Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Der kluge Rat eines Bekannten: Leihen Sie sich Geld immer nur von Pessimisten: Die erwarten eh nicht, es je zurückzubekommen.
sss
Und ein total abgefahrener, selten ehrgeiziger Zyniker (Mediziner …!) meinte: Für den Friedensnobelpreis würd’ ich sogar jemanden umbringen.
sss
«Beliebigkeit», Unbestimmtheit, zeitliche Begrenztheit ist ein Charakteristikum unserer Zeit. Sie sind ein Mann oder eine Frau? Schön für Sie. Das geht nicht allen so. Manche sind heute dies, morgen das, und selbst das nicht so ganz, eher halbe-halbe. Gestern habe sich die kleine Doris als Katze gefühlt, sagte sie, miaute vor sich hin und wünschte, so behandelt zu werden. In der Schule nahm man Rücksicht auf das maunzende Gefühl (die Episode ist echt, trug sich aber zum Glück nicht in der Schweiz zu). «Katze» kann man allerdings nicht gesetzlich eintragen lassen, die Gesellschaft ist noch nicht so weit, braucht noch zwei, drei Jahre. Mann oder Frau hingegen schon: heute Mann, nach Ablauf von 365 Tagen wieder Frau. Oder lesbisch oder queer. Egal, wie’s halt grad so passt – nach Biorhythmus, und den gibt’s ja bekanntlich. Warum soll’s keinen Genderrhythmus geben? Auch wo man wohnt, egal. Wenn’s um eine Wahl geht, fühlt man sich eben im Kanton XX zuhause, in Bezug auf die Steuern allerdings doch eher im günstigeren Kanton YY. Und manchmal auch im Kanton ZZ, wo Frau und Kinder wohnen. Egal, ist eh alles nur auf Zeit. Ausserdem: Hauptsächlich fühlen wir uns heute doch alle ein bisschen als Weltenbürger, keinem Staat und keiner Gemeinde verpflichtet. Man ist Single, aber auch verheiratet, irgendwie, wenigstens vertraglich und wegen ein paar gesellschaftlicher Vorteile, emotional aber ist alles zeitlich begrenzt. Manchmal ist
man polyamour. Warum nicht? Das ist der Rhythmus unserer Zeit. Den kennen Sie auch, oder etwa nicht? Die frivole Gisela stellt’s klar: Ihr Lebensentwurf sei es, keinen zu haben. Sie sei alles und nichts, dies und das, hier und dort zuhause, zu nichts verpflichtet, aber zu allem berechtigt. Brauche Hilfe da und helfe selber dort oder auch nicht. Sei bereit für alles, aber manchmal eben zu beschäftigt. Habe einen Job, aber manchmal keine Lust. So ist das in einer freien Welt, in der jeder, jede und jedes machen und lassen kann, was er, sie, es will oder nicht will, und alle jedermanns, jederfraus oder jederwasauchimmers Entwurf zu akzeptieren haben. Ohne Sanktionen und ohne Konsequenzen. Die mag’s geben, aber die tragen wir alle gemeinsam, ausser wenn wir grad unpässlich sind, dann halt nur die anderen. «So what» und item, bestimmt sehen wir uns alle wieder, in irgendeiner Form, irgendwo, irgendwann. Oder auch nicht.
sss
Es ist viel zu viel von üblen Zeitgenossen die Rede, die uns die Freude am Leben vermiesen: von Islamisten, skrupellosen Politikern, gierigen Bankern, Heuchlern, Neidern. Wir sollten mehr von allen anderen sprechen: von Frauen, die sich – verrückt, oder? – in Ägypten für gequälte Kamele einsetzen, von freiwilligen Sanitätern im Krieg in der Ukraine, von der Nachbarin, die am Samstagabend fremde Kinder hütet. Oder von «Exoten» wie Brendon Grimshaw, der 1962, knapp 40 Jahre alt und als Zeitungsredaktor tätig, für 8000 Pfund (damals etwa 100 000 Franken) die winzige unbewohnte Insel Moyenne auf den Seychellen kaufte. Ein paar Jahre später zog Grimshaw selber dorthin und lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2012 auf der Insel. Er pflanzte in dieser Zeit zusammen mit einem Einheimischen 16000
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Bäume, siedelte 100 Riesenschildkröten und Tausende vom Aussterben bedrohte Vögel an und machte so das
Eiland zu einem Naturparadies. Grimshaw lehnte Anfang der 2000er-Jahre das Angebot eines saudischen Prinzen ab, der ihm schlappe 50 Millionen Dollar für das Inselparadies bot (Ziel: ein Holiday-Resort für Millionäre). Grimshaws Vision, aus Moyenne einen Nationalpark zu machen, wurde 2008 Realität. Es gibt zwar viele, viel zu viele, aber zum Glück nicht nur Idioten auf der Welt.
sss
Wussten Sie, dass Pinguine mit vier Sekunden Schlaf auskommen? (Tönt besser als es ist. Das machen die nämlich bis zu 10 000 mal pro Tag.)
sss
Fein bemerkt: «99 Prozent der Juristen sind verantwortlich für den schlechten Ruf ihrer übrigen Kollegen.»
sss
Ratschlag eines Psychologen: «Wenn du von jemandem etwas erfahren willst, stelle ihm eine Frage und bleibe nach seiner Antwort still und halte Blickkontakt. Er wird dir noch mehr erzählen.» Interessant! Denn viele Moderatoren, zum Beispiel auch der bekannte Herr Lanz, machen es ganz anders. Sie stellen zwar Fragen, lassen den Interviewpartner aber nicht ausreden oder/und geben die Antwort gleich selber, und zwar so, wie sie sie sich vorstellen. Heisst was? Sie wollen sicher nichts erfahren, sondern möglichst schnell dazu übergehen, ihren eigenen Senf zum Besten zu geben.
sss
Und das meint Walti: Immer wenn ich den Begriff «Faktencheck» höre, krieg ich einen Lachkrampf.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 17 | 2024
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