Transkript
Qualitätssicherung in der Praxisapotheke
Erkenntnisse und Best Practices
Selbstdispensierende Ärzte leisten einen massgeblichen Beitrag zur Schweizer Gesundheitsversorgung. Doch mit dem Privileg zur Arzneimittelabgabe gehen auch anspruchsvolle Pflichten einher, insbesondere im Bereich der Qualitätssicherung. Jüngste Erkenntnisse der Heilmittelkontrolle Zürich bieten wertvolle Einblicke, worauf beim Führen einer Praxisapotheke besonders zu achten ist. Der Verein «Ärzte mit Patientenapotheke» (APA), der seine Mitglieder in Fragen rund um die Arzneimittelabgabe und die Qualitätssicherung unterstützt, erläutert im Folgenden aktuelle Schwerpunkte.
Die ärztliche Arzneimittelabgabe, im Fachjargon auch «Selbstdispensation» (SD) genannt, hat sich in der Schweiz als bedeutender Abgabekanal etabliert. Langjähriges politisches Engagement seitens der Ärzteschaft hat dazu beigetragen, dass die SD mittlerweile auf Bundesebene gesetzlich fest verankert und in 17 von 19 Deutschschweizer Kantonen zugelassen ist. Heute macht die ärztliche Arzneimittelabgabe umsatzmässig etwa ein Viertel des Marktes aus, direkt hinter den Apotheken, die mit knapp 49 Prozent den grössten Abgabekanal für Arzneimittel darstellen. Damit leistet die SD einen massgeblichen Beitrag zur Sicherstellung der Grundversorgung im Schweizer Gesundheitswesen. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete, wo Arztpraxen mit Patientenapotheke* eine rasche und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung überhaupt erst möglich machen.
Rechte und Pflichten
Das Schweizer Heilmittelgesetz (HMG) definiert die ärztliche Arzneimittelabgabe als die «kantonal bewilligte Abgabe von Arzneimitteln innerhalb einer Arztpraxis beziehungsweise einer ambulanten Institution des Gesundheitswesens, deren Apotheke unter fachlicher Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes mit Berufsausübungsbewilligung steht» (Art. 4 Abs. 1k HMG). Mit dem Recht zur Abgabe sind Pflichten verbunden, insbesondere die Einhaltung von Richtlinien zur Qualitätssicherung.
Beim Führen einer Patientenapotheke gilt der Qualitäts sicherung besonderes Augenmerk.
Die Sorgfaltspflicht nach Artikel 3 HMG verlangt, dass Personen, die mit Heilmitteln umgehen, alle nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik notwendigen Massnahmen treffen, um die Gesundheit der Patientinnen und Patienten zu schützen.
Die kantonale Behörde erteilt eine Bewilligung zur Abgabe von Heilmitteln nur, wenn die Praxis über ein den betrieblichen Verhältnissen angepasstes Qualitätssicherungssystem verfügt (Art. 30 HMG). Entsprechend bringt das Führen einer
* Die Begriffe «Praxisapotheke» und «Patientenapotheke» werden als Synonyme verwendet.
Praxisapotheke einen organisatorischen und administrativen Mehraufwand für die Ärzte mit sich. Die direkte Abgabe von Arzneimitteln erfordert nicht nur einen zusätzlichen Arbeitsschritt nach der Anamnese und Diagnose, sondern umfasst auch die Bestellung, Eingangskontrolle, Beschriftung, Lagerung und Verrechnung der Arzneimittel.
Mängel bei der Arzneimittelabgabe
SD-Ärzte sehen sich im Praxisalltag mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Dr. sc. nat. Stefan Burkard, Leiter der kantonalen Heilmittelkontrolle in Zürich, kennt die praktischen Schwierigkeiten aus erster Hand. Bei Inspektionen
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von Qualitätssicherungssystemen in Arztpraxen stossen er und sein Team regelmässig auf ähnliche Mängel. Durch eine Auswertung solcher Kontrollen konnten aktuelle Brennpunkte in der Qualitätssicherung identifiziert werden. Entsprechend relevant sind die in den folgenden Abschnitten angeführten Aspekte für das Führen einer Patientenapotheke.
Regelmässige Selbstinspektionen
Ein wesentlicher Grundsatz ist, das Qualitätsmanagementsystem stets auf dem neuesten Stand zu halten. Nur so kann sichergestellt werden, dass es den aktuellen Anforderungen entspricht und nahtlos in die betrieblichen Abläufe integriert ist. Schulungen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, um zu gewährleisten, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das QS-System nicht nur verstehen, sondern auch effektiv anwenden können. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Regelmässige Selbstinspektionen sind empfehlenswert, um potenzielle Schwachstellen aufzudecken und proaktiv Korrekturmassnahmen einleiten zu können.
Notwendige Temperaturkontrollen
Auch die Gestaltung der Infrastruktur bietet oftmals Raum für Verbesserungen. So ist es beispielsweise wichtig, den Zugang zu Arzneimitteln auf befugte Personen zu beschränken und geeignete Kühlschränke zu verwenden, um die sichere und korrekte Lagerung der Medikamente zu gewährleisten. Dies insbesondere auch mit Blick auf den Umgang mit kon trollierten Substanzen. Eine effektive Temperaturkontrolle ist dabei unerlässlich, um die Qualität der Medikamente zu erhalten und rasch auf mögliche Alarmmeldungen reagieren zu können. Arzneimittel sollten stets getrennt von anderen Waren gelagert werden, damit Kontaminationen vermieden werden. Ebenso wichtig ist es, Heilmittel bei Anbruch oder Zu-
APA – Wer sind wir?
▲ Als Verein der Ärztinnen und Ärzte mit Patientenapotheke (APA) mit über 1000 Mitgliedern setzen wir uns seit Jahren für die Erhaltung der ärztlichen Arzneimittelabgabe ein und beraten selbstdispensierende Ärztinnen und Ärzte in Fragen rund ums Thema Qualitätssicherung.
▲ Als Mitglied profitieren Sie von aktuellen, fachspezifischen Unterlagen zur Führung einer Praxisapotheke. Ihnen wird ein digitales Handbuch mit konkreten Vorlagen zur Umsetzung eines wirksamen Qualitätssicherungssystems zur Verfügung gestellt.
▲ Sie werden regelmässig über praxisrelevante rechtliche und politische Änderungen im Bereich der Arzneimittelabgabe informiert.
Für weitere Informationen und bei Fragen kontaktieren Sie uns gerne unter: Ärzte mit Patientenapotheke (APA) Kolumbanstrasse 2, 9008 St. Gallen Telefon: 071 246 51 40 E-Mail: info@patientenapotheke.ch www.patientenapotheke.ch
bereitung mit einem Datum zu kennzeichnen, um ihre Wirksamkeit garantieren zu können. Eine regelmässige Überprüfung der Verfalldaten sowie sorgfältiges Aktualisieren der Bestandsliste schafft Transparenz und rundet die Qualitätssicherung in diesem Bereich ab.
Das Wichtigste zur Abgabe auf einen Blick
Beim Abgabeprozess selbst ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die Abgabe von Heilmitteln stets unter ärztlicher Aufsicht erfolgt und vollständige Dosierungsetiketten zur Verfügung stehen, um über die Anwendung zu informieren. Die abzugebenden Arzneimittel müssen stets im Besitz des entsprechenden Bewilligungsinhabers sein. Im Allgemeinen empfiehlt sich die Orientierung an den Qualitätsguidelines für die ärztliche Arzneimittelabgabe, welche die APA in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Hausund Kinderärzte Schweiz (mfe) entwickelt hat.
Abgabe-Check nach der Differenzialdiagnose: RAKI
s Risikofaktoren?
s Arzneimittelanamnese?
s Kontraindikationen?
s Interaktionskontrolle?
5er-Regel für die richtige Arzneimittelabgabe: PADAZ
s richtige/r Patientin/Patient?
s richtiges Arzneimittel?
s richtige Dosierung?
s richtige Applikationsart?
s richtiger Zeitpunkt?
Persönliche Abgabeinformationen an die Patienten: TAMA
s Therapiedauer
s Abbruch der Therapie
s Mögliche Nebenwirkungen und/oder Interaktionen
s Aufbewahrungsvorschriften.
APA – Experten der Qualitätssicherung
Ein effektives Qualitätssicherungssystem in der Praxisapo-
theke ist gesetzlich vorgeschrieben und bildet das Rückgrat
für die sichere Abgabe von Arzneimitteln an Patienten. In
diesem Artikel wurden einige zentrale Aspekte der Qualitäts-
sicherung angesprochen. Eine vertiefte Auseinandersetzung
mit der Thematik ist für SD-Ärzte jedoch unerlässlich. Der
Verein «Ärzte mit Patientenapotheke» (APA) unterstützt
seine Mitglieder dabei, ein wirksames Qualitätssystem in die
Praxis zu implementieren, damit bei der Abgabe von Arznei-
mitteln höchste Qualitätsstandards eingehalten werden kön-
nen.
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Carla George, APA-Projektleiterin, M.A. Alina Güttinger, APA-Projektleiterin, B.A. HSG
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