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ÜBERSICHT q APERÇU
Chronische Hepatitis C
Die Kombinationstherapie hilft mindestens jedem zweiten Patienten
POSTGRADUATE MEDICINE
Dank der Kombinationsthera-
pie mit Interferon alpha und
Ribavarin kann heute bei
mindestens jedem zweiten
Patienten mit chronischer
Hepatitis C eine andauernde
Viruselimination erzielt wer-
den. Über die Indikationen zur
Therapie berichten Keyur
Patel und John G. McHutchinson
in «Postgraduate Medicine».
Die chronische Hepatitis C ist eine recht weit verbreitete Virusinfektion. Die Prävalenz soll etwa 1 bis 1,5 Prozent betragen. Die Infektion erfolgt durch kontaminiertes Blut oder Injektionsmaterial, eine Übertragung beim Geschlechtsverkehr wird für möglich gehalten, dürfte aber allenfalls einen Ausnahmefall darstellen. Die Übertragungswahrscheinlichkeit bei einer Bluttransfusion scheint äusserst gering. Normalerweise erkranken nur 10 bis 20 Prozent der Infizierten akut. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung zunächst stumm. Bei etwa 60 bis 80 Prozent geht die Infektion schliesslich in eine chronische Hepatitis über, bei ungefähr 20 Prozent führt der Weg nach zwei bis vier Jahrzehnten in die Leberzirrhose oder
zum hepatozellulären Karzinom. In der Schweiz rechnet man übrigens mit 50 bis 80 Hepatitis-C-Fällen pro Jahr, häufig sind Drogenkonsumenten betroffen. Die Diagnose der chronischen HCV-Infektion beruht neben den erhöhten Transaminasewerten vor allem auf den Antikörpern gegen HCV oder der viralen Ribonukleinsäure im peripheren Blut. Die Transaminasewerte zeigen nur eine geringe Korrelation zum Fibrosegrad der Leber, welcher aber prognostisch besonders bedeutsam ist.
Die therapeutischen Optionen
Ziel der Therapie ist es, das Fortschreiten zum Leberversagen durch Eliminierung der HCV zu verhindern. Standardtherapie mit den besten Erfolgsaussichten ist heute die Kombinationstherapie von Interferon alpha plus dem Guanosinanalogon Ribavarin (Rebetol®). Heute werden zumeist Peg-Interferone bevorzugt. Dabei handelt es sich um Interferon alpha, an das eine Polyethylenkette gekoppelt ist. Peg-Interferone (PegIntron®, Pegasys®) sind dadurch weniger immunogen bei zehnfach verlängerter Halbwertzeit (40 Stunden). Sie müssen nur einmal wöchentlich injiziert werden. Wegen des gleich bleibenden Wirkspiegels kann ein maximaler virussupprimierender Effekt erzielt werden. Es gibt Unterscheide zwischen den beiden Peg-Interferonen, allerdings ist nach Angaben der Autoren von einer ähnlichen Wirksamkeit auszugehen. Insgesamt ist unter der Kombinationstherapie mit Heilungschancen von 50 bis 60 Prozent zu rechnen. Bei den meisten dieser Patienten sinken die HCV-Werte innerhalb von zwölf Wochen unter die Nachweisgrenze. Verschiedene Faktoren sind für das virolo-
Merk-
sätze
q Eine Hepatitis-C-Infektion wird derzeit mit einer Kombination aus (Peg)-Interferon und Ribavarin behandelt.
q Die Behandlung ist bei 50 bis 60 Prozent wirksam. Die Erfolgschancen hängen unter anderem vom HCV-Genotyp ab.
gische Ansprechen der Therapie von Bedeutung. Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 2 oder 3 haben eine günstige Prognose. HCV vom Genotyp 1 und 4 lassen eine schlechtere Response erwarten. Wenn eine Therapie bei vorhandenem Genotyp 1 nach zwölf Wochen nicht anschlägt, sollte die Therapie wegen fehlender Erfolgschancen abgebrochen werden. Günstige Prognosefaktoren sind ausserdem: Alter unter 40 Jahre, weibliches Geschlecht, niedrige anfängliche Virustiter und geringfügige Lungenfibrose. Die Therapie gilt als erfolgreich, wenn 24 Wochen nach Ende der Therapie im Serum kein HCV nachweisbar ist. Ein solches Ansprechen geht meist mit einer Normalisierung der Alaninaminotransferase einher, die Inflammation bessert sich und die Prognose ebenso. Wahrscheinlich hält der Effekt bei 95 Prozent der Responder fünf bis zwölf Jahre an. Ob die Überlebenszeit tatsächlich verlängert wird, ist noch nicht klar.
Wer soll behandelt werden?
Die meisten Patienten kommen für eine Therapie in Betracht, nicht nur die mit
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ÜBERSICHT q APERÇU
Chronische Hepatitis C
Ta b e l l e :
Kontraindikationen für die Kombinations-
therapie
(Peg-)Interferon alpha q dekompensierte Lebererkrankung q Autoimmunhepatitis q schwere neuropsychiatrische
Erkrankung q instabile KHK q instabile Epilepsie q schlecht eingestellter Diabetes
Ribavarin q Anämie q Hämoglobinopathien q KHK q zerebrovaskuläre Krankheiten q Schwangerschaft q Verweigerung einer Kontrazeption q chronische Niereninsuffizienz
einer günstigeren Prognose. Allerdings muss die Entscheidung zur Behandlung individuell getroffen werden. Dabei spielen die Krankheitsprogression, der allgemeine Gesundheitsstatus und Risiko-Nutzen-Aspekte eine Rolle. Die Präsenz der typischen Infektionssymptome wie Müdigkeit, Schwäche und abdominelle Beschwerden allein ist kein Argument für die Therapie. Im Allgemeinen wird Patienten zur Behandlung geraten, wenn ein messbarer HCV-Spiegel im Serum vorhanden ist und wenn histologisch mindestens eine portale Fibrose und eine mittelgradige Entzündung nachweisbar sind. Zudem muss der Patient motiviert sein, denn die Therapie ist teuer und nicht ohne Nebenwirkungen. Diskutiert wird immer noch, ob Patienten mit normalen Transaminasewerten, geringer Lebererkrankung oder aber bereits bestehender Leberzirrhose für die Therapie geeignet sind. Dieselbe Frage stellt sich bei Alkoholkranken. Normale Alanintransferase-Werte korrelieren nicht mit der Schwere der Erkrankung und der Prognose. 30 Prozent der
Infizierten haben gar normale Werte. Die meisten dieser Patienten haben eine leichte Erkrankung. Das Ansprechen der Therapie ist übrigens unabhängig vom ALT-Level. Die Autoren empfehlen, bei diesen Patienten zur Therapieentscheidung zusätzliche Faktoren in Betracht zu ziehen, wie etwa HCV-Genotyp, Alter, Patientenmotivation und Komorbidität. Patienten ohne Fibrose und mit geringer Entzündung im Biopsiematerial haben zumeist eine geringe Krankheitsprogression zu erwarten. Die meisten benötigen deshalb keine Therapie. Gleichwohl sind regelmässige Kontrollen alle sechs bis zwölf Monate angezeigt; Leberbiopsien sind alle drei bis fünf Jahre angeraten. Patienten mit stabiler oder kompensierter Leberzirrhose können therapiert werden, müssen aber gut überwacht werden. Bei dekompensierter Zirrhose ist die Inteferontherapie gefährlich, hier hilft höchstens eine Lebertransplantation.
Nebenwirkungen der Kombinationstherapie
Grippeähnliche Symptome treten bei der Hälfte der Patienten auf – sechs bis acht Stunden nach der Injektion von Interferon –, die eine syptomatische Behandlung mit Analgetika erforderlich machen. Lokale Injektionsreaktionen erfordern keine Dosisreduktion, scheinen aber unter den wöchentlich applizierten Peg-Interferonen häufiger zu sein. Chronische Nebeneffekte sind Müdigkeit, Kopfschmerzen, Angst und Konzentrationsprobleme. Die Beschwerden können vorübergehend sein und sind gewöhnlich 12 bis 24 Stunden nach Injektion am stärksten. Viele Nebenwirkungen sind dosisabhängig und erfordern keinen Therapieabbruch. Ribavarin verursacht relativ häufig Nebenwirkungen. Im Zentrum steht dabei die intravasale Hämolyse, unter der es zu einem Abfall des Hämatokrits kommt. Kritisch sind vor allem die ersten acht Wochen, in denen engmaschige Laborkontrollen erforderlich sind. Als Folge der Nebenwirkungen brechen etwa 5 bis 10 Prozent der Patienten die Behandlung ab,
bei etwa 10 bis 20 Prozent muss die Dosis von Interferon alpha oder Ribavarin wegen der Nebeneffekte gesenkt werden. Ernsthafte Arzneimittelnebenwirkungen sind bei 1 bis 2 Prozent zu erwarten. Hierzu gehört etwa die Exazerbation einer psychiatrischen Erkrankung. Einige relative Kontraindikationen sind in der Tabelle aufgeführt.
Was tun bei Therapieversagen?
Bei Patienten, die auf die Initialtherapie
mit Interferon alpha und Ribavarin nicht
angesprochen haben, kann ein zweiter
Versuch mit Peg-Interferon alpha versucht
werden. Etwa 10 Prozent erreichen damit
eine anhaltende Viruselimination.
Patienten mit einem Rückfall oder einer
Infektion mit dem HCV vom Genotyp 2
oder 3 oder früherer Interferon-Monothe-
rapie haben eine grössere Wahrscheinlich-
keit auf einen Therapieerfolg bei wieder-
holter Behandlung.
Bei Patienten mit einer leichten Fibrose,
die nicht auf die Interferontherapie ange-
sprochen haben, besteht ein geringes Ri-
siko einer Krankheitsprogression. Hier gilt
es, den Patienten weiter regelmässig zu
beobachten. Nonresponder mit fortge-
schrittener Fibrose oder Zirrhose können
möglicherweise von einer Low-dose-
Erhaltungstherapie profitieren. Dies wird
gerade in drei grossen Multizenterstudien
untersucht.
q
Keyur Patel und John G. McHutchinson: Current therapies for chronic hepatitis C. Drug combination achieves sustained response in more than half of patients. Postgraduate Medicine 2003; 114: 48–59.
Uwe Beise
Interessenlage: Die Autoren geben Beratertätigkeiten für zahlreiche Firmen an.
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