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Titel
Gastroenterologie – Ärgerlich ist der Mangel an verschiedenen wichtigen Medikamenten
Untertitel
Prof. Dr. med. Frank Seibold Gastroenterologische Praxis, Bern
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Datum
Autoren
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Rubrik
Rückblick 2024 / Ausblick 2025
Artikel-ID
81100
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Gastroenterologie
Prof. Dr. med. Frank Seibold Gastroenterologische Praxis, Bern
«Ärgerlich ist der Mangel an verschiedenen wichtigen Medikamenten»
Welche neuen Erkenntnisse des abgelaufenen Jahres in Ihrem Fachgebiet fanden Sie besonders spannend? Die Medizin entwickelt sich rasant, und es konnten neulich sehr interessante Experimente mit sogenannten Organoiden, die aus Biopsien gewonnen wurden, durchgeführt werden. Beispielsweise konnten mithilfe von Organoiden aus Pankreastumoren in vitro individuell wirksame Chemotherapeutika selektioniert werden. Dies wird in Zukunft erlauben, eine individualisierte Medizin, zum Beispiel bei Tumorerkrankungen, zu betreiben. Des Weiteren sind einige neue Medikamente im Bereich der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auf den Markt gekommen, die das therapeutische Spektrum erfolgreich erweitern.
Wurden 2024 in Ihrem Fachbereich Medikamente zugelassen, die die Therapie erheblich verbessern? In diesem Jahr wurden im Fachbereich chronisch entzündliche Darmerkrankungen mehrere Medikamente zugelassen, die die Therapiemodalitäten weiter verbessern. Zum einen wurde ein weiterer Januskinase(JAK)-Inhibitor (Upadacitinib) für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zugelassen, der recht hohe Remissionsraten erzielt und somit sicherlich ein potentes Medikament zur Rescue-Therapie von starken Krankheitsschüben ist. Zum anderen kamen Interleukin(IL)-23p19-Blocker auf den Markt, die teilweise gegenüber dem bereits bekannten Ustekinumab therapeutische Vorteile bieten könnten. Von grossem Interesse ist sicherlich auch die Kombinationstherapie von Tumornekrosefaktor(TNF)-Blockern mit IL-23-Blockern. Erste Studiendaten zeigen, dass eine solche Kombination einen sehr guten additiven Effekt erzielen könnte. Die derzeit noch laufende DUETT-Studie, die diese Kombinationstherapie an einem grossen Patientenkollektiv untersucht, wird uns in den nächsten Jahren sicherlich noch weitere spannende Daten liefern.

Die künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde und hat in der Medizin in gewissen Bereichen bereits Einzug gehalten. Viele Projekte sind in Entwicklung. Wie stehen Sie dazu? Was versprechen Sie sich davon? Nutzen Sie KI bereits für Ihre Arbeit? Die KI wird im Bereich der Endoskopie sicherlich eine grosse Hilfe werden. Bereits jetzt ist es erstaunlich, wie dysplastische Veränderungen, zum Beispiel bei einem Barett-Ösophagus, oder auch Polypen sehr schnell von KI detektiert werden können. Ich denke, in ein paar Jahren wird uns KI routinemässig unterstützen und die Detektionsraten von dysplastischen Läsionen erhöhen.
Was hat Sie 2024 am meisten gefreut und was am meisten geärgert? Es ist sicherlich erfreulich, wie die klinische Forschung bei chronisch entzündlichen Erkrankungen neue Therapieoptionen entwickelt hat. Ärgerlich ist der Mangel an verschiedenen wichtigen Medikamenten. Es ist sehr erstaunlich und fragwürdig, warum Medikamente wie Co-Amoxicillin für etliche Monate von einzelnen Firmen nicht mehr lieferbar sind.
Ist 2025 in Ihrem Fachbereich etwas Besonderes zu erwarten? Ich gehe davon aus, dass weitere Medikamente im Bereich der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auf den Markt kommen werden. Auch sind mehrere sehr interessante Medikamente noch in klinischer Testung, wobei einige Studienergebnisse im Jahr 2025 publiziert werden.
Was ist Ihre wichtigste «Message» für die Kolleginnen und Kollegen in der Hausarztpraxis? Es ist wichtig, dass die Screening-Koloskopie für alle Personen über 50 Jahre angeboten wird. Hausärzte sollten ihre Patienten aktiv ermutigen, diese Untersuchung durchführen zu lassen. Etliche Kantone verfügen mittlerweile über kantonale Screening-Programme. Nur so ist es möglich, das kolorektale Karzinom zu verhindern. Im Bereich der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden die Therapiemodalitäten immer komplexer. Hier lohnt es sich, eng mit einem spezialisierten Gastroenterologen zusammenzuarbeiten, der den therapeutischen Lead übernimmt. Das Therapieziel sollte eine tiefstmögliche Entzündungsaktivität sein. Zur Therapiekontrolle ist die Messung des Calprotectins im Stuhl (Zielwert < 200 µg/g) sinnvoll. 30 ars medici  1 | 2025