Transkript
STUDIEq ÉTUDE
Kombination von niedrig dosierten Antihypertensiva
Eine Metaanalyse zeigt Vorteile einer solchen Hochdrucktherapie
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Eine Metaanalyse hat erge-
ben, dass die Kombination
von zwei Antihypertensiva in
geringer Dosierung eine wirk-
same und verträgliche Alter-
native in der Therapie von
Hypertonikern bedeutet.
In die Hypertonietherapie ist Bewegung gekommen – nicht so sehr, weil neue Substanzen auf den Markt gekommen wären, sondern weil angesichts zahlreicher Studien sowie unterschiedlicher Interpretationen und Gewichtungen derselben gewisse Meinungsunterschiede offenbar geworden sind. Sie schlagen sich auch in den verschiedenen zuletzt publizierten Richtlinien nieder. Hier spielt sicher die ALLHAT-Studie eine Rolle, aus der bekanntlich das Thiazid-Diuretikum Chlorthalidon mit einem kleinen Vorsprung gegenüber den Vertretern anderer Antihypertensiva hervorging. Das hat dazu geführt, dass die amerikanischen Guidelines des Joint National Committes (JNC 7, ARS MEDICI berichtete in Ausgabe 17/03) Thiazid-Diuretika im Normalfall als Erstes eingesetzt wissen wollen. Erst wenn diese Therapie sich als unzureichend erweist – was häufig der Fall sein dürfte – soll ein zweites oder gar drittes Antihypertensivum hinzugefügt werden. Lediglich bei hohem Ausgangsblutdruck empfehlen die Amerikaner sofort eine Kombinations-
therapie. Die neuen europäischen Guidelines (vgl. ARS MEDICI 17/03) lassen demgegenüber dem Therapeuten die Wahl zwischen einer initialen Monotherapie in niedriger Dosis oder einer Kombinationstherapie. Auch die Schweizer Guidelines favorisieren eine niedrig dosierte Kombinationstherapie vor einer hoch dosierten Monotherapie.
Niedrig dosierte Kombination ist überlegen
Dass eine niedrig dosierte Kombinationstherapie die überlegene Wahl ist, zu diesem Ergebnis ist auch eine grosse Metaanalyse gekommen, die jüngst im «British Medical Journal» veröffentlicht wurde. Dabei gehen die Autoren M.R. Law et al. von folgendem Erkenntnisstand aus: «Ob Kombinationen von Antihypertensiva routinemässig eingesetzt werden sollten, ist bislang unklar», schreiben sie. Um diese Frage zu beantworten, führten sie eine Metaanalyse durch. Dazu wählten sie 354 Studien mit 791 Behandlungsgruppen aus, in denen die Antihypertensiva Thiazide, Betablocker, ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten (A-II-Antagonisten) jeweils in unterschiedlichen Dosierungen verabreicht wurden. 40 000 Teilnehmer erhielten ein Verumpräparat, 16 000 ein Plazebo. Eingeschlossen waren hypertone Patienten, ungeachtet ihres Alters und der zugrunde liegenden Erkrankung.
Wirksamkeit addiert sich...
Dabei zeigte sich zunächst, dass es keine statistisch fassbaren Wirksamkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen Substanzklassen gab, weder in der Standarddosis noch in der halben oder doppelten
Merk-
sätze
q Die Wirksamkeit von Betablockern, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmern, Thiaziden und A-II-Antagonisten ist in etwa vergleichbar. Bei halber Dosis reduziert sich die Wirksamkeit um 20 Prozent.
q Die Kombination der Substanzen wirkt sich additiv aus, Nebenwirkungen addieren sich nicht.
q Die Kombinationstherapie von zwei oder drei Low-dose-Antihypertensiva ist nach Auffassung der Autoren die erste Therapieoption.
Standarddosis. Die billigsten Präparate waren so gut wie die teuersten, schreiben die Autoren. Bei halber Standarddosis war die Wirksamkeit um etwa 20 Prozent gegenüber der Standarddosis verringert. Bei höherem Ausgangsblutdruck war der Effekt grundsätzlich stärker ausgeprägt. In 50 Studien wurde die Kombination zweier Antihypertensiva verglichen. Dabei zeigte sich jeweils ein additiver Wirksamkeitseffekt. Die Autoren gehen davon aus, dass sich auch bei Dreifachkombination die Wirksamkeit summiert, entsprechende Studien gibt es allerdings bislang nicht. Berechnungen zufolge soll sich der Blutdruck systolisch um etwa 20 mmHG und diastolisch um 11 mmHg senken lassen, wenn drei Antihypertensiva in halber Standarddosis kombiniert werden.
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STUDIEq ÉTUDE
Kombination von niedrig dosierten Antihypertensiva
... Nebenwirkungen addieren sich nicht
Die Nebenwirkungen sind, wie die Metaanalyse bestätigt, bei Thiaziden, Betablockern und Kalziumantagonisten dosisabhängig. Es zeigte sich zugleich, dass Nebeneffekte unter Thiaziden und Kalziumantagonisten in der halben Standarddosis deutlich seltener waren (2,0/1,6%) als in der Standarddosis (9,9/8,3%). Betablocker verursachten Nebenwirkungen bei 5,5 Prozent in der halben Dosierung und bei 7,5 Prozent in der Standarddosis. Der für ACEHemmer typische Husten trat bei 4 Prozent auf, unabhängig von der Dosis. Bei den A-II-Antagonisten waren keine dosisabhängigen Unterschiede festzustellen. Die Prävalenz von Nebenwirkungen, die zum Therapieabbruch führten, betrug (unter Abzug der auch bei Plazebo aufgetretenen Nebenwirkungen) 0,8 Prozent bei Betablockern, 0,1 Prozent bei Thiaziden und ACE-Hemmern. Bei A-II-Antagonisten und halber Dosis von Kalziumantagonisten ergab sich gar kein Unterschied zu Plazebo.
Die metabolischen Effekte der Thiazide waren dosisabhängig. Der Anstieg des Serumcholesterins betrug 1 Prozent bei halber Dosis, 3 Prozent bei Standarddosis und 5 Prozent bei doppelter Standarddosis. Sie fiel besonders in der VLDL-Subfraktion auf, die kaum mit der Atherosklerose in Verbindung gebracht wird. Auch hinsichtlich der Blutglukose waren die Effekte schwach ausgeprägt. Der Kalium-Anstieg verlief ebenfalls moderat. Der festgestellte leichte Anstieg der Blutglukose bedeutet nach Studienlage offenbar kein erhöhtes Diabetesrisiko. Die metabolischen Effekte der anderen Präparate konnten in der Metaanalyse nur eingeschränkt ermittelt werden. Auffallend war, dass die Nebenwirkungsrate bei den Kombinationen mit 7,5 Prozent geringer ausfiel als es bei einem additiven Effekt zu erwarten gewesen wäre. Ein Antihypertensivum potenziert also keinesfalls die Nebenwirkungen eines zweiten. Insgesamt, so das Fazit der Autoren, addieren sich die Wirkungen mehrerer Antihypertensiva, die Nebenwirkungen jedoch nicht. Deshalb plädieren sie dafür,
Low-dose-Kombinationen als erste Therapieoption anzusehen. Bisher gibt es allerdings keine randomisierten Studien, in denen untersucht wurde, wie sich solche Kombinationstherapien auf die Inzidenz von KHK oder Schlaganfall tatsächlich auswirken. Dennoch geben sich die Autoren, auch unter Berücksichtigung von Kohortenstudien, optimistisch. Mit einer Dreifachkombination könne das Risiko eines Schlaganfalls um zwei Drittel und das einer ischämischen Herzerkrankung um die Hälfte reduziert werden, behaupten sie. q
M.R. Law et al.: Value of low dose combination treatment with blood pressure lowering drugs: analysis of 354 randomised trials. BMJ 2003; 326: 1427–1431.
Uwe Beise
Interessenkonflikte: Die Autoren haben ein Patent angemeldet für eine Kombinationspille, mit der vier kardiovaskuläre Risikofaktoren gleichzeitig bekämpft werden sollen. Die Metaanalyse wurde nicht gesponsert.
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