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BERICHT
Reisemedizin
Fieber nach Tropenaufenthalt
Die beiden wichtigsten Erkrankungen, an die bei Reiserückkehrern mit Fieber gedacht werden sollte, sind Malaria und Denguefieber, erklärte Dr. med. Sabine Jordan, Sektion Infektiologie und Tropenmedizin am Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE), Hamburg (D), beim FOMF-Refresher Innere Medizin. Dabei ging sie unter anderem auch auf neuere Therapiemöglichkeiten ein.
In den Jahren vor der Coronapandemie seien in Deutschland im Schnitt etwa 1000 Malariafälle/Jahr und rund 800 Fälle von Denguefieber gemeldet worden, so Jordan. Malaria findet sich besonders häufig in der Gruppe der sogenannten VFR (visiting friends and relatives). Denguefieber ist dagegen eher die Krankheit der klassischen Touristen.
Malaria
Welche Länder sind es, in denen am häufigsten eine Malariainfektion stattfindet? Als Top 5 sind zu nennen: Nigeria, Kamerun, Ghana, Togo und Elfenbeinküste. Dabei dominiert mit 81 Prozent die Malaria tropica (Plasmodium falciparum).
Diagnostik Der Schnelltest sei allerdings nicht der Goldstandard der Diagnostik, so Jordan. Er liefert zwar schnelle und in vielen Fällen auch sehr gute Ergebnisse, aber er kann auch falsch-positiv und bei niedriger und vereinzelt auch bei sehr hoher Parasitämie falsch-negativ ausfallen. Man darf sich also nicht auf den Schnelltest allein verlassen. Goldstandard bleibt die Mikroskopie im Blutausstrich und im Dicken Tropfen, weil sie sensitiver und vor allem deutlich spezifischer ist. Dieser Test erfordert allerdings spezielle Erfahrung, und das EDTA (Ethylendiamintetraacetat)-Blut muss sofort ans Labor geschickt werden. Der in der Kasuistik beschriebene Patient erfüllt mit Sicherheit Kriterien für eine komplizierte Malaria. Dazu gehören: s Bewusstseinsstörungen, epileptische Anfälle
KURZ & BÜNDIG
� Goldstandard der Malariadiagnostik ist die Mikroskopie im Blutausstrich und im Dicken Tropfen.
� Die komplizierte Malaria kann mit Artesunat gut behandelt werden.
� Denguefieber äussert sich oft durch Thrombo- und Leukopenie sowie Leberbeteiligung.
s respiratorische Insuffizienz (Surrogatmarker: periphere arterielle Sauerstoffsättigung SpO2 < 92%)
s Schock oder Hypotonie (Blutdruck systolisch < 90 mmHg plus Tachykardie [trotz Volumentherapie])
s Spontanblutungen s Urinausscheidung < 400 ml/24 h; Hämoglobinurie (sog.
Schwarzwasserfieber) s Ausgeprägte Schwäche mit Unfähigkeit, zu sitzen, zu ste-
hen oder zu laufen (Prostration).
Laborkriterien sind: s Hypoglykämie < 40 mg/dl (< 2,22 mmol/l) s Azidose oder Laktaterhöhung s Hyperkaliämie > 5,5 mmol/l s Kreatinin > 2,5 mg/dl (> 22 µmol/l) bzw. im Verlauf rasch
ansteigende Kreatininwerte s schwere Anämie s Bilirubin > 3 mg/dl (50 µmol/l) mit Parasitämie > 100 000/
µl.
Parasitologisches Kriterium für eine komplizierte Malaria ist eine Parasitämie mit P. falciparum > 250 000/µl (≥ 5%) beziehungsweise mit P. knowlesi > 100 000/µl (≥ 2%). Zu bedrohlichen Komplikationen kann die Malaria führen, weil die durch die Plasmodien befallenen Erythrozyten an der Oberfläche kleine Noppen ausbilden, die sich an die Endothelien hängen und dadurch kleinste Kapillaren verstopfen können. Dadurch kommt es zu schweren Organmanifestationen. Diese Komplikationen treffen vor allem Kleinkinder und Schwangere sowie Reisende wegen der fehlenden Immunität.
Therapie der komplizierten Malaria Mit Artesunat steht inzwischen ein sehr gut wirksames Medikament zur Verfügung, das in einer Dosierung von 2,4 mg/kg Körpergewicht (KG) als langsamer Bolus über 5 min zu den Zeitpunkten 0, 12 h, 24 h, 48 h und 72 h injiziert wird. Daran schliesst sich eine orale Therapie an, analog der Therapie bei unkomplizierter Malaria. Die Patienten müssen allerdings darüber aufgeklärt sein, dass Artesunat in Deutschland (wie auch in der Schweiz) bislang nicht zugelassen ist. Es kann
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Tabelle:
Medikamentöse Malariaprophylaxe*
Medikament (Handelsname) Prophylaxe
Atovaquon/Proguanil
1 Tbl. pro Tag (= 250/100 mg); 1–2 Tage
(Malarone® und Generika)
vor bis 7 Tage nach Aufenthalt in einem
Malariagebiet; ab KG ≥ 40 kg
Doxycyclin
100 mg pro Tag: 1–2 Tage vor bis 4 Wochen
(Vibramycin® und Generika)
nach Aufenthalt in einem Malariagebiet
Mefloquin (Mephaquin®)
1 Tbl. pro Woche (= 250 mg); 1–3 Wochen
vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt
in einem Malariagebiet
Artemether/Lumefantrin
Nicht geeignet
(Riamet®)
Therapie inkl. Notfallmässige Selbstbehandlung (NSB) Je 4 Tbl. (1.000/400 mg) als Einzeldosis pro Tag, an 3 aufeinanderfolgenden Tagen; ab KG ≥ 40 kg Ausserhalb einer Kombinationstherapie nicht geeignet Wird aufgrund potenziell schwerwiegender Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen 4 Tbl. initial (= 80/480 mg), dann jeweils 4 Tbl. nach 8, 24, 36, 48 und 60 h; ab KG ≥ 35 kg
KG: Körpergewicht * nach Rothe C et al.: Empfehlungen zur Malariaprophylaxe. Flug- und Reisemed. 2021;28:162-198
Kasuistik 1: Malaria*
Eine 45-jähriger Mann wird in deutlich reduziertem Allgemeinzustand aus einem anderen Spital eingeliefert. Vor zirka einer Woche hatte er sich bei seinem Hausarzt mit Fieber und Myalgien vorgestellt und eine empirische Therapie mit Cefuroxim erhalten. Im Verlauf haben sich dann Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen entwickelt. Die Ehefrau fand ihn abends dann nur schwer weckbar auf dem Sofa liegend vor. Vor 16 Tagen sind beide von einem Aufenthalt in Nigeria, der Heimat des Ehemannes, zurückgekehrt. Eine Malariaprophylaxe sei durchgeführt worden. In der Computertomografie (CT) des zuweisenden Spitals waren eine massive Hirnschwellung sowie im Labor eine ausgeprägte Thrombozytopenie (8.000/ml) und ein erhöhtes Kreatinin von 6,3 mg/dl im Sinn eines schweren Nierenversagens und ein mit 260 mg/l massiv erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) nachweisbar. Der Patient erhielt daraufhin eine empirische Antibiotikatherapie mit Ampicillin, Ceftriaxon und Aciclovir. Wegen des Verdachts auf eine Malaria hatte die verlegende Klinik bereits einen Schnelltest in die Wege geleitet, der während des Transports positiv wurde.
* Aus Datenschutzgründen wurden die persönlichen Angaben zu dem Fall von Frau Dr. Jordan verändert.
aber inzwischen nicht nur aus China, sondern auch aus den USA bezogen werden. Mögliche Nebenwirkungen sind fieberhafte Reaktionen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und vorübergehende Retikulozytopenie. Ausserdem wurden transfusionspflichtige Hämolysen bis zu 4 Wochen nach Therapieende beobachtet. Neben der intravenösen Artesunattherapie wurde bei dem Patienten bei akutem Nierenversagen und Laktazidose eine Hämodialyse eingeleitet. Bei genauerem Nachfragen erklärte die Ehefrau schliesslich, dass ihr Mann und sie in Nigeria aus Angst vor Nebenwirkungen nicht die rezeptierte Malariaprophylaxe mit Atovaquon/Proguanil eingenommen hatten, sondern stattdessen ein homöopathisches Präparat zur Malariaprophylxe. Inzwischen hatte auch die Ehefrau Symptome wie Fieber und
Schüttelfrost bemerkt. Im Blutausstrich konnte ebenfalls eine Malaria tropica diagnostiziert werden, jedoch mit unkompliziertem Verlauf, sodass eine orale Therapie mit Artemether/ Lumefantrin über 3 Tage genügte. Insbesondere bei höheren Parasitämien sind Artemisininkombinationspräparate aufgrund ihres rascheren Wirkeintritts gegenüber Atovaquon/ Proguanil zu bevorzugen.
Was lernen wir daraus? s Bei Fieber nach Tropenaufenthalt sollte man immer sofort
eine Malariadiagnostik einleiten, auch wenn eine regelmässige Malariaprophylaxe angegeben wird. s Reisende sollte man immer über die Notwendigkeit einer Malariadiagnostik bei Fieber nach Rückkehr aus einem Malariarisikogebiet aufklären. s Bedenken/Ängste hinsichtlich potenzieller Nebenwirkungen der Malariaprophylaxe sollte man bereits in der reisemedizinischen Beratung offen diskutieren.
Malariaprophylaxe Hauptverbreitungsgebiet der Malaria ist der Subsaharabereich in Afrika; für Reisende in diese Regionen empfehlen Jordan und ihr Team eine Prophylaxe mit Atovaquon/Proguanil. Diese Prophylaxe wird von der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin (DTG) auch empfohlen für das südamerikanische Amazonasgebiet. Dort dominieren allerdings die Malaria-tertiana-Formen, die milder und extrem selten tödlich verlaufen. Bei dieser Malariaform werden Leberdauerformen ausgebildet, die man durch die Prophylaxe nicht komplett verhindern kann. Das heisst, dass man eine Erkrankung zwar während der Reise verhindern kann, nicht aber, dass nach Wochen oder Monaten Schübe auftreten, wenn die Reisenden schon wieder zuhause sind. Einen Überblick über die medikamentöse Malariaprophylaxe gibt die Tabelle.
Denguefieber
Denguefieber äussert sich sehr oft durch eine Thrombo- und Leukopenie und eine Leberbeteiligung sowie eventuell bei
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Kasuistik 2: Dengue
Eine 51-jährige Patientin stellt sich in der zentralen Notaufnahme vor mit starker Abgeschlagenheit, verfrühtem Einsetzen der Regelblutung mit Hypermenorrhö sowie starkem Juckreiz an den Extremitäten. Vorausgegangen war ein Aufenthalt in Indien mit dem Besuch einer Hochzeit. Dort hatte sie Fieber, Schüttelfrost, Husten, Gliederschmerzen und eine massive Abgeschlagenheit entwickelt. Eine spezifische Reiseberatung hatte nicht stattgefunden. Im Labor fielen eine Leuko- und Thrombozytopenie sowie erhöhte Transaminasen, Gammaglutamyltransferase (GGT) und Kreatinkinase (CK) auf. Der Dengue-NS1(non structural protein 1)-Antigen-Schnelltest war positiv.
schwerem Verlauf auch durch eine Niereninsuffizienz (erhöhtes Kreatinin). In der Regel verläuft Dengue nicht so schwer. Es gibt aber auch schwere Verläufe mit Blutungskomplikationen, insbesondere nach einer Zweitinfektion. Warnzeichen sind Bauchschmerzen, Erbrechen, Wasseransammlungen, Lethargie, Lebervergrösserung oder Verschiebungen im Hämatokrit.
Therapie Bei einer Infektion mit dem Denguevirus gibt es keine spezifische antivirale Therapie. Es wird lediglich supportiv behandelt mit Analgesie (bevorzugt Paracetamol; cave: keine Acetylsalicylsäure [ASS] und keine nicht steroidalen Antirheumatika [NSAR]), ausreichender Flüssigkeitssubstitution und bei schweren Verläufen intensivmedizinischer Versorgung. Im beschriebenen Fall konnte die Patientin nach 2 Tagen wieder entlassen werden. Zur Prävention von Dengue sind Repellenzien (Diethyltoluamid, DEET), den Körper bedeckende Kleidung, Moskitonetze in klimatisierten Räumen (wobei Aedes-Mücken tagaktiv sind) sowie Mückengitter an
Fenstern und Türen zu nennen. Stehendes Wasser (Blumen-
töpfe) sollte man regelmässig austauschen.
Ausserdem stehen seit Kurzem Impfstoffe zur Verfügung.
Dengvaxia® (in der Schweiz nicht zugelassen) ist ein Leben-
dimpfstoff von Sanofi Pasteur, der aufgebaut ist auf einem
Gelbfieber-Backbone, das heisst, man hat in ein Gelbfieber-
virus Genomanteile von Dengue eingebaut. Es wurden grosse
Impfkampagnen in den Philippinen gestartet, bis man dann
in Verlaufsstudien gesehen hat, dass die Hospitalisierungs-
rate bei den 2- bis 5-jährigen Kindern, die man geimpft hatte,
bei Impfdurchbrüchen deutlich zunahm. Der Impfstoff ist
deshalb nur zugelassen für Menschen, die schon einmal Den-
gue durchgemacht haben. Dadurch ist in den Philippinen
eine enorme Skepsis gegenüber Kinderimpfungen entstan-
den.
Ein weiterer Impfstoffkandidat, der tetravalente Leben-
dimpfstoff TAK-003 (Qdenga®; in der Schweiz noch nicht
zugelassen), konnte Schutzraten zwischen 50 und 95 Prozent
erzielen, je nach Serostatus vor der Impfung. Er schützt gut
bei Serotyp 2, bei den anderen nicht ganz so gut. Dieser Impf-
stoff hat keine schwereren Verläufe bei Impfdurchbrüchen
gezeigt. Ausserdem konnte ein anhaltend hoher Schutz gegen
schwere Verläufe gezeigt werden. Deshalb hat Qdenga® auch
eine EU-Zulassung (12/22) für Kinder ab 4 Jahren und Er-
wachsene bekommen und ist seit Februar 2023 in Deutsch-
land erhältlich. Man braucht 2 subkutane Injektionen im
Abstand von 3 Monaten.
s
Vera Seifert
Interessenlage: keine Angaben
Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 5/23. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.
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