Transkript
Studie referiert
Ohne Hormone gegen Hitzewallungen
Randomisierte Studie mit Escitalopram
In einer randomisierten, doppelblinden Studie bei gesunden menopausalen Frauen wurde gegen quälende Hitzewallungen der selektive Seronotoninwiederaufnahme-Hemmer Escitalopram mit Plazebo verglichen.
JAMA
Angesichts von verbreiteten Bedenken gegen den Einsatz von Hormonen ist das Interesse für therapeutische Alternativen gestiegen. Die Datenlage für pharmakologische und nichtpharmakologische Alternativen ist jedoch nicht schlüssig. Eine der untersuchten Optionen waren selektive Serotonin- und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI resp. SNRI). Entsprechende Studien ergaben jedoch gemischte Ergebnisse, und in einer gepoolten Analyse von 7 SSRI- und SNRI-Studien streuten die Scores für die Abnahme der Hitzewallungen zwischen 3 und 41 Prozent, was mit grossen Unterschieden der Wirksubstanzen, der Patientinnenkollektive und Untersuchungsmethoden erklärt wurde. In 2 nicht verblindeten, kleinen Pilotstudien hatte der SSRI Escitalopram (Cipralex®) gegen Hitzewallungen bei minimalen Nebenwirkungen gute Effekte gezeigt. Dies wollte die vorliegende Stu-
Merksatz
❖ In einer randomisierten Doppelblindstudie hatten peri- oder postmenopausale Frauen unter Escitalopram (10 – 20 mg/Tag) im Vergleich zu Plazebo seltener und weniger schwere Hitzewallungen.
die bei einer grösseren Anzahl von Patientinnen rigoroser nachweisen.
Methodik Die Multizenterstudie rekrutierte 205 Frauen mit Hitzewallungen und randomisierte sie entweder zu Escitalopram (Anfangsdosis 10 mg/Tag, Steigerungsmöglichkeit auf 20 mg/Tag bei nicht ausreichendem Ansprechen nach 4 Wochen) oder Plazebo (1 Tabl./Tag resp. 2 Tabl./Tag nach 4 Wochen). Für die Aufnahme in die Studie kamen Frauen zwischen 40 und 62 Jahren in Betracht, die entweder an perimenopausalen (Amenorrhö > 60 Tage im Jahr zuvor) oder postmenopausalen (≥ 12 Monate seit letzter Menstruation oder bilaterale Oophorektomie) Hitzewallungen litten. Primäre Outcomes waren Häufigkeit und Schweregrad von Hitzewallungen, bestimmt anhand von Tagebüchern nach 4 und 8 Wochen. Sekundäre Outcomes waren Beeinträchtigung durch Hitzewallungen sowie klinische Besserung (Häufigkeitsabnahme um ≥ 50%).
Resultate Die mittlere Anzahl täglicher Hitzewallungen betrug zu Beginn 9,78 (Standardabweichung 5,60). In einer modifizierten Intention-to-Treat-Analyse aller randomisierten Patientinnen, für die Tagebuchaufzeichnungen zu den Hitzewallungen vorlagen, war bei den Frauen unter Escitalopram nach acht Wochen die mittlere Reduktion um 1,41 Attacken pro Tag grösser (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,13–2,69; p < 0,001) als unter Plazebo. In der Escitalopramgruppe nahm die Frequenz der Hitzewallungen nach acht Wochen auf 5,26 ab (85%-KI 4,08–6,43, was praktisch einer Halbierung der Anfallshäufigkeit entspricht. Auch in der Plazebogruppe wurden nach acht Wochen Hitzewallungen seltener aufgezeichnet, hier be-
trug die Abnahme aber nur 33 Prozent. Unter Escitalopram berichteten 55 Prozent der Frauen von einer um mindestens 50 Prozent geringeren Häufigkeit von Hitzewallungen, in der Plazebogruppe waren es 36 Prozent (p = 0,009). Auch die Abnahme des Scores für den Schweregrad der Hitzewallungen war unter Escitalopram statistisch signifikant grösser, ebenso die Zufriedenheit mit der Behandlung. Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen wurden insgesamt bei 4 Prozent der Patientinnen beobachtet (7 in der Escitalopram-, 2 in der Plazebogruppe). Drei Wochen nach Beendigung der Escitalopramtherapie berichteten die Frauen von im Mittel 1,59 Hitzewallungen mehr pro Tag als die Patientinnen der Plazebogruppe (95%KI 0,55–2,63; p = 0,02).
Diskussion Die Autoren stellen zusammenfassend fest, dass der SSRI Escitalopram im Vergleich zu Plazebo in dieser Studie zu selteneren und weniger schweren menopausalen Hitzewallungen führte, was mit früheren kleineren Studien übereinstimmt. Angesichts der akzeptierten Indikationen für SSRI heben sie besonders hervor, dass die günstigen Behandlungsergebnisse hier bei Frauen erzielt wurden, die weder an Angsterkrankungen noch Depressionen litten. Ebenfalls als bemerkenswert erwähnen sie ferner, dass der Plazeboeffekt in dieser Untersuchung im Vergleich zu anderen Studien eher gering war, mit sehr guter Verträglichkeit in beiden Behandlungsgruppen. «Obwohl die Abnahmen von Häufigkeit und Schwere der Hitzewallungen bescheiden erscheinen können, empfanden die Studienteilnehmerinnen diese als bedeutsam, wie ihre Zufriedenheit und der Wunsch zur Fortführung der Therapie belegen.» ❖
Halid Bas
Ellen W. Freeman et al.: Efficacy of escitalopram for hot flashes in healthy menopausal women. JAMA 2011; 305: 267–274.
Interessenlage: Die Studie wurde in Kooperation von öffentlichrechtlichen und privaten Sponsoren ohne direkte Mitwirkung von Pharmafirmen realisiert.
ARS MEDICI DOSSIER X ■ 2011 31