Transkript
ÜBERSICHT q APERÇU
Akute Cholezystitis
Krankheitsbild und Therapie
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Patienten mit Verdacht auf
eine akute Cholezystitis soll-
ten umgehend ins Kranken-
haus eingewiesen werden.
Eine kurze Zusammenfassung
zur Diagnostik und Therapie
dieser Erkrankung geben
Adrian Indar und Ian Becking-
ham im «British Medical
Journal».
Die akute Cholezystitis wird in den meisten Fällen durch Gallensteine ausgelöst. Gallensteine finden sich bei etwa 10 Prozent der Bevölkerung in den Industrienationen. Allerdings bleiben sie mehrheitlich ohne Folgen – 80 Prozent der Steinträger sind asymptomatisch, nur bei 1 bis 3 Prozent der Betroffenen kommt es zu einer akuten Erkrankung.
Wie entsteht eine Cholezystitis? Mehr als 90 Prozent der Cholezystitisfälle resultieren aus einer Obstruktion des Gallengangs oder durch einen biliären Bodensatz (sludge) am Gallenblasenhals. Infolge der Obstruktion des Ductus cysticus erhöht sich der intraluminale Druck in der Gallenblase. Dies löst – zuammen mit der
cholesterinübersättigten Galle – die Entzündung aus. Bei jedem fünften Patienten findet zudem eine sekundäre Besiedlung mit Darmkeimen (E. coli, Klebsiella und Streptococcus faecalis) statt. Der billiäre «sludge» führt im Normalfall zwar kaum je zu Symptomen, kann allerdings auch direkt eine Entzündung hervorrufen.
Klinische Symptome und Diagnostik
Die akute Cholezystitis gibt sich durch die Entzündungszeichen im rechten Oberbauch zu erkennen (Abbildung). Die akute Cholezystitis lässt sich von der Gallenkolik unterscheiden durch den andauernden Schmerz und das klassische Murphy-Zeichen. Patienten mit akuter Cholezystitis können anamnestisch Gallenkoliken aufweisen, genauso aber bis zu dem akuten Ereignis völlig beschwerdefrei gewesen sein. Bei schwerer Cholezystitis besteht eine leichter Ikterus, der durch Infiltration und Ödem des Gallengangtrakts und direkten Druck auf die Gallenblase ausgelöst wird. Alle Patienten mit Verdacht auf eine akute Cholezystitis sollten in ein Spital eingewiesen werden. Die Ultraschalluntersuchung ist das Diagnoseverfahren der Wahl. Mit der Sonografie lassen sich Gallensteine und allenfalls eine ödematös verdickte Gallenblasenwand darstellen. Die Farb-Dopplersonografie zeigt hyperämischen pericholezystitischen Blutfluss und akute Entzündung. Die biliäre Szintigrafie ist hilfreich, wenn nach Sonografie Zweifel an der Diagnose bleiben.
Therapie
Die meisten Patienten mit einer akuten Cholezystitis lassen sich zunächst konser-
Merk-
sätze
q Die akute Cholezystitis wird zumeist durch Gallensteine ausgelöst.
q Die Akuttherapie besteht in Fasten, Flüssigkeitszufuhr und Analgetika.
q Die frühzeitige Cholezystektomie ist der späteren «Intervall-Operation» vorzuziehen.
vativ behandeln, worauf die Gallensteine günstigenfalls in die Gallenblase zurückkehren. Ist dies nicht der Fall, können Komplikationen auftreten wie eine Gangrän oder ein Empyem der Gallenblase. Die initiale Behandlung besteht in der Gabe von nichtsteroidalen Entzündungshemmern i.m. oder per rectum und eines Opioid-Analgetikums. Auch Rehydratation durch intravenöse Flüssigkeitszufuhr und Sauerstoff können als Erstmassnahmen angezeigt sein. Die Autoren empfehlen zur Entzündungshemmung und Linderung der kontraktilen Dysfunktion Indometacin (z.B. Bonidon® 25 mg 3 x/Tag über eine Woche). Die prokinetische Wirkung von Indometacin kann auch die postprandiale Entleerung der Gallenblase bei Gallensteinpatienten erleichtern. Mit einer Einzeldosis Diclofenac (z.B. Voltaren® 75 mg) kann man bei Patienten mit symptomatischen Gallensteinen versuchen, das Fortschreiten zu einer akuten Cholezystitis aufzuhalten. Wegen des Risikos der Superinfektion ist zugleich die intravenöse Antibiotikagabe angezeigt,
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Akute Cholezystitis
Konstanter Schmerz im rechten oberen abdominalen Quadranten (> 12 h)
Diagnose der akuten Cholezystitis
Druckschmerz im rechten Oberbauch (mit/ohne Murphy-Zeichen und palpablem Tumor)
Entzündungszeichen (Fieber, Leukozytose, C-reaktives Protein, BSG erhöht)
Abbildung: Klinische Zeichen der akuten Cholezystitis. Die Diagnose wird gestellt, wenn alle Punkte des diagnostischen Triangels erfüllt sind.
geschlagen hat. Nach der Perforation können die Patienten vorübergehend sogar eine Erleichterung verspüren, ehe sich dann eine Peritonitis ausbildet. Die Mortalität bei einer freien Perforation beträgt 30 Prozent, oft liegt aber eine lokalisierte Perforation vor. Im CT ist der Befund gut zu sichern.
Ileus/Fistel Als Folge der akuten Entzündung der Gallenblase kann diese mit benachbarten Darmschlingen verkleben und sich eine Fistel bilden. Oft sind ältere Menschen betroffen. Gelangen grosse Gallensteine durch die Fistel, kann dies einen Ileus hervorrufen. Die Therapie ist chirurgisch.
wenn sich die Symptomatik nicht innerhalb von 12 bis 24 Stunden verbessert. Dabei kommen neuere Cephalosporine zum Einsatz (z.B. Cefuroxim, Zinacef®/ oder Zinat® 1,5 g alle 6–8 h) gemeinsam mit Metronidazol (z.B. Arilin® 500 mg alle 8 h). Nichtoperative Therapien mit dem Ziel, die Gallensteine aufzulösen, etwa die extrakorporale Schallwellenlithotripsie oder die Therapie mit Ursodesoxycholsäure, können bei ausgewählten Gallensteinpatienten versucht werden, bei einer akuten Cholezystitis sind sie nicht angezeigt.
Cholezystektomie
Ungefähr 20 Prozent der Patienten müssen sofort operiert werden, weil sich bei ihnen der Zustand rapid verschlechtert, also eine generalisierte Peritonitis entsteht oder sich eine empyematische Cholezystitis entwickelt. Dies deutet auf eine Gangrän oder Perforation. Wann bei den übrigen 80 Prozent eine Operation erfolgen sollte, wird derzeit noch diskutiert. Die offene Cholezystektomie wird traditionell sechs bis zwölf Wochen nach dem akuten Ereignis durchgeführt, also im Intervall nach Abklingen der Entzündung. Allerdings haben Patienten,
die früh laparaskopisch cholezystektomiert werden, tiefere Komplikationsraten und kürzere Krankenhausliegezeiten. Die perkutane Cholezystostomie ist minimal invasiv und kann bei Patienten mit schwerer Komorbidität und hohem Operationsrisiko angezeigt sein. Der Eingriff bessert den Zustand bei drei Viertel der Behandelten. Die Mortalität hängt von den Begleiterkrankungen und bestehender Sepsis ab. Die Gallenblase kann nach Cholezystostomie später operativ entfernt werden.
Komplikationen
Gangrän Eine gangränose Cholezystitis tritt in 2 bis 30 Prozent der Fälle auf. Männer über 50 Jahre mit einer kardiovaskulären Krankheit und Leukozytose (> 17 000 Leukozyten/ml) haben das höchste Risko. Bei Hochrisikopatienten sollte eine frühzeitige laparoskopische Cholezystektomie erwogen werden.
Gallenblasenperforation Die Gallenblase ist bei fast 10 Prozent bereits perforiert – vor allem bei Patienten, die erst sehr spät zum Arzt gehen oder bei denen die konservative Therapie nicht an-
Nichtsteinbedingte Cholezystitis
Die akute nicht durch einen Gallenstein
ausgelöste Cholezystitis ist eine lebensbe-
drohliche Erkrankung. Sie macht 5 bis 14
Prozent aller Gallenblasenentzündungen
aus. Die Mortalität ist mit 50 Prozent
hoch. Sie tritt am ehesten auf bei Patien-
ten mit schweren Traumen oder Verbren-
nungen sowie bei Patienten mit aus-
schliesslich parenteraler Ernährung, Sepsis,
Diabetes, systemischer Vaskulitis oder
akutem Nierenversagen und Aids. Über
70 Prozent haben eine Atherosklerose,
was die hohe Prävalenz bei alten Männern
mit erklären mag.
Die Diagnosefindung ist nicht immer ein-
fach und bedarf manchmal einer ge-
wissen Intuition. Ultraschall ist das Dia-
gnoseverfahren der Wahl. Alternativ zur
Operation kann auch die perkutane Cho-
lezystostomie erwogen werden.
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Adrian A. Indar, Ian J. Beckingham: Acute cholecystitis. BMJ 2002; 325: 639–643.
Uwe Beise
Interessenkonflikte: keine deklariert
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