 16 mg ab der 200-µg-Tablette),
makologisch inaktiven Metaboliten wie Norfentanyl abge- was gegebenenfalls im Rahmen einer natriumarmen Diät
baut. Gleichzeitig verabreichte CYP3A4-Inhibitoren können berücksichtigt werden sollte.
die Plasmakonzentration von Fentanyl mit dem Risiko der Als weitere Option steht eine sublinguale Fentanyltablette
Überdosierung erhöhen. Wichtige CYP3A4-Inhibitoren sind (Abstral® [in der Schweiz nicht mehr erhältlich]) mit einem
Antibiotika vom Typ der Makrolide (z.B. Erythromycin), schnell auflösenden System (F.A.S.T.® [Fast Acting Sublin-
Azol-Antimykotika (z.B. Ketoconazol, Itraconazol und gual Technology]) zur Verfügung. Aufgrund der mikronisier-
Fluconazol), bestimmte Proteaseinhibitoren (z.B. Ritonavir), ten Trägerpartikel kommt es zu einem schnellen Zerfall der
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Tabelle:
Cmax und Tmax der schnell verfügbaren Fentanylpräparate
OTFC-Lutschtablette (8) Bukkaltablette (11) Sublingualtablette (12) INFS-Nasenspray (13) (6–25)* FPNS-Pektin-Nasenspray (8)
Cmax (ng/ml)
0,32 ± 0,10 0,62 ± 0,24 0,41 ± 0,16 1,20 ± 0,70
0,78 ± 0,38
Tmax (min)
90 (30–480)* 45,6 (19,8–240)* 48,7 ± 26,3# 13 ± 5,7# / 15
15 (10,2–96,0)*
(* = Median [Spannweite]; # = Mittelwert, ± Standardabweichung)
-
Abbildung 2: Therapiealgorithmus Durchbruchschmerz
Sublingualtablette innerhalb weniger Sekunden mit Verteilung auf einer möglichst grossen Resorptionsfläche. Mukoadhäsive Anteile sollen durch Bindung an die Mukosa die Resorption verbessern und die verschluckte Menge verringern. Die Bioverfügbarkeit wird auf zirka 70 Prozent geschätzt. Tabletten der Wirkstärken 100, 200, 300, 400, 600 und 800 µg sind verfügbar. Weitere Applikationsformen Während obige über die Mundschleimhaut resorbierbare Applikationsformen in der Schweiz erhältlich sind, können derzeit nasal zu verwendende Fentanylsprays nur in anderen Ländern bezogen werden. Der Vollständigkeit halber sollen sie aber dargestellt werden. Instanyl® (Intranasales Fentanyl-Nasenspray [IFNS]) ist in Deutschland und Österreich erhältlich, in der Schweiz ist
nach Aussage der Firma Nycomed derzeit keine Einführung geplant. Vor der ersten Anwendung eines neuen Sprühfläschchens müssen einige Probesprühstösse in die Luft abgegeben werden, bis sich ein Sprühnebel bildet. Gleiches gilt, wenn erst nach über einer Woche eine erneute Anwendung erfolgt. Bezüglich der Anwendung sollte der Sprühstoss in aufrechter Haltung in ein Nasenloch appliziert werden. Eine Zählfunktion existiert nicht, und somit ist unklar, wie viele Applikationen bereits erfolgt respektive noch möglich sind. Um vor allem in stationären Einrichtungen die Eindosierung zu erleichtern, aber auch das Risiko des Missbrauchs zu limitieren, steht die Einführung von Eindosisbehältern kurz bevor. Es ist zu beachten, dass bei diesen kein Probesprühstoss erfolgen darf. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 89 Prozent, die mittlere Tmax ist mit 12 bis 15 Minuten früher als bei der Bukkal- oder Sublingualtablette erreicht. Verfügbare Dosen pro Sprühstoss sind 50, 100 und 200 µg. Schliesslich gibt es ein zweites, ebenfalls in der Schweiz nicht verfügbares Nasenspray mit Pektinanteilen, die eine bessere Haftung an die Schleimhaut gewährleisten sollen (FentanylPektin-Nasen-Spray [FPNS], PecFent®). Auch hier ist ein Bezug über Deutschland möglich, eine kurzfristige Einführung ist gemäss Archimedes Pharma nicht geplant. Die als PecSys® bezeichnete Technologie bildet mit den Kalziumionen der Nasenschleimhaut ein Gel, aus dem das Fentanyl resorbiert wird. Auch dieses Spray muss in aufrechter Haltung appliziert werden. Diese Sprays enthalten ein Zählwerk, jede Flasche kann 8 Sprühstösse abgeben. Die Haltbarkeit ist auf 14 Tage nach Anbruch beschränkt, zwischen 2 Hüben soll kein längeres Intervall als 5 Tage liegen. Verfügbare Dosisstärken sind 100 µg und 400 µg pro Sprühstoss. Die Tabelle zeigt wichtige pharmakokinetische Daten. Cmax gibt den Spitzenplasmaspiegel an. Vergleicht man die 200-µg-Dosis von den Nasensprays mit den über die Mundschleimhaut angewendeten Applikationsformen, so zeigen sich deutlich höhere Blutspiegel. Das entspricht auch der klinischen Erfahrung, dass bei den Sprays oft niedrigere Dosen ausreichen. Während eine signifikante Schmerzlinderung bei allen Präparaten spätestens nach 10 Minuten nachweisbar ist, kann Tmax (Zeitpunkt des Erreichens von Cmax) dennoch als Hinweis auf den schnelleren Wirkbeginn der Nasensprays gewertet werden. Die Tmax der OTFC-Lutschtablette wurde aus einer Vergleichsstudie mit dem Pektinnasenspray verwendet (8). Diese wird in älteren Studien (9, 10) erheblich kürzer angegeben (20 bis 40 Minuten). Dieser Widerspruch ist vermutlich durch die hohe Variabilität der Resorption je nach Anwendung der Lutschtablette erklärbar und unterstreicht die deutlich schlechtere Eignung als Therapieoption.
Praktische Anwendung Einen Therapiealgorithmus zeigt Abbildung 2. Vor der Indikationsstellung, ein schnell verfügbares Fentanylpräparat zu verwenden, sollte die Klärung der Schmerzursache und der -art stehen. Ein Leberkapselspannungsschmerz bei Metastasen spricht oftmals ebenso schlecht auf Opioide an wie neuropathische, beispielsweise einschiessende Schmerzen. In diesen Fällen sollten primär die entsprechenden Koanalgetika wie Antikonvulsiva, Antidepressiva oder Kortikoide zum Einsatz kommen. Bei zum Teil um Wochen verzögertem Wirkbeginn sollten dennoch, zumindest zur Überbrückung,
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Medikamente gegen Durchbruchschmerz zum Einsatz
kommen. Ein End-of-Dose-Failure oder eine zu geringe Dosis
sollten ausgeschlossen sein. Es erscheint sinnvoll, bei vorher-
sehbaren Durchbruchschmerzen preiswertere unretardierte
Opioide (z.B. Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon) zu
verwenden. Spontan auftretende und nicht vorhersagbare
Durchbruchschmerzen sind jedoch eine klare Indikation für
schnell verfügbare Fentanylpräparate.
Deren Dosisfindung ist vom Prinzip her bei allen mukosalen
Fentanylpräparaten gleich. Die übliche Empfehlung, ein
Sechstel bis ein Zehntel der Tagesdosis des retardierten
Opioids als Bedarfsdosis zu verwenden, gilt bei den mukosal
applizierbaren Fentanylen nicht (14). Vielmehr wird emp-
fohlen, mit der niedrigsten Dosis zu beginnen, bei fehlendem
Erfolg gegebenenfalls zu repetieren oder bei der nächsten
Anwendung die nächsthöhere Dosis einzunehmen. Nach
Erreichen der wirksamen Dosis wird diese zukünftig bei-
behalten. Die detaillierten Anweisungen sind den einzelnen
Beipackzetteln zu entnehmen.
Bezüglich der Präparateauswahl können unabhängig von der
Verfügbarkeit in der Schweiz weitere Aspekte eine Rolle bei
der Differenzialindikation spielen. Sublinguale und bukkale
Applikationsformen bieten eine grössere verfügbare Dosis-
vielfalt. Die Tabletten können auch im Liegen eingenommen
werden, was bei bettlägerigen Patienten vorteilhaft ist. Zudem
können sie von Angehörigen oder vom Pflegepersonal pro-
blemlos verabreicht werden. Zum Teil werden die Brause-
wirkung und der salzige Geschmack der Bukkaltablette als
unangenehm empfunden. Die Einzelverpackungen der Sub-
lingual- und Bukkaltabletten sind relativ schwer zu öffnen,
was im Falle von Tremor oder Polyneuropathie oder auch nur
starken Schmerzen und Unruhe problematisch sein kann.
Die Fentanylsprays sind sicher vorteilhaft bei Mukositis,
trockenem Mund und Pilzinfektionen im Mundbereich.
Auch ist die Anschlagzeit geringfügig schneller. Jedoch ist auf
eine korrekte Lagerung und Anwendung zu achten. Beide
Sprays werden in kindersicheren Behältern geliefert, die beide
Hände zum Öffnen erfordern. Sicherlich werden die Sprays
oft nicht in diesen Behältern aufbewahrt werden. Auf eine
kindersichere Verwahrung sollte dringend hingewiesen
werden, da Nasensprays vor allem auch bei Kindern als
harmlos gelten. Das fehlende Zählwerk erscheint ungünstig
bei Instanyl®. Bei PecFent® wird der günstigere Preis oft
durch eine nötige Dosis von 200 µg und somit zwei notwen-
dige Sprühstösse aufgebraucht.
Prinzipiell muss schliesslich das Missbrauchsrisiko dieser
sehr schnell anflutenden Opioide beachtet werden, sodass sie
nur bei Tumorpatienten mit bestehender Daueropioidthera-
pie ab einer Tagesdosis von 60 mg Morphinäquivalent indi-
ziert sind.
Die neuen schnell verfügbaren Fentanylpräparate sind relativ
teuer. Eine suffiziente Behandlung von Durchbruchschmer-
zen kann aber durchaus erheblich kostensenkend wirken,
indem notfallmässige ärztliche Kontakte abnehmen und
Spitaleinweisungen vermieden werden können (15): Angst
wird abgebaut, die Teilnahme am sozialen Leben wird
erhöht, die Lebensqualität steigt (16). Im Rahmen einer opti-
malen Behandlung von Tumorschmerzpatienten gehört
somit eine adäquate Therapie von Durchbruchschmerzen
unabdingbar dazu.
❖
Korrespondenzadresse: Dr. med. Hannes Hofbauer, MBA
Sektion Schmerztherapie
Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Ulm
D-89075 Ulm
E-Mail: hannes.hofbauer@uniklinik-ulm.de
PD Dr. med. Peter Steffen
Sektion Schmerztherapie
Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Ulm
D-89075 Ulm
E-Mail: peter.steffen@uniklinik-ulm.de
Mögliche Interessenkonflikte: Hannes Hofbauer: Arzneimittel ProStrakan GmbH, Astellas Pharma GmbH, Grünenthal GmbH, Mundipharma GmbH in Deutschland. Peter Steffen: Astellas Pharma GmbH, Grünenthal GmbH, Mundipharma GmbH, Pfizer GmbH in Deutschland, Janssen Cilag GmbH Deutschland.
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Erstpublikation in «Schweizer Zeitschrift für Onkologie».
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