Transkript
HOT PAPERS
DOAK schlechter als Phenprocoumon?
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) wurden in den Zu-
lassungsstudien immer gegen den Vitamin-K-Antagonisten
(VKA) Warfarin getestet. In der Schweiz, in Deutschland und
in Australien wird jedoch mehrheitlich der VKA Phenprocou-
mon zur Gerinnungshemmung eingesetzt. Eine deutsche
Registerstudie legt nun nahe, dass Patienten unter einer
DOAK-Therapie eine signifikant höhere Gesamtmortalität
aufweisen als Patienten unter dem Vitamin-K-Antagonisten
(VKA) Phenprocoumon (Marcoumar®).
In die Auswertung flossen Daten von 570 137 Patienten
aus der Barmer Krankenkasse mit einer Gerinnungshem-
mertherapie: Apixaban 26,9%, Dabigatran 4,6%, Edoxa-
ban 8,8%, Rivaroxaban 39,1% und VKA 20,7% (davon
99,5% Phenprocoumon). Die Autoren analysierten die
Daten hinsichtlich Gesamtsterblichkeit, schwerer kardio-
vaskulärer und zerebrovaskulärer Ereignisse, schwerer
thromboembolischer und schwerer Blutungsereignisse.
Das Ergebnis zeigte eine 5-Jahres-Mortalität für Apixa-
ban von 22,7% (vs. VKA 12,7%), für Edoxaban von 19,5%
(vs. VKA 11,4%), für Rivaroxaban von 16% (vs. VKA 12,3%)
und für Dabigatran von 13% (vs. VKA 12,8%).
Die Studienautoren äussern aufgrund dieser Resultate
erhebliche Bedenken an der unreflektierten allgemeinen
Verwendung von DOAK bei einer Evidenz, die mit Warfarin
gewonnen wurde.
vh
Nachgefragt bei: Prof. Georg Noll, Herzklinik Hirslanden, Zürich
Wie ist dieses Resultat einzuordnen? Allem voran ist das eine retrospektive, nicht randomisierte Studie. An einen Unterschied zwischen Warfarin und Phenprocoumon, der ein solches Resultat erklären könnte, glaube ich nicht. Vielmehr glaube ich, dass Patienten unter einer Marcoumar®-Therapie von einer engmaschigeren Betreuung profitieren als Patienten unter DOAK. Denn Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA) werden monatlich von einem Arzt gesehen, um den INR zu überprüfen. Unter einem DOAK ist das nicht nötig. Das heisst, ein DOAK-Patient sieht seinen Arzt vielleicht nach einem Jahr zur Verlängerung des Rezepts. Dabei fallen andere Verschlechterungen während dieser Zeit möglicherweise unter den Tisch. Ich bin mir sicher, dass die häufigeren Konsultationen zu einem besseren Überleben führen. Meiner Meinung nach ist nicht der Unterschied der Therapien, sondern der Unterschied in der Betreuung der Grund für dieses Ergebnis.
Quelle: Engelbertz C et al.: Apixaban, edoxaban and rivaroxaban but not dabigatran are associated with higher mortality compared to vitamin-K antagonists: A retrospective German claims data analysis. J Intern Med. 2024;296(4):362-376. doi:10.1111/joim.20006
SGLT2-Hemmer: Diabetesprävention bei Herzinsuffizienzpatienten
Patienten mit Herzinsuffizienz haben ein höheres Risiko,
Diabetes zu entwickeln, verglichen mit der allgemeinen Be-
völkerung. Treten beide Erkrankungen zusammen auf, ad-
diert sich das Risiko für Tod, Behinderung, Multimorbidität,
Polypharmazie. Die Prävention oder Verzögerung von Diabe-
tes ist bei dieser Patientengruppe daher eine wichtige Priori-
tät. Inwieweit SGLT2-Hemmer bei Patienten mit Herzinsuf-
fizienz bzw. bei Patienten mit kardiovaskulären und Nieren-
erkrankungen eine Diabetesneuerkrankung verhindern oder
verzögern können, war Fragestellung einer Metaanalyse.
Dazu wurden die gepoolten Daten der DAPA-HF- und der
DELIVER-Studie und weiteren randomisiert kontrollierten
SGLT2-Hemmer-Studien in diesen Indikationen analysiert.
In der gepoolten Analyse von DAPA-HF und DELIVER mit
5623 Teilnehmern mit Herzinsuffizienz, aber ohne Diabe-
tes zu Studienbeginn, reduzierte Dapagliflozin die Inzidenz
von neu auftretendem Diabetes um 33% (Hazard Ratio [HR]:
0,67; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,49–0,91; p = 0,012) im
Vergleich zu Plazebo. Bei der Analyse von sieben RCT mit
17 855 Teilnehmern mit Herz-Kreislauf- oder Nieren-
erkrankungen reduzierten die SGLT2-Hemmer Empagliflo-
zin und Dapagliflozin die Inzidenz von neu auftretendem
Diabetes um 26% (HR: 0,74; 95%-KI: 0,65–0,85; p < 0,001), mit konsistenten Effekten über die Studien hinweg. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Implementierung von SGLT2-Hemmern einen wichtigen zusätzlichen Nutzen bei der Prävention oder Verzögerung von Diabetes in den Hochrisikogruppen mit Herz- und Nierenerkrankungen ha- ben könnte. vh Quelle: Ostrominski JW et al.: Sodium-glucose co-transporter 2 inhibitors and new-onset diabetes in cardiovascular or kidney disease. Eur Heart J. 2024. doi:10.1093/eurheartj/ehae780 Finerenon bei Herzinsuffizienz: Sind Kaliumwerte ein Problem? Die Behandlung mit Finerenon, einem nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA), verbesserte in der FINEARTS-HF-Studie (1) die Ergebnisse bei Patienten mit Herzinsuffizienz und leicht reduzierter oder erhaltener Auswurffraktion (HFmrEF und HFpEF). Das war jedoch mit einem Anstieg der Serumkaliumwerte während der Nachbeobachtung verbunden.Um herauszufinden, wie häufig Serumkaliumwerte > 5,5 mmol/l und < 3,5 mmol/l unter Finerenon im Vergleich zu Plazebo auftreten, und ob es allfällige Prädiktoren dafür gibt, wurde eine Sekundäranalyse der klinischen Ergebnisse der FINEARTS-HF- ars medici 2 | 2025 59 HOT PAPERS Studie basierend auf postrandomisierten Kaliumwerten vorgenommen. In die FINEARTS-HF-Studie wurden ins- gesamt 6001 Teilnehmer eingeschlossen, 3003 erhielten Finerenon, 2998 Plazebo. Ein Anstieg der Serumkaliumwer- te war in der Finerenon-Gruppe im Vergleich zur Plazebo- gruppe nach einem Monat und nach drei Monaten anhal- tend stärker ausgeprägt. Finerenon erhöhte das Risiko für Kaliumwerte > 5,5 mmol/l signifikant (Hazard Ratio [HR]:
2,16; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,83–2,56; p < 0,001) und reduzierte das Risiko für Kaliumwerte < 3,5 mmol/l (HR: 0,46; 95%-KI: 0,38–0,56; p < 0,001). Sowohl niedrige (< 3,5 mmol/l; HR: 2,49; 95%-KI: 1,8–3,43) als auch hohe (> 5,5 mmol/l; HR: 1,64; 95%-KI: 1,04–2,58) Kaliumwerte
waren in beiden Gruppen mit einem höheren Risiko für den
primären Endpunkt, eine Kombination aus Verschlechte-
rung der Herzinsuffizienz oder kardiovaskulär bedingtem
Tod, verbunden. Trotzdem war das Risiko für den primären
Endpunkt bei Patienten, die Finerenon erhielten, generell
niedriger als unter Plazebo, selbst bei einem Anstieg der Ka-
liumwerte auf über 5,5 mmol/l.
Bei Patienten mit HRmrEF oder HFpEF führte Finerenon
zwar zu einem häufigeren Auftreten von einer Hyperkali-
ämie, seltener auch zu einer Hypokaliämie. Mit einer pro-
tokollgesteuerten Überwachung und Dosisanpassung
konnte der klinische Nutzen von Finerenon im Vergleich zu
Plazebo jedoch selbst bei Patienten mit erhöhten Kalium-
werten (> 5,5 mmol/l) erhalten bleiben, so das Fazit der
Autoren.
vh
Quelle: Vardeny O et al.: Finerenone, Serum Potassium, and Clinical Outcomes in Heart Failure With Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. JAMA Cardiol. Published online November 17, 2024. doi:10.1001/jamacardio.2024.4539
Referenz: 1. Docherty KF et al.: Efficacy and Safety of Finerenone Across the Ejection
Fraction Spectrum in Heart Failure with Mildly Reduced and Preserved Ejection Fraction: a Prespecified Analysis of The FINEARTS-HF Trial. Circulation. Published online September 29, 2024. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.124.072011
SUMMIT-Studie: Tirzepatid bei HFpEF und Adipositas
Viele Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffunktion (HFpEF) sind auch adipös, und eine viszerale Adipositas trägt zur Entwicklung und Progression der Herzinsuffizienz bei. Vor diesem Hintergrund untersuchte die SUMMITStudie, ob sich durch eine Therapie mit dem langwirksamen GLP-1-/GIP-Rezeptoragonisten Tirzepatid neben dem Gewicht auch die Herzinsuffizienz verbessert. Dazu erhielten 731 Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit einer Auswurffunktion > 50% und einem Body-Mass-Index von ≥ 30 kg/m2 während mindestens 52 Wochen entweder Tirzepatid 15 mg s. c. einmal wöchentlich oder Plazebo. Als erster primärer Endpunkt war die Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod oder der Verschlechterung der Herzinsuffizienz definiert, als zweiter primärer Endpunkt galt die durch den Patienten berichtete Veränderung des Gesundheitszu-
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stands gemessen anhand des Kansas City Cardiomyopathy
Questionnaire Clinical Summary Score (KCCQ-CSS).
Unter Tirzepatid waren nach 52 Wochen 36 Patienten
(9,9%) kardiovaskulär bedingt verstorben oder hatten eine
Verschlechterung der Herzinsuffizienz erlitten, unter Pla-
zebo war dies bei 56 Patienten (15,3%) eingetreten. Das
bedeutet für die Therapie mit Tirzepatid eine signifikante
Risikoreduktion von 38% (Hazard Ratio [HR]: 0,62;
95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,41–0,95; p = 0,026). Der
subjektiv gefühlte Gesundheitszustand verbesserte sich
unter Tirzepatid im Vergleich zur Plazebogruppe ebenfalls
signifikant. Nebenwirkungen, vor allem gastrointestinaler
Natur, die zum Studienabbruch führten, waren in der Ver-
umgruppe bei 23 Patienten (6,3%) und in der Plazebogrup-
pe bei 5 Patienten (1,4%) aufgetreten.
Damit führt eine Behandlung mit Tirzepatid bei adipösen
HFpEF-Patienten zu einer Risikoreduktion für kardiovasku-
lär bedingten Tod oder Verschlechterung der Herzinsuffi-
zienz und verbessert den Gesundheitszustand dieser Pa-
tienten, so die Schlussfolgerung der Autoren.
vh
Quelle: Packer M et al.: Tirzepatide for Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity. N Engl J Med. Published online November 16, 2024. doi:10.1056/NEJMoa2410027
ARMS-Studie: Falsche Armhaltung
kann zu Hypertonieübertherapie
führen
Hängt der Arm bei Blutdruckmessungen herunter oder
liegt er im Schoss anstatt auf einem Tisch mit der Hand auf
Herzhöhe, kann dies Blutdruckmessungen erheblich ver-
fälschen – und zu vermeintlich hohen Werten und damit zu
Übertherapien führen. Das zeigte eine Crossover-Studie
mit 133 durchschnittlich 57-jährigen Teilnehmern. 48 Per-
sonen (36%) wiesen einen Blutdruck von ≥ 130 mmHg auf,
55 (41%) hatten einen Body-Mass-Index von ≥ 30 kg/m2.
Den Studienteilnehmern wurde in randomisierter Reihen-
folge der Blutdruck in drei Positionen gemessen: 1. am
Oberarm auf den Tisch gestützt, 2. am Oberarm mit der
Hand im Schoss, 3. am herunterhängenden Oberarm. We-
gen der Blutdruckvariabilität wurde bei allen Patienten eine
vierte Messung am Oberarm auf dem Tisch vorgenommen.
Das Ergebnis zeigte Folgendes: Bei einer Messung am
Arm mit der Hand im Schoss lag der systolische Blutdruck
(SBP) um 3,9 mmHg und der diastolische Blutdruck (DBP)
um 4,9 mmHg höher als mit der Lege-Artis-Armhaltung auf
dem Tisch. Beim seitlich herunterhängenden Arm war der
SBP um 6,5 und der DBP um 4,4 mmHg höher.
Diese randomisierte Crossover-Studie zeigte, dass gän-
gige Armpositionen (im Schoss oder seitlich) zu einer er-
heblichen Überschätzung der Blutdruckwerte führten und
dies möglicherweise zu Fehldiagnosen sowie einer Über-
schätzung von Bluthochdruck beitragen kann.
vh
Quelle: Liu H et al.: Arm Position and Blood Pressure Readings: The ARMS Crossover Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2024;184(12):1436-1442. doi:10.1001/jamainternmed.2024.5213