Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Der ESC und die unterhaltsamen Diskussionen darüber sind vorbei. Thema sind neu die ähnlich umstrittenen Miss-Wahlen. Ihren Höhepunkt hatten die Schönheitswettbewerbe in den 60erund 70er-Jahren, als Frauen noch Männern gefallen wollten und Männer nichts weiter sein mussten als … Männer: es waren die Zeiten von Jean-Paul Belmondo, Marlon Brando, Ursula Andress, Marilyn Monroe. Heute? Man darf es wieder tun: Frauen nach ihrem Aussehen beurteilen! (Vorderhand noch) ohne MeToo-shitstorm. Denn die zur Wahl stehenden Missen sind heute … KI-generiert. Schöpfungen nichtmenschlicher Intelligenzen. Statt «Miss»-Wahl heisst der Bewerb «World AI-Creator Awards». Wer die schönste und am klügsten antwortende künstliche Beauty kreiert, gewinnt 20‘000 Dollar. Die Jury besteht übrigens aus zwei realen Menschen und … zwei künstlichen KI-Models. Schon spannend, auf welch raffinierten Wegen das verpönte Alte zurückfindet in unsere neue woke Welt.
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Der Bundesrat (ja, genau der, der sich eigentlich um die wichtigen Regierungsgeschäfte kümmern sollte) verbietet ab 1. September 2024 den Verkauf und das Pflanzen von … na klar … Pflanzen. Man schaut in seinen eigenen Garten (oder den des Nachbarn) und ist irritiert. Sind wir nicht mit vielen dieser Blüten aufgewachsen? Dem wunderschönen Sommerflieder etwa. Gut, wenn das Grünzeug so widerlich heisst wie Rundblättriger Baumwürger, Riesenbärenklau, Lästiger Schwimmfarn, Giftsumach, Knöterich, Bastardindigo oder Wasserpest mag ein Verbot ja noch angehen, aber warum nur will man so sympathisch benamste Pflanzen wie den Kirschlorbeer, die südlich frohes Ambiente vermittelnde Tessinerpalme (nördlich der Alpen sowieso in Töpfen interniert), den Sommerflieder, den Blauglockenbaum oder Lupinen los-
werden? Weil sie «gefährlich» sind! Hhmm … da stellen (angeblich) einfache Gemüter in Kommentaren rasch die provokante Frage, ob’s nicht Fremdes gebe, das gefährlicher sei als zum Beispiel das eifrig wachsende Berufskraut. Weitere Kommentare von Gegnern der bundesrätlichen botanischen Gängelung gefällig? Frau Blum, dem Feminismus zugetan, meint trotzig: «Mein Garten gehört mir!» Herr Strüchli mosert: «Sind Kartoffeln nicht auch fremde eingeschleppte Pflanzen? Vielleicht sollte man Rösti (er meint natürlich «den» Rösti) verbieten.» Und Frau Baumeler antwortet auf den beschwichtigenden Kommentar des Herrn Sauber, es gebe doch genug schöne einheimische Pflanzen und schliesslich müsse ja niemand Pflanzen ausreissen, mit einem knurrigen «Ausser wenn Ihr netter Nachbar Sie anzeigt und behauptet, Ihr arrogant leuchtender Essigbaum verhalte sich aggressiv gegenüber seinen Fleissigen Lieschen.»
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An den Universitäten ist man endlich im Jahr «1984» angelangt. In George Orwells gleichnamigem Roman nämlich, in dem Big Brothers Partei bestimmt: «Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke.» An den Unis von «2024» erklären protestierende Studenten den Nahen Osten in Orwellscher Manier: «Massaker sind Protest, Selbstverteidigung ist Genozid, beides nicht voneinander zu unterscheiden ist Pflicht.»
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Wären die Studenten wirklich «Studierende» – wie sie heute ganz offensichtlich falsch genannt werden – fänden sie weder Motivation noch Zeit fürs Demonstrieren.
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Tiere sind Menschen sehr ähnlich, z. B. die mitteleuropäischen Schwarzkehlchen (Vogel des Jahres 2022). Die klugen Schönlinge verbringen den Winter oft im Mittelmeerraum und kehren seit ein paar Jahren immer seltener zurück. Lieber bleiben sie im Süden, wo das Wetter wärmer, das Fliegen ungehinderter und der Food (Insekten, Würmer) günstiger ist, es weniger gefährliche Invasoren (Katzen) gibt und man endlich wieder unter sich ist.
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Der Geschäftsführer des Wurstherstellers «Rügenwalder Mühle» (mit erstaunlich guten veganen Gerichten!) bringt auf den Punkt, womit Nichtdeutsche ein Problem haben: «Wir Deutschen würden am liebsten allen andern sagen, was und wie sie’s zu tun haben. Aber auf keinen Fall wollen wir belehrend und besserwisserisch wirken.» Ein deutscher Kollege übersetzte den Satz so: «Das deutsche Wesen: Rechthaberei kombiniert mit verkrampfter Bescheidenheit.»
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Onkel Hugo hält’s mit Klaus Kinski: «Glück ist für mich, wenn mir niemand auf den Sack geht.» (Wehe, es fragt jemand: Wer ist Klaus Kinski?!)
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Gelesen und genickt: In «Aktenzeichen XY ungelöst» haben fast alle Täter Migrationshintergrund. Im sonntäglichen «Tatort» nie.
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Und das meint Walti: Was macht man, wenn man älter wird? Man blickt zurück. Wohin soll man sonst blicken?
Richard Altorfer
ARS MEDICI 12 | 2024
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