Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Man hat’s nicht leicht als älterer Mensch – und erst noch männlich und weiss. Nicht weil man Diskriminierung gleich dreifach zu spüren bekommt: in Form von Altersrassismus, als männerverachtenden Sexismus und in Form von Noncolorismus (Diskriminierung von allem, das nicht farbig ist). Nein, viel schwerer erträglich ist die Erinnerung an die eigene Jugend, in der man fast so bescheuert argumentiert hat, sich in ähnliche Illusionen geflüchtet und noch viel weitergehende revolutionäre Phantasien entwickelt hat als die revoluzzenden und klebenden Jungen heute. Phantasien, die sich – und das ist die Krux – samt und sonders, früher oder später, mit Bedauern oder peinlichem Verschweigen in der imperativen Luft des Faktischen, im banalen Wind des Alltags und des Berufs und immer wieder im Sturm der Beziehungsprioritäten (einfacher gesagt: Verliebtsein war denn doch wichtiger …) verflüchtigt haben. Am Ende, nach einem letztlich doch bürgerlichen Leben und diszipliniert durch Lebenserfahrung kann man nicht mehr so recht nachvollziehen, warum man all das, was man heute weiss, nicht schon in der Jugend hat kommen sehen. Und so verbringt man das letzte Lebensdrittel halt zahmer, im besten Fall bei Zigarre und Whisky in südlicher Sonne am Pool, zwar von Arthrose (oder Schlimmerem) geplagt, aber im Normalfall umgeben von unbeschwerten Enkeln – einige von denen bereits wieder auf dem Revoluzzertrip. Zwar werden sie wie die meisten Rebellen der letzten und allerallerletzten Generationen genauso enden wie wir. Und wir fragen uns erneut: Warum sehen sie’s nicht? Warum müssen wir ertragen, dass sie – wie wir seinerzeit auch – ums Verrecken nicht von unseren Erfahrungen lernen und profitieren wollen und wir ihnen die Hirngespinste nicht ausreden können. Sie werden nie glauben, was wir wissen. Es ist seit Jahrtausenden das Gleiche: Erfahrungen lernt man nicht, man kann man sie nur machen.
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Ärzte und Gärtner – immer wieder beliebte Objekte von bösen Scherzen und Witzen. Beispiel gefällig? Voilà: Chirurgen und Gärtner haben eines gemeinsam: Wenn sie pfuschen, kommt Erde drüber.
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Was wir in TikTok über Europa lernen können: Stacy (oder so), ein US-Girl aus Milwaukee (oder so), schätzungsweise 20, macht Ferien in Europa und beklagt sich auf Tiktok bitterlich, es gebe in Europa keinen Kaffee vor 9 Uhr. Sie wollte um 6.45 Uhr Kaffee trinken und … nichts, nada, no coffee! Wir staunen und fragen uns, wo in Europa sich die Lady wohl aufgehalten hat. In Norwegen oder Albanien, in Polen oder Portugal? Oder bei den Teetrinkern in England? Leider wusste Stacy nur eines: dass sie in Europa war. In Europa, diesem kleinen Fleck, ohne Russland nicht mal halb so gross wie die USA – was soll’s da schon für Unterschiede geben zwischen Ost und West, Nord und Süd? Rumänien und Schweden? Egal, Europa. Die Schweiz und Finnland? Europa eben. Dänemark und Griechenland? Europa ist Europa, meinte Stacy und bestand darauf, «in Europa» gäbe es keinen Kaffee um Viertel vor sieben. Na gut, wir wundern uns: Wer um Himmels Willen trinkt in den Ferien (in Europa) um Viertel vor sieben Kaffee? Dann, wenn – manchenorts in Europa – die jungen Leute grad erst von den Partys kommen und zu Bett gehen. Aber so ist TikTok eben: Man kann viel lernen!
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Sommerglück: Was sind wir froh, dass es heute nicht schneit. Stell dir vor, du müsstest bei 35 Grad Schnee schaufeln!
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Albert Einstein, Erfinder der Relativitätstheorie: «Geniesse deine Zeit, denn du lebst nur jetzt und heute, morgen
kannst du gestern nicht nachholen, und später kommt früher, als du denkst.»
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Der Vater zu seinem an der Welt verzweifelnden Sohn: Keine Bange – auch die Zukunft geht vorüber.
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Wenn Sie etwas fertig machen sollten und man sie immer ungeduldiger danach fragt, machen Sie’s wie gestandene Politiker(innen). Bei denen heisst es: «Wir arbeiten daran.» (Der Satz lässt sich je nach Umständen mit «hart» oder «intensiv» wirkungsvoll ergänzen.)
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Auch ungewöhnliche Geburtstage soll man feiern. Das gelbe Post-it wird heuer eine Schnapszahl Jahre alt. Vor 44 Jahren, 1980, wurde das gelbe Zettelchen von der Firma 3M eingeführt. Erfunden wurde das unentbehrliche Hilfsmittel aller Sekretariate von Spencer Silver, dem beim Chorgesang dauernd die Lesezeichen aus dem Gesangbuch fielen und der kurz vorher frustriert einen Klebstoff erfunden hatte, der zu wenig stark klebte. Aber – und das war Silvers eigentliche Leistung: stark genug, um ein Lesezeichen auf eine Gesangbuchseite zu kleben.
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Und das meint Walti: Die Krankheit, alles Essbare in Plastikdosen zu verpacken, nennt man Tupperkulose.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 18 | 2024