Transkript
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Protonenpumpeninhibitoren
Tipps zur Therapieoptimierung
WINFRIED BEIL
Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind seit mehr als einem Jahrzehnt Mittel der ersten Wahl in der Akut- und Langzeitbehandlung der Refluxkrankheit, der Therapie des H.-pylori-negativen Ulkus und der NSAR-Gastroduodenopathie. Sie sind weiterhin integraler Bestandteil der verschiedenen TripeltherapieSchemata zur Eradikation von Helicobacter pylori.
Für die Akutbehandlung der erosiven Refluxösophagitis beträgt die optimale Tagesdosis 40 mg. Mit 40 mg Pantoprazol (Pantozol®, Zurcal®) beziehungsweise Esomeprazol (Nexium® ) werden nach vier Wochen mittlere Abheilungsraten von 80 Prozent erreicht, nach acht Wochen liegt die Abheilungsrate bei 90 Prozent (1, 2). Für die Rezidivprophylaxe der Refluxerkrankung werden in der Regel 20 mg eines PPI eingesetzt. Hierunter bleiben
ungefähr 75 Prozent der Patienten innerhalb von zwölf Monaten rezidivfrei (3). Allerdings benötigen bis zu 30 Prozent der Patienten zur Kontrolle ihrer Refluxbeschwerden höhere PPI-Dosierungen (4). Diese klinischen Daten zeigen, dass in der Akuttherapie bis zu 10 Prozent und in der Rezidivprophylaxe etwa 25 Prozent der Patienten auf eine niedrige Dosis nicht ausreichend ansprechen. Nachfolgend werden mögliche Ursachen für eine unzureichende PPI-Therapie vorgestellt.
Einnahmezeitpunkt
PPI sind säureaktivierbare Pro-Drugs. Die Substanzen akkumulieren in dem sauren sekretorischen Kanalsystem der stimulierten Belegzelle und erreichen dort bei pH 1 theoretisch eine 1000fach höhere Konzentration als im Blut. Im Kanalsystem der Belegzelle werden die Substanzen in den aktiven Hemmstoff umgesetzt. Dieser reagiert kovalent mit Cysteinmolekülen der Protonenpumpe. Durch die kovalente Bindung an die Protonenpumpe haben PPI eine lange Wirkdauer. PPI hemmen die Protonenpumpe in aktivierten Belegzellen; ruhende Protonenpumpen, die in so genannten Tubulovesikeln lokalisiert sind, werden nicht inhibiert (5). Die Belegzelle zeigt einen zirkadianen Rhythmus mit einem Maximum an Aktivität in den Morgenstunden. Die säurehemmende Wirkung der PPI ist deutlich stärker, wenn die Substanzen am Morgen verabreicht werden (6–8). Eine Nahrungsaufnahme steigert die Säuresekretion und damit den Anteil an aktiven Protonenpumpen (9). PPI erreichen maximale Plasmaspiegel nach ein bis zwei Stunden. Deshalb sollten sie bei einer einmaligen täglichen Gabe zirka 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen werden.
Merk-
sätze
q Tierexperimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei zeitgleicher Gabe von H2-Rezeptorantagonisten und einem PPI die säurehemmende Wirkung des PPI stark reduziert werden kann. PPI sollten daher niemals zeitgleich mit H2-Rezeptorantagonisten gegeben werden.
q PPI werden durch die ZytochromIsoenzyme CYP 2C19 und CYP 3A4 verstoffwechselt. Zirka 5 Prozent der europäischen Bevölkerung sind «langsame», ungefähr 20 Prozent «ultraschnelle» Metabolisierer für CYP 2C19.
Kombination mit anderen Säurehemmern
Nach einer IMS Health Analyse (10) erhalten 20 Prozent der Patienten, die einen PPI verordnet bekommen, weitere Säurehemmer (z.B. H2-Rezeptorantagonisten) oder Prokinetika. Tierexperimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei der zeitgleichen Gabe von H2-Rezeptorantagonisten und einem PPI die säurehemmende Wirkung des PPI stark reduziert werden kann (11, 12). Der H2-Rezeptorantagonist erreicht die Belegzelle vor dem PPI und reduziert die Säurekonzentration im sekretorischen Kanalsystem. PPI werden jedoch schon bei einer Anhebung des
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pH von 1 auf 2 in ihrer säurehemmenden Wirkung theoretisch um 90 Prozent herabgesetzt. Sie sollten daher niemals zeitgleich mit H2-Rezeptorantagonisten gegeben werden.
Metabolisierung
PPI werden durch die Zytochrom-Isoenzyme CYP 2C19 und CYP 3A4 verstoffwechselt. Pantoprazol wird als einziger PPI nach initialer Demethylierung durch CYP 2C19 anschliessend konjugiert (13). Ungefähr 5 Prozent der europäischen Bevölkerung sind so genannte «langsame» Metabolisierer für CYP 2C19, das heisst, diese Patienten haben kein funktionsfähiges CYP 2C19. Diese Gruppe zeigt zum Beispiel nach Gabe von Omeprazol (Antramups® u. Generika) im Mittel bis zu 11fach höhere Plasmakonzentrationen (14). Umgekehrt sind ungefähr 20 Prozent der europäischen Bevölkerung so genannte «ultraschnelle» Metabolisierer. Säureanalysen zeigten, dass bei dieser Patientengruppe die pH-anhebende Wirkung des PPI Omeprazol signifikant vermindert ist (15). Bei einem «Therapieversagen» sollte hier nach Ausschluss der eingangs genannten Ursachen eine Dosisanpassung (z.B. 40 mg in der Rezidivprophylaxe) erfolgen.
Nächtlicher «Säureausbruch» unter PPI-Gabe
Als nächtlicher «Säureausbruch» wird ein pH-Wert im Magen von unter 4 bezeichnet, der länger als eine Stunde anhält. PPI haben eine unterschiedlich lange Wirkdauer. Diese beträgt zum Beispiel 48 Stunden für Pantoprazol (16). Die Reaktivierung der gehemmten Protonenpumpen erfolgt über zwei Wege: den Ersatz der gehemmten Pumpenmoleküle durch deren Neusynthese und die Reaktivierung
der Pumpe durch endogene Substanzen
(Glutathion). Die PPI binden an unter-
schiedliche Areale der Protonenpumpe
(17). Pantoprazol bindet zum Beispiel an
tiefer gelegene Cysteinmoleküle in der
Pumpe. Diese sind für Glutathion nicht
oder schlechter zugänglich (18). Klinische
Ergebnisse zu Pantoprazol zeigen eine bis
zu 95-prozentige Beschwerdefreiheit bei
Refluxpatienten sowohl tags als auch
nachts (19). Ein Vergleich mit einem ande-
ren PPI in gleicher Dosierung (40 mg)
zeigte eine etwa doppelt so schnelle Sym-
ptombefreiung bei Tag und insbesondere
auch bei Nacht (20).
q
Literaturangaben: 1. Fitton A., Wiseman L.: Pantoprazole. A review of its pharmacological properties and therapeutic use in acid-related disorders. Drugs 1996; 51: 460–482. 2. Spencer C.M., Faulds D.: Esomeprazole. Drugs 2000; 60: 321–331. 3. Plein K., Hotz J., Wurzer H., Fumagalli I., Lühmann R., Schneider A.: Pantoprazole 20 mg is an effective maintenance therapy for patients with gastrooesophageal reflux disease. Eur J Gastroenterol Hepatol 2000; 12: 425–432. 4. Klinkenberg-Knol E.C., Nelis F., Dent J., Snel P., Mitchell B., Prichard P., Lloyd D., Havu N., Frame M. H., Roman J., Walan A., Group L.T.: Long-term omeprazole treatment in resistant gastroesophageal reflux disease: efficacy, safety, and influence on gastric mucosa. Gastroenterology 2000; 118: 661–669. 5. Hirschowitz B.I., Keeling D., Lewin M., Okabe S., Parsons M., Sewing K., Wallmark B., Sachs G.: Pharmacological aspects of acid secretion. Dig Dis Sci 1995; 40: 3–23. 6. Chiverton S.G., Howden C.W., Burget D.W., Hunt R.H.: Omeprazole (20 mg) daily given in the morning or evening: a
comparison of effects on gastric acidity, and plasmagastrin and omeprazole concentration. Aliment Pharmacol Ther 1992; 6: 103–111. 7. Müssig S., Witzel L., Lühmann R., Schneider A.: Morning and evening administration of pantoprazole: a study to compare the effect on 24-hour intragastric pH. Eur J Gastroenterol Hepatol 1997; 9: 599–602. 8. Sanders S.W., Tolman K.G., Greski P. A., Jennings D.E., Hoyos P.A., Page J.G.: The effects of lansoprazole, a new H+, K(+)ATPase inhibitor, on gastric pH and serum gastrin. Aliment Pharmacol Ther 1992; 6: 359–372. 9. Blair A.J., Feldmann M., Barnett C., Walsh J.H., Richardson C.T.: Detailed comparison of basal and food-stimulated gastric acid secretion rates and serum gastrin concentrations in duodenal ulcer patients and normal subjects. J Clin Invest 1987; 79: 582–587. 10. National Disease and Therapeutic Index: IMS HEALTH, Plymouth Meeting, Pa 1999. 11. Postius S., Brauer U., Kromer W.: The novel proton pump inhibitor pantoprazole elevates intragastric pH for a prolonged period when administered under conditions of stimulated gastric acid secretion in the gastric fistula dog. Life-Sci 1991; 49: 1047–1052.
Prof. Dr. med. Winfried Beil Medizinische Hochschule Hannover
Institut für Pharmakologie Carl-Neuberg-Str. 1 D-30625 Hannover
E-Mail: Beil.Winfried@MH-Hannover.de
Interessenkonflikte: keine deklariert
Die Übernahme des Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung aus dem «Allgemeinarzt» 3/2003.
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