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BERICHT
Trockene Augen
In jedem Fall benetzen und die Ursache beheben
Trockene Augen belasten viele Patienten. Häufig kann das Problem mit Tränenersatzmitteln gelöst werden. Doch wenn den Symptomen eine Entzündung zugrunde liegt, muss die Ursache dafür abgeklärt und behandelt werden. Welche Therapien dazu zur Verfügung stehen, erklärte Dr. Muriel Ott, Universitätsklinik für Augenheilkunde, Inselspital Bern.
Der Begriff «dry eye disease» (DED) umfasst Probleme der Augenoberfläche aufgrund einer Tränenfilmstörung. In diesem Zusammenhang ist auch häufig von Keratokonjunktivitis sicca, trockenem Auge, «dry eye syndrome», «ocular surface disease» oder Tränenfilmdysfunktion die Rede. Die Symptome der DED können in unterschiedlicher Ausprägung und Kombination auftreten. Dazu gehören Augenschmerzen, Brennen, Juckreiz, Sandgefühl in den Augen, reaktives Tränenlaufen, Augenrötung, verschwommene Sicht, Fotophobie und schwere, müde Augen. Quantifizierbar sind die Symptome mit dem OSDI(Ocular Surface Disease Index)-Fragebogen. Mit dem angegebenen Schweregrad anhand von 12 Fragen kann die Symptomstärke eingeschätzt werden (1).
Wo die Trockenheit herkommt
Als Ursachen einer Trockenheit kommen unter anderem Colaretten, Meibomstase, Lidfehlstellungen oder veränderte Lidkanten (verdickt, abgerundet, irregulär, mit Teleangiektasien) in Frage. Bindehauteinblutung, -vernarbungen oder Riesenpapillen wie auch LIPCOF(lid-parallel conjunctival folds)-Falten können weitere Befunde sein. Auch die Hornhaut kann eine Trockenheit verursachen, zum Beispiel bei Stippung, Vaskularisation, Erosion, Ulkus, Filamenten oder verminderter Sensibilität. Zur Quantifizierung der Tränendrüsenfunktion wird der Schirmer-Test herangezogen. Dabei wird ein Lackmuspapierstreifen in den Bindehautsack eingehängt. Nach 5 Minuten wird die Strecke abgelesen, die durch die Tränenflüssigkeit benetzt wurde: > 15 mm gelten als normal, < 5 mm als patho-
KURZ & BÜNDIG
� Bei trockenen Augen liegen meist eine Hyperosmolarität des Tränenfilms und eine Entzündung vor, unabhängig von der Ursache.
� Die Ursachen für trockene Augen müssen abgeklärt und quantifiziert werden.
� Bei schweren Entzündungen können Steroid- und Ciclosporinaugentropfen vorübergehend kombiniert werden.
logisch. Bei Stippung kann beispielsweise mit dem Oxford-Test die Stärke erfasst werden. Probleme der Meibomdrüse können mit einer Meibografie objektiviert und eine erhöhte Osmolarität des Tränenfilms kann mit dem Osmometer gemessen werden. Als Hyperosmolarität, die aus einer zu geringen Tränenproduktion oder einer zu hohen Verdunstung resultieren kann, gelten Werte > 300 mOsm/l.
Therapie allgemein und speziell
Bei einem trockenen Auge liegen jedoch unabhängig von der Ursache (Kasten) in der Regel eine Hyperosmolarität des Tränenfilms sowie eine Entzündung vor. Daher sind hypoosmolare Tränenersatzmittel und antientzündliche Therapien immer relevant. Die Entzündung resultiert aus vermehrt vorliegenden Lymphozyten in Tränendrüse und Bindehaut und mehr proinflammatorischen Zytokinen auf der Augenoberfläche (2) aufgrund von äusserlichen Stressfaktoren. Die antientzündliche Therapie orientiert sich unter anderem nach dem Behandlungsalgorithmus des Tear Film and Ocular Surface Society Dry Eye Workshop II (TFOS DEWS II) (3). Dieser empfiehlt eine Stufentherapie, wonach die 1. Stufe unter anderem Modifikation der Umweltfaktoren, Befeuchtung der Augen sowie Lidhygiene, die 2. Stufe nebst anderem topische Glukokortikoide, Antibiotika und andere antientzündliche Therapien und die 3. Stufe auch Eigenserumaugentropfen vorsieht. In der 4. Stufe werden unter anderem zusätzlich chirurgische Verfahren vorgeschlagen (3). Mit Steroiden ist eine Symptomreduktion infolge Reduktion der proinflammatorischen Zytokine im Tränenfilm erreichbar, diese ist aber nicht immer anhaltend. Ob Steroide einen Effekt auf Osmolarität, Stippung und Tränenfilm-Aufreisszeit (break-up time, BUT) hätten, sei gemäss Studienlage allerdings fraglich, so Ott. Die Tränensekretion wird durch Steroide nicht verbessert. Die Indikation für steroidhaltige Augentropfen lautet daher: nicht infektiöse Entzündung des vorderen Augensegments beziehungsweise der Konjunktiva. Als steroidhaltige Augentropfen können Dexamethason (Dexafree®) und Fluorometholon (FML®) angewendet werden, Hydrocortison (Softacort®) nach Kostengutsprache. Vorteil von steroidhaltigen Augentropfen ist ihre rasche Wirkung, allerdings ohne nachhaltigen Effekt; ein längerfristiger
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BERICHT
Mögliche Ursachen der «dry eye disease»
▲ Umweltfaktoren: z. B. Staub, Wind, Kontaktlinsen ▲ reduzierte Blinzelfrequenz: z. B. bei visueller Anstrengung oder
neurologischen Erkrankungen ▲ Lidproblematik: Blepharitis, Meibomdrüsendysfunktion, Fehlstel-
lungen Expositionskeratopathie ▲ atopische Erkrankungen, Allergien ▲ hormonelle Veränderungen: z. B. im Rahmen des physiologischen
Alterns ▲ Schilddrüsenerkrankungen ▲ unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Antidepressiva, Antihista-
minika, Betablocker, Diuretika, orale Kontrazeptiva ▲ Autoimmunerkrankungen: z. B. Sjögren-Syndrom ▲ Traumata: z. B. Verätzungen ▲ ophthalmochirurgische Eingriffe: refraktive Chirurgie ▲ neurotrophe Keratopathie: z. B. bei Diabetes oder Herpes ▲ Vitamin-A-Mangel
Quelle: M. Ott, FOMF Ophthalmologie 2023
Tabelle:
Tränenersatzmittel (Auswahl)
Povidon: Hyaluronsäure: Carboxymethylcellulose: Propylenglycol: Homöopathisch:
Protagent®, Oculac® Lacrycon®, Hylo Comod®, Bepanthen PRO® (+ Dexpanthenol) Celluvisc®, Optive® Systane® Similasan® trockene Augen
Quelle: compendium.ch
Einsatz erhöht jedoch die Nebenwirkungen. CiclosporinAugentropfen (Ikervis®) werden spezifisch bei schwerer Keratokonjunktivitis sicca eingesetzt. Sie reduzieren Symptome, Stippung und die proinflammatorischen Zytokine im Tränenfilm, was die entzündungsbedingt verminderte Tränenproduktion steigern kann. Vorteil von Ciclosporin-Augentropfen ist das günstige Nebenwirkungsprofil. Die Wirkung tritt jedoch verzögert ein, dafür ist sie nachhaltiger. Am sinnvollsten scheint daher laut Ott eine vorübergehende Kombination von Steroiden mit Ciclosporin während 2 bis 4 Wochen zu sein, um danach mit Ciclosporin allein während mindestens 6 Monate weiterzubehandeln. Besteht eine Indikation für Antibiotika, kann mit Tetrazyklinen und Makroliden (Doxycyclin bzw. Azithromycin) behandelt werden. Dabei entscheidet das Nebenwirkungsprofil über die Wahl der Substanzklasse. Vom Einsatz von NSAR-Augentropfen zur Schmerzreduktion rät die Expertin aufgrund von möglichen Epitheldefekten dagegen ab. s
Valérie Herzog
Quelle: «Dry Eye Disease: eine Indikation für antientzündliche Therapie?», FOMF Ophtalmologie, 9.6.2023.
Referenzen: 1. Schiffman RM et al.: Reliability and validity of the Ocular Surface Disease
Index. Arch Ophthalmol. 2000;118(5):615-621. doi:10.1001/archopht.118.5.615. 2. Ling J et al.: Current advances in mechanisms and treatment of dry eye disease: toward anti-inflammatory and immunomodulatory therapy and traditional chinese medicine. Front Med (Lausanne). 2022;8:815075. doi:10.3389/fmed.2021.815075. 3. https://www.tfosdewsreport.org/report-definition_und_klassifikation/ 48_36/de/. Letzter Abruf: 14.5.24.
Ophthalmologie
Ausgewogene Ernährung kann das Sehvermögen stärken
Eine gute Nährstoffversorgung kommt auch der Augengesundheit zugute. Sie kann das Fortschreiten der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), der diabetischen Retinopathie, des Grünen Stars oder auch des trockenen Auges positiv beeinflussen, eventuell sogar verlangsamen, wie sich in grossen bevölkerungsbasierten Studien zeigte. Professor Dr. med. Andreea Gamulescu von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) empfiehlt für die Augengesundheit eine ausgewogene, mediterrane Ernährung. «Auf dem Teller sollte eine möglichst bunte Farbpalette an rotem, gelbem und grünem Gemüse sowie Obst dominieren», erläutert sie. «Auch fettreicher Fisch, Olivenöl sowie Verzicht auf übermässig viel rotes Fleisch und Milchprodukte sind zu empfehlen.» Welche einzelnen Komponenten in der Ernährung konkret welche Wirkung auf die Augen entfalteten, sei in Studien schwierig nachzuweisen.
Gesichert ist jedoch, dass bestimmte Nährstoffe eine Wir-
kung auf die Sehfunktionen ausüben. So bilden die Karoti-
noide Lutein und Zeaxanthin das Makulapigment, das zum
Lichtschutz der Zellen und zur Sehfunktion im Dunkeln bei-
trägt. «Es ist wichtig, Karotinoide durch den Verzehr von
Obst und grünblättrigem Gemüse aufzunehmen, da unser
Körper sie nicht selbst herstellen kann», betont Gamulescu.
Weitere wichtige Augennährstoffe sind die Vitamine A, C
und E, die Vitamine B und Folsäure, Omega-3-Fettsäuren
und Mineralstoffe. Dazu gehört insbesondere Zink, aber
auch weitere Mikronährstoffe wie Selen, Curcumin und Res-
veratrol sind wichtig. «Auch sie übernehmen zellschützende
Funktionen, sind wichtig für den Sehzyklus und unterstützen
Reparatur- oder Regenerationsvorgänge am Auge», erklärt
Gamulescu.
DOG/PS s
Medienmitteilung Deutschen Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) vom 27.02.2024.
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