Transkript
BERICHT
Netzhautablösung und Glaukom
Erblindung durch Früherkennung zuvorkommen
Dunkle Punkte, die durchs Gesichtsfeld ziehen, Lichtblitze oder Schatten, die sich über Teile des Sichtfelds legen, könnten erste Anzeichen für eine Netzhautablösung sein, die unbehandelt zu schweren Sichteinbussen und sogar zur Erblindung führen kann. Auch das Glaukom, das tückischerweise symptomlos voranschreitet, kann unbehandelt zur Erblindung führen. An der Pressekonferenz der Stiftung Auge der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft erklärten Experten, wonach gesucht werden muss, um das Sehvermögen zu erhalten.
Eine Netzhautablösung kann unbehandelt zur Erblindung führen. Daher spielten die Früherkennung und die Initiierung geeigneter therapeutischer Massnahmen eine essenzielle Rolle, betonte Prof. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn und Vorsitzender der Stiftung Auge. Frühsymptome umfassen sogenannte Glaskörpertrübungen, die auch als «mouches volantes» bezeichnet werden. Dabei werden bewegliche Flusen und Punkte, besonders auf hellem Hintergrund, beklagt. Weitere Symptome können plötzlich auftretende, kurze Lichtwahrnehmungen sein, die nicht durch äussere Lichtquellen hervorgerufen werden. Diese werden induziert, indem mechanische Einflüsse auf die Netzhaut einwirken, die vom zentralen Nervensystem fälschlicherweise als Licht interpretiert werden. Hinzukommen können auch «Russregen»-ähnliche Wahrnehmungen, die durch Einblutungen in den Glaskörperraum hervorgerufen werden und durch Myriaden von roten Blutzellen einen beweglichen Schatten werfen. Liegt tatsächlich eine Netzhautablösung vor, werden auch Gesichtsfeldausfälle wahrnehmbar, die beispielsweise als «schwarzer Vorhang» oder «schwarze Mauer» beschrieben werden, je nachdem, welche Teile der Netzhaut betroffen sind.
Riss verursacht Ablösung
Eine Netzhautablösung wird typischerweise durch einen Riss in der Netzhaut ausgelöst. Durch diesen Riss kann Flüssig-
KURZ & BÜNDIG
� Eine frühzeitige Behandlung von Netzhautrissen kann einer Ablösung vorbeugen.
� Je nach Schädigung kommen verschiedene operative Verfahren zum Einsatz; unbehandelt kann es zur Erblindung kommen.
� Glaukome sind weltweit die häufigste Ursache für Erblindung.
� Ein Glaukom entwickelt sich unbemerkt und muss daher gesucht werden. Frühzeitig entdeckt, kann es gut behandelt werden.
keit aus dem Glaskörperraum austreten und die nur lose befestigte Netzhaut leicht abheben. Wichtigste Vorsorgemassnahme sei es daher, die Netzhaut bei gefährdeten Personen in regelmässigen Abständen genau zu untersuchen, um festzustellen, ob bereits Risse als Vorstufe für eine Netzhausablösung vorlägen, so Holz. Als Risikofaktoren hierfür gelten ein höheres Alter, Kurzsichtigkeit, eine zurückliegende Kataraktoperation sowie frühere Verletzungen des Auges durch Fremdkörper. Aber auch der Aufprall eines Balls oder ein Faustschlag stellen Risiken dar. Wenn sich ausserdem an einem Auge bereits eine Netzhautablösung ereignet hat, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das andere Auge ebenfalls erkrankt.
Therapeutische Massnahmen je nach Schädigung
Liegt ein Netzhautriss vor, ohne dass es schon zu einer Netzhautablösung gekommen ist, kann dieser mit einer Laserbehandlung oder Kryokoagulation versorgt werden, mit der die umgebende Netzhaut mit der Unterlage quasi verschweisst wird, sodass sie sich nicht mehr ablösen kann. Ist die Netzhaut allerdings bereits abgelöst, ist ein operativer Eingriff erforderlich, wie Holz ausführte. Bei umschriebener Ablösung und einfacher Netzhautlochsituation kommt die sogenannte Buckelchirurgie infrage, bei der eine SilasticSchaumstoff-Plombe von aussen auf das Auge aufgenäht und so die Netzhaut wieder an ihre Unterlage, das retinale Pigmentepithel, herangeführt wird. Danach lässt sich wiederum die Netzhaut mittels Laser- oder Kältebehandlung fest verbinden. Ist die Netzhaut dagegen an mehreren Stellen geschädigt oder bereits auf einer grösseren Fläche abgelöst, erfordert dies eine Operation im Augeninneren. Hierfür werden winzige Instrumente ins Auge eingeführt, mit denen der im Augeninneren liegende, gelartige Glaskörper ausgeschnitten und entfernt wird. Auch hier werden die Netzhautrisse am Ende mit Lasern versorgt. Zusätzlich wird ein Gas oder Öl ins Augeninnere geleitet, das die Netzhaut für einige Zeit an ihre Unterlage drückt und so eine gute Abheilung ermöglicht. Die Netzhaut-Glaskörper-Chirurgie bei einer Netzhautablösung führe in 90 Prozent der Fälle dazu, dass die Netzhaut sich wieder anlagere, berichtete Holz. Manchmal seien allerdings mehrere Eingriffe erforderlich – insbesondere dann,
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wenn sich Narbengewebe als Folge der Ablösung entwickle. Dieses könne über Zug- und Scherkräfte zu einer erneuten Ablösung führen, was erneut chirurgisch behandelt werden müsse. Je früher jedoch eine Netzhautablösung erkannt wird, desto weniger invasiv muss behandelt werden und desto geringer ist das Risiko für Komplikationen wie dauerhafte Beeinträchtigungen oder Erblindung.
Glaukomentwicklung bleibt lange unbemerkt
Auch ein unerkanntes Glaukom kann zur Erblindung führen. Dabei handelt es sich um eine ganze Gruppe von Augenerkrankungen, bei denen meist der Augeninnendruck erhöht oder auch die Durchblutung gestört ist und dadurch der Sehnerv geschädigt wird. Das Risiko für die Entwicklung eines Glaukoms steigt mit zunehmendem Alter. Besteht die Erkrankung über Jahre, kann ein Verlust des Sehvermögens eintreten. Die Glaukomerkrankungen sind weltweit die häufigste Ursache irreversibler Erblindung. Werde die Erkrankung jedoch früh erkannt, könne sie sehr gut behandelt werden, betonte Prof. Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz (D). Trotz der schweren Auswirkungen verlaufe die Erkrankung lange unbemerkt, denn die Veränderungen seien nicht schmerzhaft, und tückischerweise werde das Zentrum des Sehens erst spät befallen, wodurch einfache Sehtests die Erkrankung nicht erfassten, so Pfeiffer. Eine gross angelegte Bevölkerungsstudie mit 17 000 Teilnehmern (Gutenberg-Gesundheitsstudie in Mainz) ergab, dass sich 51 Prozent der Glaukomerkrankten ihrer Erkrankung gar nicht bewusst sind.
Nun gibt es gleich 2 neue Forschungsansätze, um diese heim-
tückische Erkrankung aufzuspüren und mit rechtzeitiger Be-
handlung Erblindung zu verhindern, wie der Experte berich-
tete. Untersuchungen an der Mainzer Augenklinik haben
zum einen ergeben, dass in der Tränenflüssigkeit glaukom-
typische Veränderungen in der Proteinstruktur nachzuwei-
sen sind (1), sodass mit einem einfachen Test, ähnlich einem
Coronatest, Erkrankte frühzeitig erkannt und für die weitere
Untersuchung einem Augenarzt zugeführt werden könnten.
Als grobes Screening könnte dieses Verfahren für die Früh-
erkennung des Glaukoms dereinst nützlich sein.
Die weitere Diagnostik erfolgt dann durch Untersuchung des
Augenhintergrunds und Messung des Augeninnendrucks.
Hierbei soll zum anderen in Zukunft künstliche Intelligenz
unterstützen. So ist es gelungen, mit einer durch künstliche
Intelligenz gestützten Bildanalyse aus einfachen Fotoaufnah-
men des Sehnervs am Augenhintergrund Erkrankte von Nor-
malpersonen zu unterscheiden (2). Dieses Verfahren entlastet
die Augenärzte, die sich damit in Zukunft besser auf die Er-
krankten fokussieren können. Momentan wird in Studien
geklärt, wie eine solche Früherkennung am effektivsten ein-
gesetzt werden kann.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Pressekonferenz der Stiftung Auge», 15.Mai 2024.
Referenzen: 1. Schmelter C et al.: Synthetic Polyclonal-Derived CDR Peptides as an In-
novative Strategy in Glaucoma Therapy. J Clin Med. 2019 Aug 15;8(8):1222. doi: 10.3390/jcm8081222. 2. Lima-Cabrita AF et al.: AI-(Em)Powered Screening: Glaucoma Post Study. Presented at the Association for Research in Vision and Ophthalmology, 2024, Seattle, Abstract 0268.
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