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BERICHT
Update COPD
Erst beweisen, dann behandeln
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist häufig, vermeidbar und behandelbar. Die Therapieentscheidung fusst auf der Einteilung in Symptomgruppen. Steht die anhaltende Dyspnoe im Vordergrund, wird mit Bronchodilatatoren behandelt. Kommen Exazerbationen dazu, braucht es Tripeltherapien mit Bronchodilatatoren und inhalativen Kortikosteroiden. Worauf dabei zu achten ist, erklärte Prof. Jörg Leuppi, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Baselland.
Üblicherweise verläuft die COPD progressiv und geht mit einer gesteigerten chronischen Entzündungsreaktion in Atemwegen und Lunge durch schädliche Partikel oder Gase einher. Exazerbationen und Komorbiditäten tragen zur Krankheitsschwere bei (1). Ab einem Alter von 25 Jahren beginnt die Lungenfunktion mit fortschreitendem Alterungsprozess abzunehmen. Bei Rauchern schreitet der Abfall schneller voran, sodass diese mit etwa 70 Jahren über eine Lungenfunktion von < 20 Prozent verfügen im Gegensatz zu Nichtrauchern mit > 70 Prozent im gleichen Alter (2). Mit einem Rauchstopp kann das Lungenfunktionsniveau von Nierauchern zwar nicht mehr erreicht werden, doch lässt sich damit in jedem Alter die Progression bremsen (2). Neben dem Rauchen ist in Mitteleuropa die Arbeit in der Landwirtschaft eine weitere häufige Ursache der COPD. Die jahrelange Inhalation von Endotoxinen bei der Stallarbeit verursacht mit der Zeit eine chronische Bronchitis, woraus sich eine COPD entwickeln kann. Auch eine langjährige Passivrauchexposition könne einer COPD-Entwicklung Vorschub leisten, so Leuppi.
COPD erst beweisen
Das Assessment für diese Erkrankung ist multidimensional. Mit der Spirometrie kann die Obstruktion beziehungsweise
KURZ & BÜNDIG
� Spirometrie ist wichtig für die Diagnose und Prognose der COPD.
� Zur Gruppeneinteilung (A–E) nach GOLD und zur entsprechenden Therapieempfehlung bei COPD sollten die respiratorischen Symptome und die Exazerbationshistorie verwendet werden.
� Eine fixe duale Bronchodilatation mit LAMA/LABA ist die Basistherapie bei symptomatischer COPD.
� Bluteosinophilie und/oder häufige Exazerbationen können mögliche Prädiktoren für das Ansprechen auf zusätzlich ICS bei Patienten mit COPD sein.
deren Ausmass bewiesen und damit die Diagnose gestellt werden. Ab einem Tiffenau-Quotienten (FEV1/FVC) < 0,7 besteht nach den GOLD-Guidelines eine Obstruktion (1). Die Einteilung in die Schweregrade GOLD 1 bis 4 anhand des FEV1-Werts dient zur Einschätzung der Mortalität. Für Verlauf und Prognose sind dagegen die spirometrischen Werte, Symptome, Exazerbationen und Komorbiditäten entscheidend. Die COPD ist eine progressive Erkrankung. Sie verlaufe schleichend und bleibe häufig über lange Zeit unbemerkt, auch weil die Symptome, so Leuppi, durch den Patienten falsch gedeutet würden. Zum Zeitpunkt der Diagnose ist die Obstruktion meist schon fortgeschritten. Der stärkste Lungenfunktionsverlust entsteht im GOLD-Stadium 2, danach verläuft der Abfall etwas flacher (3). Deshalb ist es nach Ansicht von Leuppi sinnvoll, die Krankheit möglichst früh zu erkennen. Für die Therapieentscheidung ist die Symptomschwere massgebend. Die Symptome beziehungsweise die Atemnot werden anhand der Dyspnoe-Fragebogen (mMRC bzw. CAT) erhoben. Diese Angaben zusammen mit der Historie der Exazerbationen entscheiden über die Symptomgruppeneinteilung. COPD-Patienten mit wenigen Symptomen (mMRC 0–1, CAT < 10) und keiner oder 1 mittelschweren Exazerbation ohne Spitalfolge werden in die Gruppe A eingeteilt. COPDPatienten mit vielen Symptomen (mMRC ≥ 2, CAT ≥ 10) und keiner oder 1 mittelschweren Exazerbation ohne Spitalfolge werden in die Gruppe B eingeteilt. COPD-Patienten mit wenigen oder vielen Symptomen und ≥ 2 mittelschweren Exazerbationen ohne Spitalfolge oder ≥ 1 Exazerbation mit Spitalfolge werden in die Gruppe E eingeteilt (1).
Therapieziele setzen
Die therapeutischen Massnahmen hätten zum Ziel, die Leistungsfähigkeit zu erhalten, die Symptome zu lindern, die Krankheitsprogression zu bremsen und das Risiko für Exazerbationen und Mortalität zu senken, so Leuppi. Die Dyspnoe, Hauptsymptom der COPD, resultiert aus der dynamischen Lungenüberblähung bei COPD aufgrund der Atemwegsobstruktion. Die Ausatmung ist in der Folge be-
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hindert, und am Ende der Exspiration verbleibt immer mehr Luft in der Lunge. Das führt zu einer zunehmenden Reduktion der inspiratorischen Kapazität, das heisst, die Atemtiefe kann nicht mehr gesteigert werden, was sich vor allem bei körperlicher Belastung akzentuiert. Die Therapie der Überblähung ist daher zentral. Dies ist möglich mit Bronchodilatatoren wie lang wirksamen Beta-2-Mimetika (LABA) und lang wirksamen Antimuskarinika (LAMA). Sie würden die pulmonale Überblähung und damit das subjektive Atemnotempfinden reduzieren, so Leuppi. Eine duale Therapie mit einer Kombination aus LABA und LAMA verstärke diesen Effekt noch, wie eine Studie mit Tiotropium plus Olodaterol versus Monotherapie gezeigt habe (4), so Leuppi. Gemäss GOLD-Empfehlungen sollen Patienten der Gruppe A (wenig Symptome, keine Exazerbationen) ein LABA plus ein SABA (SABA: kurz wirksames Beta-2-Mimetikum) als Notfallmedikament oder LAMA/SAMA (SAMA: kurz wirksames Antimuskarinikum) erhalten. Patienten der Gruppe B erhalten eine duale Bronchodilatation mit LAMA plus LABA. Stehen die Exazerbationen im Vordergrund, erhalten die Patienten ebenfalls zum Start eine duale LAMA/LABABronchodilatation Anschliessend kommt eine Tripeltherapie mit einem zusätzlichen inhalativen Kortikosteroid (ICS) zum Einsatz, wenn die Eosinophilen im Blut ≥ 300 Zellen/µl Blut betragen. Ein späteres ICS-Ausschleichen ist möglich, wenn die Eosinophilenkonzentration < 300 Zellen/µl Blut liegt. Bei Wiederanstieg der Eosinophilen müsse das ICS wieder eingesetzt werden, so Leuppi. Zur Behandlung einer Exazerbation seien fünf Tage Steroide ausreichend (5), zitiert Erstautor Leuppi das Resultat der REDUCE-Studie. Antibiotika seien gemäss der AnthonisenStudie nur bei Exazerbationen mit Atemnot, vermehrter Sputumproduktion und purulentem Sputum von Nutzen (6), weiteren Untersuchungen zufolge auch bei CRP > 40 mg/l (7) und bei erhöhtem Procalcitonin, so Leuppi. Wenn die Therapie nicht gut anschlägt, sollte an ein gleichzeitig vorliegendes Asthma gedacht werden. Während die COPD durch eine irreversible Obstruktion gekennzeichnet ist, hauptsächlich ausgelöst durch Rauchen, handelt es sich bei Asthma um eine reversible Obstruktion durch Hyperreaktivität. Etwa 10 Prozent der COPD-Patienten leiden zusätzlich an Asthma. Diese Patienten bräuchten eine Tripeltherapie – die Bronchodilatatoren für die COPD und das ICS für das Asthma, so Leuppi.
Erreichtes erhalten
Damit die Therapie Wirkung zeigt und behält, empfehlen die GOLD-Guidelines eine regelmässige Erfolgskontrolle – dies
anhand der Symptomatik und der Häufigkeit von Exazerba-
tionen und unabhängig vom COPD-Schweregrad bei der
Diagnose. Je nach Befund ist eine Anpassung der Therapie
mit Dosiserhöhung oder -reduktion oder ein Wechsel des In-
halators oder des Medikaments angezeigt. Bevor aber ein
Wechsel vorgenommen wird, soll die Inhalationstechnik
überprüft werden. «Lassen Sie sich das unbedingt vorzeigen,
es schleichen sich immer wieder Fehler ein», so der Rat von
Leuppi.
Auch zu nicht medikamentösen Massnahmen wie pulmonaler
Rehabilitation und körperlicher Aktivität sollten die Patien-
ten regelmässig motiviert werden. Denn ein regelmässiges
körperliches Training reduziert COPD-bedingte Hospitali-
sierungen und Mortalität, wie die COPENHAGEN-Studie
bei 2386 Patienten mit COPD zeigen konnte (8).
Ausbildungsmassnahmen stärken das Verständnis für die Er-
krankung und sind für den Patienten nützlich. Die Lungen-
liga bietet zur Unterstützung der Patienten mit COPD unter
anderem Schulungskurse zum Umgang mit und zum Selbst-
management dieser Erkrankung an.
Wichtige Präventionsmassnahmen gegen Atemwegsinfekte
sind Impfungen. Die GOLD-Guidelines empfehlen dazu
Impfungen gegen Pneumokokken, Grippe und das respira-
torische Synzytial-Virus (RSV) (1). Ein Impfstoff gegen Letz-
teres sollte diesen Winter in der Schweiz neu zur Verfügung
stehen.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Update COPD», FOMF Pneumologie Update Refresher, 4. Mai 2024.
Referenzen: 1. GOLD COPD: www.goldcopd.org 2. Fletcher C et al.: The natural history of chronic airflow obstruction.
Br Med J. 1977;1(6077):1645-1648. doi: 10.1136/bmj.1.6077.1645. 3. Tantucci C et al.: Lung function decline in COPD. Int J Chron Obstruct
Pulmon Dis. 2012;7:95-99. doi:10.2147/COPD.S27480. 4. Beeh KM et al.: The 24-h lung-function profile of once-daily tiotropium
and olodaterol fixed-dose combination in chronic obstructive pulmonary disease. Pulm Pharmacol Ther. 2015;32:53-59. doi:10.1016/j.pupt. 2015.04.002. 5. Leuppi JD et al.: Short-term vs conventional glucocorticoid therapy in acute exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease: the REDUCE randomized clinical trial. JAMA. 2013;309(21):2223-2231. doi:10.1001/jama.2013.5023. 6. Anthonisen NR et al.: Antibiotic therapy in exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease. Ann Intern Med. 1987;106(2):196-204. doi:10.7326/0003-4819-106-2-196. 7. Butler CC et al.: C-reactive protein testing to guide antibiotic prescribing for copd exacerbations. N Engl J Med. 2019;381(2):111-120. doi:10.1056/ NEJMoa1803185. 8. Garcia-Aymerich J et al.: Regular physical activity reduces hospital admission and mortality in chronic obstructive pulmonary disease: a population based cohort study. Thorax. 2006;61(9):772-778. doi:10.1136/ thx.2006.060145.
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