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Aktuelle Behandlungsstrategien bei Akne
CLAUDIA BORELLI
Je nach Art und Schweregrad der Akne kommen verschiedene Therapien zum Einsatz: Bei einer leichten Akne gilt die topische Therapie als Standard. Bei stark entzündlicher Akne ist zusätzlich eine systemische Therapie mit Antibiotika angezeigt, und bei schwerer Akne ist der Einsatz von Isotretinoin sinnvoll. Ausserdem: Als wirksam hat sich bei stark entzündlicher Akne auch die Bestrahlung mit Blaulicht erwiesen.
Die Akne stellt eine der häufigsten Erkrankungen in der Dermatologie dar. Zwar tritt Akne üblicherweise mit dem Beginn der Pubertät auf und wird im Rahmen der hormonellen Umstellung von der kindlichen Hormonlage auf jene erwachsener Männer und Frauen als geradezu normal angesehen, aber sie kann auch schon in der Kindheit auftreten. Pathophysiolo-
gisch handelt es sich um eine chronischentzündliche Erkrankung der Talgdrüsenfollikel. Klinisch werden Komedonen – offen oder geschlossen –, Papeln, Pusteln und zum Teil Fistelgänge und Zysten beobachtet, die vor allem in den seborrhoischen Hautarealen wie Gesicht, Décolleté und Rücken auftreten. Die Ausprägung der Akne ist von Patient zu Patient verschieden. Vom behandelnden Arzt müssen zunächst die vorliegende Form der Akne diagnostiziert und der Schweregrad des Hautbefalls eingeschätzt werden. Bei den jeweiligen Akneformen stehen unterschiedliche Probleme im Vordergrund, und die Therapie sollte deshalb unterschiedlich ansetzen.
Formen der Akne in der Kindheit
In der Kindheit treten zwei Formen der Akne auf, die Acne neonatorum ab oder kurz nach der Geburt und die Acne infantum zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensmonat (Abbildung 1). Besonders wichtig ist nach Diagnosestellung die Aufklärung der Eltern. Die Pathogenese der Acne neonatorum sowie Acne infantum ist weit gehend ungeklärt. Die Ursache wird allerdings heute mehr im kindlichen hormonellen Milieu selbst, als in den Einflüssen durch das mütterliche Hormonmilieu vermutet. Bei der Geburt oder in den ersten sechs bis zwölf Monaten des Lebens haben männliche Babys frühe Pubertätsspiegel von luteinisierendem Hormon (LH) und Testosteron. Sowohl bei Mädchen wie Jungen ist die neonatale adrenale Drüse hyperaktiv. Obwohl Mädchen wie Jungen eine adrenale Beteiligung bei ihren erhöhten Androgenspiegeln haben, zeigen Jungen zusätzlich die testikuläre Produktion von Androgenen
und sind deshalb anfälliger für eine neonatale und infantile Akne. Die Therapie der Acne neonatorum ist eher zurückhaltend zu gestalten, da diese Akneform selbstlimitierend abheilt. Bei leichten Fällen von Acne neonatorum wird nicht therapiert. Die Aufklärung der Eltern im Rahmen eines therapeutischen Gespräches ist hier besonders wichtig. Wenn es allerdings nötig erscheint, sollte mit topischen Retinoiden oder Keratolytika behandelt werden. Wegen der Gefahr einer potenziellen Resorption wird Clindamycin nicht topisch angewendet. Die Acne infantum ist therapeutisch allerdings als ein wesentlich grösseres Problem anzusehen. Die Therapie der Acne infantum umfasst Komedolytika wie Adapalen, Isotretinoin oder Tretinoin, sowie zusätzlich Benzoylperoxid oder Erythromycin. Orale Antibiotika, insbesondere Erythro-
Abbildung 1: Acne infantum
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mycin, können notwendig sein, um den Hautbefund unter Kontrolle zu bringen. Tetracycline oral müssen vermieden werden, da sie eine permanente Zahnverfärbung bedingen können. Bei tiefen inflammatorischen Läsionen können auch intraläsionale Steroide notwendig werden. Das Aufklärungsgespräch mit den Eltern ist bei dieser Form der kindlichen Akne von entscheidender Bedeutung. Die Eltern müssen informiert werden, dass es zu einem prolongierten Verlauf der Erkrankung kommen kann. Therapeutisch stellt die Acne infantum eine problematische Erkrankung dar. Sie kann in manchen Fällen auch bis zur Pubertät persistieren und dann in eine Pubertätsakne übergehen.
Akne in der Pubertät und im Erwachsenenalter
Topische Therapie Zunächst sind Patienten über geeignete Hautreinigung und Hautpflege zu beraten. Viele Patienten des seborrhoischen Hauttyps, insbesondere Frauen, betreiben eine zu fetthaltige Hautpflege, die selbst schon komedogen wirkt. Ansonsten ist bei einer leichten Form der Akne auf eine konsequente Durchführung einer lokalen Therapie zu achten. Zur Verfügung stehen benzoylperoxidhaltige Waschlotionen in Kombination mit retinoidhaltigen Externa. Den Patienten wird zur Abdeckung der Hautveränderungen, sofern diese gewünscht wird, eine Kombination von flüssigem Puder und benzoylperoxidhaltigen Abdeckcremes empfohlen. Auf herkömmliches Make-up muss verzichtet werden.
Systemische Therapie – Antibiotika Bei Patienten mit einer stark entzündlichen Akne – Acne papulopustulosa – ist eine orale Einnahme von Minocyclin oder Doxycyclin in der Dosierung 50 mg zweimal täglich für die Dauer von etwa sechs Wochen, zusätzlich zu obig genannter Lokaltherapie, zu empfehlen. Über die Nebenwirkungen dieser Antibiotikumeinnahme bei Sonnenexposition (Hyperpigmentierungen) sowie bei Einnahme zu-
Abbildung 2: Patient mit Acne conglobata und Heterozygotie für ein adrenogenitales Syndrom während oraler Therapie mit Methylprednisolon und Isotretinoin
sammen mit Milch sind die Patienten aufzuklären. Ebenso sollten die Patienten über die mögliche Verschlechterung nach dem Absetzen der oralen Therapie informiert werden. Das Verständnis für den Stellenwert der Therapie wird gefördert, wenn man von «Antibiotika-Kur» spricht; dem Patienten ist dann klar, dass so eine Behandlung öfters durchgeführt werden kann oder muss. Bei Acne conglobata und zu Beginn einer Behandlung von Acne fulminans sollten zeitweise für eine Behandlungsdauer von ungefähr zwei Wochen Makrolidantibiotika eingesetzt werden.
Bestimmung des Hormonstatus Bei Patienten mit schwerer Akne (wie Acne comedonica oder conglobata) sollte ein ACTH-Test zur Abklärung der Heterozygotie eines adrenogenitalen Syndroms erfolgen. Der ACTH-Test muss bei Frauen in den ersten acht Zyklustagen der Menstruation durchgeführt werden, da der Test hormonellen Schwankungen unterliegt. Bei diesem Test wird den Patienten am Morgen zwischen acht und zehn Uhr ein Serumröhrchen venöses Blut abgenom-
Abbildung 3: Derselbe Patient nach Therapie mit Methylprednisolon und Isotretinoin
men und danach die Synacthen-Injektionslösung injiziert. Nach Ablauf einer Stunde wird erneut ein Röhrchen Serumblut abgenommen. Das erste Röhrchen zeigt die basalen Werte von 17-OH-Progesteron, Androstendion, DHEA-Sulfat und Cortisol, das zweite Röhrchen die stimulierten Werte, also den Anstieg dieser Hormone. In manchen Fällen haben die Patienten normale basale Werte, jedoch einen pathologischen Anstieg, in anderen Fällen sind sowohl die basalen wie auch die stimulierten Werte pathologisch. In diesen beiden Fällen liegt eine Störung des Androgenstoffwechsels in der Nebennierenrinde vor, insbesondere eine Heterozygotie für ein adrenogenitales Syndrom. Wenn Patientinnen ein Antikonzeptivum einnehmen, ist die Durchführung des ACTH-Tests auch möglich, allerdings müssen die Werte dahingehend interpretiert werden.
Systemische Therapie – Methylprednisolon und Isotretinoin Wird eine Heterozygotie für ein adrenogenitales Syndrom diagnostiziert, sollte
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eine Therapie mit Kortikosteroid oral (4 mg Methylprednisolon täglich oder jeden zweiten Tag) erfolgen, während einer Dauer von drei Monaten bis zu einem halben Jahr. Dies wird bei schwerer Akne mit der Einnahme von Isotretinoin oral in der Dosierung von 0,2–0,5 mg/kg Körpergewicht kombiniert (vgl. Abbildungen 2 und 3). Mit der Isotretinoineinnahme darf erst begonnen werden, wenn eine sichere Empfängnisverhütung gewährleistet ist. Die Patienten sind zum Erhalt der Compliance darüber aufzuklären, dass es in den ersten zwei bis drei Monaten einer Isotretinointherapie zu einer Verschlechterung des Hautbefundes kommen kann. Während der Isotretinoineinnahme sollten die Leber- und Blutfettwerte einmal monatlich kontrolliert werden, da es zu einer reversiblen Erhöhung dieser Werte kommen kann. Die Patienten, die unter einer Acne fulminans leiden, werden therapeutisch etwas anders behandelt als die übrigen Aknepatienten. Initial zu Therapiebeginn werden die Patienten oral mit einem Kortikosteroidstoss in der Dosierung von 1 mg Methylprednisolon/kg Körpergewicht behandelt. Hierbei wird die Maximaldosis lediglich für drei bis vier Tage verabreicht und danach die Kortikosteroiddosis langsam ausgeschlichen. Bei Gabe von 10 mg Steroid pro Tag kann einschleichend mit Isotretinoin in niedriger Dosis von 10 mg pro Tag begonnen werden. Die Isotretinoindosis kann dann nach ein bis zwei Monaten langsam gesteigert werden. In seltenen Fällen ist eine Kombination mit Dapson nötig, um eine dauerhafte Besserung des Hautbefundes zu erreichen. Das Dapson wird initial in der Dosierung 50 mg pro Tag verabreicht und kann dann langsam, falls nötig, auf die Dosis von 150 mg pro Tag gesteigert werden. Vor Gabe von Dapson ist eine Kontrolle der Glukose-6-Phosphatdehydrogenase nötig, sowie vor und während der Therapie eine regelmässige Kontrolle von Methämoglobin. Bei Patienten mit Acne comedonica ist eine Kombination von oraler Isotretinointherapie mit einer schälenden lokalen Therapie sinnvoll. Hier werden erfolgreich
retinoidhaltige Externa in Kombination mit Aknetoilette bei einer medizinischen Kosmetikerin eingesetzt.
Operative Therapie, Lasertherapie, Bestrahlungstherapie Zysten im Gesicht oder am Rücken müssen operativ in toto, also mit Zystenwand, exzidiert werden, damit sie nicht rezidivieren. Drainierende Sinus sollten nach Möglichkeit nicht inzidiert oder mit Kortikosteroidkristallsuspension unterspritzt werden, da es im ersten Fall zu unschönen Narben, im zweiten Fall zu Atrophie in den betroffenen Arealen kommen kann. Eine orale antibiotische Therapie kann, wenn ausreichend, zu ästhetisch schöneren Ergebnissen führen. Die typischen hypotrophischen und hypertrophischen Narben nach schwerer Akne können mittels Skinresurfacing mit dem Erbium-YAG-Laser deutlich verbessert werden. Geübte Kollegen erzielen auch mittels Dermabrasio gute Ergebnisse. Die bei oder nach schwerer Akne typischen Rötungen in den betroffenen Arealen können mit dem IPL (intense pulsed light) verbessert werden. Als neue Therapieoption steht die Bestrahlung der Akne mit Blaulicht zur Verfügung. Die Akne-Bestrahlungslampe Clearlight (Firma Lumenis) hat eine Wellenlänge von 407–420 nm, emittiert also sichtbares blaues Licht. Die Nebenwirkungen von UV-A- und UV-B-Strahlung sind also nicht gegeben, Nebenwirkungen von Blaulicht sind derzeit nicht bekannt. Die Besserung des Hautbefundes der Aknepatienten beruht auf einer Anregung bakterieller Porphyrine und der daraus folgenden Zerstörung der Propionibakterien. Als Wirkmechanismus wird die Bildung von freien Sauerstoffradikalen diskutiert. Die für die Bestrahlungstherapie geeignete Akneform ist insbesondere die Acne papulopustulosa, also die entzündliche Form der Akne. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Therapie mit Blaulicht eine viel versprechende und interessante neue Therapieoption für die Behandlung der Akne darstellt.
Abschliessend lässt sich noch erwähnen, dass natürlich insbesondere bei Aknepatienten eine gute Patientenführung und eine Vertrauensbasis vom Patienten zum behandelnden Arzt sehr wichtig sind. q
Literatur: Placzek M, Degitz K, Schmidt H, Plewig G. (1999): Acne fulminans in late-onset congenital adrenal hyperplasia. Lancet 354: 739–740. Plewig G, Kligman AM: Acne and Rosacea. Springer. 2000 (3. Ausgabe).
Korrespondenzadresse: Dr. med. Claudia Borelli Klinik und Poliklinik für Dermatologie
und Allergologie Ludwig-Maximilians-Universität
Frauenlobstrasse 9–11 D-80337 München
E-Mail: c.borelli@lrz.uni-muenchen.de
Service
Buch: «Akne – Ein Ratgeber für Patienten.» Monika Harms. Karger. 1997. Fr. 20.–. ISBN: 3-8055-6457-0. Der Ratgeber liefert umfassende Informationen zum Thema, von der Pathogenese über die Behandlungsmöglichkeiten bis zu praktischen Verhaltensregeln für den alltäglichen Umgang mit der Akne. Mittels Illustrationen werden physiologische Abläufe des Krankheitsprozesses anschaulich erklärt. Die Autorin beschreibt zudem, wie die einzelnen medikamentösen Therapieformen wirken und unter welchen Bedingungen sie sich eignen. Themen wie «Schwangerschaft» oder «Narben» in Zusammenhang mit Akne kommen ebenfalls zur Sprache.
Patientenorganisation: Akne-Gesellschaft Schweiz, Postfach, 4153 Reinach Tel. 061-715 44 40, Fax 061-715 42 70 Internet: www.dermanet.ch/akne.html
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