Transkript
PRAXISMANAGEMENT
Bräuchte Ihr Arbeitstag mehr Stunden?
Delegieren statt Dekompensieren
In diesem Beitrag wird das Thema Delegieren als Teil von Entlastung behandelt. Welche Aufgaben können in der Arztpraxis delegiert werden? Um das zu überlegen, müssen zunächst die verschiedenen Prozessebenen der Arbeiten und Aufgaben in einer Praxis betrachtet werden. Im Folgenden werden verschiedene Arten von Delegieren erläutert und was es braucht, damit dies entlastet.
Der Arbeitsalltag einer Arztpraxis ist komplex. Die Patientenbetreuung von der Anmeldung über die Behandlung bis zur Dokumentation und Abrechnung stellt den Kernprozess dar. Damit ist es aber noch lange nicht getan. Die Arztpraxis will als Unternehmen (KMU) geführt werden, in dem Personalbelange (Human Ressources, HR), Marktpositionierung und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen sind – nicht zu vergessen sind die vielfältigen Supportprozesse wie Datenverwaltung, Lagerverwaltung, Wiederaufbereitung, Ersatzgeräte (siehe Abbildung 1). Kein Wunder, dass vielen Ärzten zu wenig Zeit für ihre eigentliche Kernaufgabe bleibt: für den Patientenkontakt. In der Arztpraxis sind Ärztinnen und Ärzte nicht allein – als Führungskräfte können sie an die MPA delegieren. Die entscheidende Frage ist, wie Aufgaben und Arbeiten in der Praxis am besten verteilt werden. Gutes Delegieren heisst hier das Zauberwort.
Delegieren bedeutet, jemandem Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung zu übertragen
Ziel von Delegation ist, Führungspersonen (Praxisinhaber und Mediziner) Raum für übergeordnete Aufgaben zu geben. Je umfassender delegiert wird, umso weniger muss sich eine Führungsperson mit Mikromanagement beschäftigen.
Wie gelingt das Delegieren?
Erfolgreiches Delegieren erfordert (in Klammern zur Veranschaulichung Beispiele aus dem Telefonmanagement): s Klarheit bezüglich der Aufgabe: Worum genau geht es?
Welches Ziel hat die Aufgabe, und was sind die Vorgaben? (Vorgaben am Telefon: Welche Informationen erfragt
MPA, welche Entscheidungen trifft die MPA, worauf muss sie achten bezüglich Ärztebedürfnissen ...) s Zeit für das Erlernen: Wer neu in einer Aufgabe ist, kennt noch nicht alle Details und ist eventuell etwas unsicher. (Die MPA fragt bei der Ärztin nach, ob ihr Eindruck, dass dieser Patient sofort kommen soll, korrekt ist.) s Entscheidungskompetenz und Verantwortung klären und übergeben: Hier geht es auch um finanzielle Verantwortung (siehe Abbildung 2). (Bsp. 1: Terminverlängerung durch die MPA ohne Nachfrage, da Patientin M. immer noch ein weiteres Problem hat, das sie am Telefon nicht nennt. Bsp. 2: MPA verlängert ärztliche Telefonzeiten nach der Ferienabwesenheit.)
Zur Person
▲ 2005 bis 2021 organisatorische Leitung Gruppenpraxis Küblis
▲ seit 2021 selbstständige Beraterin für das KMU Arztpraxis
▲ Mitentwicklerin und Referentin des Unternehmerseminars für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte des Instituts KMU-HSG der Universität St. Gallen und Fluentis Ruth Ehbets
▲ Präsidentin der Sektion Graubünden beim Schweizerischen Verband Medizinischer Praxis-Fachpersonen
s Vertrauen in das Tun der Angestellten. (Die MPA handeln nach bestem Wissen. Ihre Entscheide
sind gut.)
Das Modell «5 Stufen der Delegation» verdeutlicht anhand der verschiedenen Delegationsstufen, wie sich der Umfang von Aufgaben mit mehr Delegation verändert, wie Verantwortung und das Vertrauen in die angestellte Person steigen (1). Wie viel Verantwortung jemand übernehmen kann, hängt unter anderem vom Wissensstand, von der Persönlichkeit und der Komplexität einer Aufgabe ab.
Was im Einzelnen mit den Stufen gemeint ist, wird zusätzlich mit Beispielen (kursiv) verdeutlicht. 1. Setze um: Halte dich genau an die Vorgaben. Ich habe
bereits recherchiert und entschieden. Hier gibt es genaue Vorgaben, was zu tun ist. In der Arztpraxis führt die MPA die verordneten Labortests durch und/oder gibt diese in Auftrag. 2. Arbeite dich ein: Arbeite dich in ein Thema ein und stelle Optionen/Vorgehensweisen mit Pro/Contra vor. In der Arztpraxis stellt die MPA vor, welche Laborgeräte mit Vor- und Nachteilen als Ersatz für das alte Gerät möglich wären. 3. Erarbeite einen Vorschlag: Wie 2. mit der Erweiterung, dass die beste Variante gewählt und vorgestellt wird. Die MPA präsentiert die beste Variante für ein Ersatzgerät im Labor. Sie hat die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen.
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PRAXISMANAGEMENT
Führung
● Schauen, dass die richtigen Menschen (Personalmanagement) zur richtigen Zeit (Koordination) am richtigen Ort (Infrastruktur) das Richtige tun (Qualitätsmanagement), tun können und gerne tun
-> Kommunikation nach Innen -> Expertise ● Übersicht behalten (Informationen einholen, vernetzen und Schlüsse ziehen) ● Finanzbuchhaltung/Wirtschaftlichkeit (Langlebigkeit Unternehmen) ● Entwicklung, Veränderung, Anpassung (Aussenwirkung)
Prozess am Patienten (Kernprozess)
Patientenaufnahme (Patienten-Admin): Triage Terminvereinbarung Erstkontakt Notfall
Diagnostik: Untersuchungen Labor EKG Sonografie Röntgen Blutdruck …
Therapie: Sprechstunde Medikamente Tape, Gips ChronicCare Wundversorgung
Dokumentation: KG-Eintrag Leistungserfassung
Patient – Wie weiter (Patienten-Admin): Verabschiedung
Unterstützungsprozesse
Adressverwaltung Terminverwaltung Nicht-PatientenTelefonate Mailverkehr und Berichtswesen (eingehend) Wartezimmer Informationen
Rechnungswesen (Kreditoren) Aktuelle Anleitungen Sterilisation Ringversuche Labor
Medikamentenabgabe Langzeitmedikationen Assistenz Rechnungswesen (Kreditoren)
Aktuelle Tarife und Preise Leistungserfassung und Kontrolle
Zeugnisse Rechnungsstellung (Debitoren) und Kontrolle der Zahlung/Mahnungen Medikamentenbestellung Nächster Termin, Recall Berichtswesen (ausgehend) Überweisungen Verordnungen
Funktionierende und saubere Geräte (Gerätewartung), Wissen um Geräte, funktionierende Software (-wartung), Technik, saubere Räume, Arbeitsplätze, Kleidung (Reinigung), vorhandenes und sauberes Material (Lagerverwaltung), Abfallentsorgung
Abbildung 1: Kernprozess in der Arztpraxis inklusive Führung und Supportprozessen
Verantwortung Vertrauen
5. Entscheide ohne Rückmeldung
4. Entscheide mit Rückmeldung
3. Erarbeite einen Vorschlag
2. Arbeite dich ein 1. Setze um
Abbildung 2: 5 Stufen der Delegation (adaptiert nach [1])
4. Entscheide mit Rückmeldung: Triff den besten Entscheid und halte mich auf dem Laufenden, informiere mich.
Die verantwortliche MPA verhandelt mit dem externen Labor, wählt das Gerät und informiert die Praxisinhaber.
5. Entscheide ohne Rückmeldung: Triff die Entscheidung, die du für die Beste hältst. Ich habe volles Vertrauen in deine Kompetenz.
Die verantwortliche MPA organisiert eigenverantwortlich das Ersatzgerät, ergänzt Anleitungen, legt Verträge ab und instruiert, wo nötig. Sie hat die veränderten Bedürfnisse in ihre Entscheidung einbezogen.
Gutes Gelingen beim Delegieren und Raum für Ihre Füh-
rungsaufgaben!
s
Ruth Ehbets lic. phil. Arbeits- und Organisationspsychologie Bogenschlag, 7240 Küblis Tel.: 079 756 80 E-Mail: ruth.ehbets@psychologie.ch www.bogenschlag.ch
Referenzen: 1. Geropp B, https://www.mehr-fuehren.de/delegieren/, 4. Juni 24
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