Transkript
BERICHT
Reiseimpfungen
Nicht nur an exotische Krankheiten denken
Wenn es um Reiseimpfungen geht, mag mancher spontan eher an Impfungen gegen Krankheiten wie Gelbfieber, Dengue, Typhus oder Cholera denken. Am 25. Forum Reisen und Gesundheit des CRM Centrum für Reisemedizin informierte Prof. Tomas Jelinek nicht nur über diese Impfungen, sondern über die ebenso wichtigen Routineimpfungen, an die insbesondere vor Reisen gedacht werden sollte. Eine reisemedizinische Beratung ist immer eine gute Gelegenheit, den Impfstatus generell zu überprüfen und Impflücken zu schliessen.
Wenn es um die Inzidenz reisebedingter Erkrankungen geht, deren Risiko mithilfe einer Impfung gemindert werden kann, liegen nicht die typischen Tropenkrankheiten auf den ersten Plätzen, sondern COVID-19 und Influenza. Für beide schätzte ein Autorenteam unter der Leitung von Dr. Robert Steffen, Universität Zürich, die Inzidenz auf etwa 1 Prozent pro Reisemonat, das heisst, dass innert 1 Monat wahrscheinlich 1 von 100 Reisenden daran erkranken wird (1). Erst auf Platz 3 folgt das Dengue-Fieber mit einer Inzidenz von 0,5 bis 0,8 Prozent pro Reisemonat; daran erkranken demnach innert 1 Reisemonat 5 bis 8 von 1000 Reisenden mit Zielen in Dengue-Regionen, und wahrscheinlich muss 1 von ihnen deswegen ins Spital (1). An Gelbfieber erkrankt je nach Reiseregion 1 von 1000 bis 1 von 10 000 Reisenden, an Typhus je nach Region 1 von 10 000 bis 1 von 1 Million Reisenden (1).
Influenza als Reisekrankheit
Influenza sei «die vielleicht am meisten unterschätzte, impfpräventable Reisekrankheit», sagte Prof. Tomas Jelinek, Präsident der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin. Jelinek ist wissenschaftlicher Leiter des CRM in Düsseldorf und
KURZ & BÜNDIG
� Die Beratung zu Reiseimpfungen ist eine gute Gelegenheit, allfällige Lücken bei Routineimpfungen zu finden und diese zu schliessen.
� Zu den ohnehin empfohlenen Impfungen, die auch für Reisen besonders relevant sind, gehören Impfungen gegen Influenza, COVID-19, FMSE, Pneumokokken, Meningokokken sowie Hepatitis B.
� Gegen Tollwut sollten vor Reiseantritt 3 Dosen Impfstoff gegeben werden.
� Für den Herbst 2024 wird die Zulassung eines Dengue-Impfstoffes in der Schweiz erwartet.
medizinischer Direktor am Berliner Centrum für Reise und Tropenmedizin. Bekanntermassen schwankt die Wirksamkeit der Influenza-Impfung je nach Treffsicherheit des Impfcocktails von Jahr zu Jahr (2). Wer sich jede Saison impfen lasse, habe aber auf jeden Fall einen Vorteil, denn er «hamstere» sozusagen immer neue Gedächtniszellen gegen die unterschiedlichen Virenstämme, sagte Jelinek. Neben den konventionellen Influenza-Impfstoffen, die auf Virenkulturen in befruchteten Hühnereiern beruhen, gibt es Influenza-Impfstoffe auf Zellkulturbasis. Diese zellbasierten Impfstoffe seien den konventionellen leicht überlegen, sagte Jelinek. Das gleiche gelte für die adjuvantierten im Vergleich mit nicht adjuvantierten Impfstoffen – mit einer Ausnahme: Hoch dosierte Influenza-Impfstoffe ohne Adjuvanz seien offenbar genauso wirksam wie adjuvantierte Impfstoffe. Deshalb empfahl Jelinek, für chronisch Kranke und ältere Personen entweder einen adjuvantierten (in der Schweiz sind keine adjuvantierten Influenza-Impfstoffe auf dem Markt) oder einen hoch dosierten Influenza-Impfstoff zu verwenden. In der Schweiz wird die Influenza-Impfung nun für alle ≥ 65-Jährigen als ergänzende Impfung empfohlen, nicht nur für Risikogruppen. Für diese Altersgruppe gebe es gute Gründe, den Hochdosisimpfstoff (Efluelda®) zu verwenden, heisst es im aktuellen Schweizerischen Impfplan. Der Hochdosisimpfstoff wird für alle ≥ 75-Jährigen von den Krankenkassen bezahlt sowie für Personen ab ≥ 65 Jahre, mit mindestens einem weiteren Risikofaktor für schwere Grippeerkrankungen aufgrund einer Komorbidität (5). Die in der Schweiz verfügbaren Grippeimpfstoffe Efluelda®, Fluarix Tetra® und Vaxigrip Tetra® enthalten Viruspartikel in fragmentierter Form (Splitvakzinen), die mittels Virenkultur in befruchteten Hühnereiern gewonnen werden. Die genannten Impfstoffe enthalten keine Adjuvanzien (3). Ebenfalls in der Schweiz zugelassen, aber zurzeit nicht verfügbar sind das Nasenspray Fluenz Tetra®, welches attenuierte Influenzaviren aus Hühnereikultur enthält, und der nicht auf Hühnereiern sondern auf Zellkulturen basierende Impfstoff Flucelvax Tetra® (4).
266
ARS MEDICI 12 | 2024
BERICHT
COVID-19
Zur Impfung gegen COVID-19, an die insbesondere auch bei Reisen gedacht werden sollte, stehen je nach saisonal zirkulierenden Virusvarianten angepasste Impfstoffe zur Verfügung. In der Saison 2023/24 waren es die mRNA-Impfstoffe Comirnaty® Omicron XBB1.5 von Pfizer/BioNTech und Spikevax® XBB1.5 von Moderna sowie der adjuvantierte Proteinimpfstoff Nuvaxovid® XBB1.5 von Novavax. Die beiden mRNA-Impfstoffe sind auch in der Schweiz zugelassen und verfügbar; für den Proteinimpfstoff steht die Schweizer Zulassung noch aus (2).
Vor FSME schützen
In der Schweiz wird die Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) allen Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren empfohlen, die in einem FSME-Risikogebiet wohnen oder sich zeitweise dort aufhalten (5). Mit Ausnahme der Kantone Tessin und Genf gelten mittlerweile alle Regionen der Schweiz als FSME-Risikogebiete. Die genannten Kantone seien von FSME «bisher weitgehend verschont», schreibt das BAG (6). Mit Bezug auf die Verbreitungskarten in Deutschland wies Jelinek darauf hin, dass man «weisse Flecken» auf einer Landkarte nicht mit völliger Freiheit von FSME gleichsetzen dürfe. In Deutschland etwa bedeute «kein Risikogebiet» lediglich, dass es weniger als 1 Fall pro 100 000 Einwohner sei, einem Schwellenwert für Risikogebiete. Sicherheitshalber sollte «jeder, der viel draussen ist, über die FSME-Impfung nachdenken», so Jelinek. Wie in Studien nachgewiesen worden sei, halte der Impfschutz lang an, sodass eine Auffrischimpfung, anders als im Beipackzettel angegeben, nur alle 10 Jahre notwendig sei. In der Schweiz wird die Auffrischimpfung ebenfalls erst nach 10 Jahren empfohlen (5). Zugelassen sind hierzulande die Impfstoffe FSME-Immun CC® und Encepur® (4).
Pneumokokken
Die Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe umfassen mit jeder neuen Impfstoffgeneration weitere Serotypen. Waren es zu Beginn noch 7 Pneumokokken-Serotypen (PCV7), ist mittlerweile in der Schweiz ein 15-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff zugelassen (PCV15, Vaxneuvance®). Im aktuellen Schweizerischen Impfplan wird für alle ≥ 65-Jährigen, die nicht gegen Pneumokokken geimpft sind oder nur mit dem früher verwendeten PPV23-Impfstoff geimpft wurden, die Impfung mit 1 Dosis des Konjugatimpfstoffs empfohlen. Dasselbe gilt für jüngere Erwachsene, die ein erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokken-Erkrankungen haben (5). In Deutschland liegt die Altersgrenze für die routinemässige Pneumokokkenimpfung Erwachsener mit 60 Jahren niedriger. Da dort seit Anfang 2022 ein 20-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff zugelassen ist, empfahl Jelinek, diesen zu verimpfen. Er wies darauf hin, dass bereits ein 21-valenter Impfstoff in der Pipeline sei.
Meningokokken
Die Verbreitungskarten der verschiedenen Meningokokken-Serotypen seien für die Entscheidung einer entsprechenden Reiseimpfung wenig hilfreich, sagte Jelinek. Zum einen sei es sehr schwierig, aktuelle Daten zu den weltweiten Sero-
prävalenzen zu erhalten, weil man auf Sentinel-Daten angewiesen sei. Zum anderen könne man sich praktisch überall infizieren: «Alle Serotypen kommen überall hin.» Insofern sei es sinnlos, selektiv zu impfen. In der Schweiz wird eine ergänzende Impfung gegen Meningokokken für Säuglinge und Jugendliche empfohlen (5). Zugelassen sind die quadrivalenten (ACWY) Impfstoffe Menveo® und MenQuadfi® und ein gegen den Serotyp B gerichteter Impfstoff (Bexsero®) (4). Das Schweizerische Expertenkomitee für Reisemedizin empfiehlt die Meningokokken-Impfung für Reisen in den «Meningitis-Gürtel» (südlich der Sahara) bei einem Aufenthalt von mehr als 4 Wochen sowie für Personen, die im medizinischen Umfeld arbeiten oder Risikofaktoren für invasive Meningokokken-Infektionen haben. Bei Ausbrüchen der Krankheit in der geplanten Reiseregion (meist in der Trockenzeit von im Dezember bis Juni) sollten sich alle Personen impfen lassen, die länger als 7 Tage dort sein werden oder engen Kontakt mit der lokalen Bevölkerung haben werden (7). In Deutschland gibt es weitere Meningokokken-Impfstoffe, darunter auch einen Impfstoff, der sich nur gegen den C-Serotyp richtet. Falls ein Kind nur mit diesem Impfstoff geimpft worden sei, könne man ihm den quadrivalenten Impfstoff trotzdem ohne Probleme verimpfen, sagte Jelinek. In den USA wurde Ende 2023 ein pentavalenter Impfstoff zugelassen, der sich gegen alle 5 Serotypen richtet. Dieser Impfstoff könnte in einigen Jahren auch in Europa und der Schweiz verfügbar sein.
Unterschiedlicher Verlauf von Dengue-Infektionen
Weltweit nimmt die Zahl der Dengue-Infektionen zu. Im letzten Jahr wurden weltweit rund 5 Millionen Dengue-Infektionen und 5000 durch das Virus verursachte Todesfälle gemeldet (8). Infizierte Reisende bringen das Virus schon seit vielen Jahren mit nach Europa; in der Schweiz wurden im vergangenen Jahr 292 Fälle gemeldet (9). In Europa potenziell ansteckend ist die Krankheit jedoch erst, seitdem die das Virus übertragenden Mücken der Gattung Aedes auch in europäischen Regionen heimisch geworden sind. Seit 2010 sind einzelne Fälle autochthoner Dengue-Infektionen in Europa bekannt. Im vergangenen Jahr waren es 43 Fälle in Frankreich, 3 Fälle in Spanien und 81 Fälle in Italien, berichtete Jelinek. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis das erste Dengue-Cluster in Deutschland auftreten werde. Das sei aber kein Grund für Panikmache, denn mit einem Massenausbruch sei auch dann nicht zu rechnen. Wichtig hingegen ist die Dengue-Impfung für Reisende in Gebiete, in denen das Virus weit verbreitet ist, wie zum Beispiel in Lateinamerika und Südostasien. Vom Dengue-Virus sind 4 Serotypen bekannt. Das Besondere an der Dengue-Infektion ist, dass die erste Infektion meist weniger schwer verläuft; etwa die Hälfte der Betroffenen ist asymptomatisch. Gefürchtet sind hingegen die schweren Verläufe, die nach einer zweiten Infektion (mit einem anderen Serotyp) entwickeln können. Bei dieser Zweitinfektion lagern sich die vorhandenen Antikörper aus der Erstinfektion an den Erreger der Zweitinfektion an, binden diesen aber nicht richtig und können ihn somit auch nicht beseitigen. Im Gegenteil: Durch das Anlagern erleichtern sie dem Erreger
268
ARS MEDICI 12 | 2024
BERICHT
das Eindringen in die Zellen, ein Effekt der als «antibody dependant enhancement» bezeichnet wird. Die Virusreplikation wird dadurch gesteigert. Man sei lange davon ausgegangen, dass dies der entscheidende Trigger für schwere Verläufe nach einer Dengue-Zweitinfektion sei, sagte Jelinek. Mittlerweile wisse man aber, dass dieser Mechanismus bei weitem nicht der einzige Schlüsseltrigger sei. Es gibt mehrere Faktoren und einer davon ist das NS1-Protein, welches zusätzlich zum Virus von den infizierten Zellen produziert wird. Es schädigt die Kapillaren und bewirkt entzündliche Reaktionen bis hin zum hämorrhagischen Fieber. Antikörper gegen NS1 seien protektiv gegen diese Komplikation, sagte Jelinek. Deshalb sei NS1 wahrscheinlich der Grund dafür, dass es auch bei der Erstinfektion schwere Verläufe geben könne sowie generell der Grund für die individuell unterschiedlichen Verläufe bei Dengue-Infektionen – je nachdem, ob jemand Antikörper gegen NS1 bilde oder nicht.
Dengue-Impfung für Reisende
In der EU ist seit Dezember 2022 ein neuer Dengue-Impfstoff zugelassen (Qdenga®). Mit der Zulassung in der Schweiz wird für die zweite Jahreshälfte 2024 gerechnet (10). Während in der EU-Zulassung kein Unterschied bezüglich des Dengue-Infektionsstatus gemacht wird, empfehlen die deutsche Impfkommission STIKO und das Schweizerische Expertenkomitee für Reisemedizin, nur Reisende zu impfen, die bereits eine bestätigte frühere Dengue-Infektion hatten und in eine Region mit einer signifikanten Dengue-Übertragung reisen (8, 10). Die Deutsche Fachgesellschaft für Reisemedizin (11) und das CRM (8) sehen das anders: «Dengue ist häufig und Dengue ist gefährlich – und das nicht nur beim zweiten Mal», betonte Jelinek. Deshalb sollten auch Dengue-naive Personen geimpft werden. Man sollte den Lebendimpfstoff nicht «last minute» impfen, weil mit Nebenwirkungen wie Muskel- und Gliederschmerzen sowie Hautausschlägen in der 2. Woche nach der Impfung gerechnet werden müsse, sagte der Referent. Für Schwangere, Stillende, Immunsupprimierte und Kinder unter 4 Jahren ist der Impfstoff kontraindiziert. Anders als bei einem früheren Dengue-Impfstoff scheint Qdenga® für Dengue-naive Personen nicht mit dem Risiko eines schweren Verlaufs verbunden zu sein, wenn sie sich später mit dem Dengue-Virus infizieren. Dieses Phänomen hatte zu einem Rückzug des ersten Dengue-Impfstoffs (Denvaxia®) geführt, der weltweit kaum noch verimpft wird.
Cholera
Die Schluckimpfung mit Dukoral® schütze 2 Jahre lang mit 80-prozentiger Sicherheit vor der Cholera, sagte Jelinek. Darüber hinaus schütze sie auch vor dem hitzelabilen Toxin enterotoxischer E.-coli-Bakterien (ETEC). In der Schweiz wird eine Cholera-Impfung nur bei humanitären Einsätzen empfohlen (12). Im CRM empfehle man diese Impfung auch (off label) für gefährdete Personen, die leicht Diarrhö bekommen, so Jelinek.
Protektionsraten von 55 bis 65 Prozent», sagte der Referent. Nicht in der Schweiz verfügbar ist die Impfung mit einem Polysaccharidimpfstoff (Typhim Vi®). Diese Impfung schütze für zirka 3 Jahre. Man solle jedoch vermeiden, immer wieder damit zu impfen, weil das mit der Zeit zu einer verminderten Reaktion führen könne: «Dann hat man einen noch schlechteren Effekt.» Der orale Impfstoff mit attenuierten Salmonella-typhi-Bakterien ist in der Schweiz unter dem Handelsnamen Vivotif® zugelassen (4). Auch diese Impfung schützt für zirka 3 Jahre. Hinzu komme der Vorteil, dass die orale Impfung gleichzeitig eine Schutzwirkung von 30 bis 45 Prozent gegen Paratyphus biete, sagte Jelinek. Gemäss Empfehlung des Schweizerischen Expertenkomitees für Reisemedizin wird diese Impfung Langzeitreisenden empfohlen sowie für Reisen in Gebiete, in denen das Risiko einer Typhus-Infektion besonders hoch ist oder die Krankheit aufgrund einer schweren Antibiotikaresistenz schwerer zu behandeln wäre (13).
Lebenslanger Schutz vor Gelbfieber
Der Nachweis der Gelbfieber-Impfung ist bei der Einreise in viele Ländern zwingend erforderlich. Eine Impfdosis genüge für einen lebenslangen Schutz, sagte Jelinek. Eine Auffrischimpfung, wie sie früher alle 10 Jahre empfohlen wurde, ist gemäss Empfehlung der WHO nicht notwendig. Trotzdem empfiehlt das Schweizerische Expertenkomitee für Reisemedizin aus Sicherheitsgründen eine einmalige Auffrischimpfung nach 10 Jahren, das heisst maximal 2 Impfdosen im Leben, damit von einer lebenslangen Immunität ausgegangen werden könne (14). Bei dem Gelbfieberimpfstoff (Stamaril®) handelt es sich um einen Lebendimpfstoff. Es seien Todesfälle aufgrund von Impfgelbfieber bekannt und man vermutete, dass ein Alter von > 60 Jahren hierbei ein Risikofaktor sei, berichtete Jelinek. Eine kürzlich publizierte Studie gebe jedoch Entwarnung. Eine Auswertung über 17 Jahre Gelbfieberimpfung habe die vermutete Assoziation zwischen Impfgelbfieber und Alter widerlegt (15).
Hepatitis A und B
In der Schweiz wird die Hepatitis-A-Impfung (Havrix®) für alle Reisen in subtropische und tropische Länder empfohlen (15). Die Hepatitis-B-Impfung wird in der Schweiz als Basisimpfung empfohlen sowie als Nachholimpfung für alle Jugendlichen und Erwachsenen, es sei denn, es gebe kein Expositionsrisiko (Engerix® B20, Hbvaxpro®) (5). Darüber hinaus wird sie vom Schweizerischen Expertenkomitee für Reisemedizin allen jungen Menschen und Risikoreisenden empfohlen, insbesondere wenn diese regelmässig reisen oder sich für längere Zeit im Ausland aufhalten, sich im Ausland eine ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung unterziehen oder Aktivitäten mit erhöhtem Hepatitis-B-Ansteckungsrisiko möglich sind, wie Tätowierungen, Piercing oder Akupunktur unter unsicheren Bedingungen, sowie bei einem erhöhten Risiko für ungeschützten Geschlechtsverkehr (16).
Typhus
Nichts Neues hat sich bei den Impfstoffen gegen Typhus getan: «Wir haben immer noch 2 schlechte Impfstoffe mit
Japanische Enzephalitis auch in Australien
In den betroffenen Regionen leben mehr als 3 Milliarden Menschen. Die Anzahl der Fälle beträgt pro Jahr zirka 30 000
ARS MEDICI 12 | 2024
269
BERICHT
bis 50 000 Patienten mit einer Mortalitätsrate von 5 Prozent. Das Virus wird durch Stechmücken übertragen. Es ist mittlerweile nicht nur in Südostasien und Teilen Chinas verbreitet, sondern kommt seit etwa 2 Jahren auch in Australien vor. Nach Ansicht von Jelinek sei es jedoch irreführend auf den Verbreitungskarten Australien nun flächendeckend als Endemiegebiet zu markieren: «Dazu sind es zu wenig Fälle.» Ob die Impfung (Ixiaro®) auch für Reisen nach Australien sinnvoll ist oder nicht, sei eine Einzelfallentscheidung, sagte der Referent. Wenn beispielsweise jemand plane, in ländlichen Gebieten unterwegs zu sein, würde er dieses Risiko ansprechen (z. B. «work & travel»). Die Schweizerischen Empfehlungen zur Impfung gegen die Japanische Enzephalitis lauten (für alle Risikogebiete) ähnlich. Als Risikoreisende gelten demnach Personen, die in ländlichen Gebieten arbeiten, ausgiebige Outdoor-Aktivitäten planen oder länger als 4 Wochen verreisen sowie Personen, die in Regionen reisen, in denen die Erkrankung ausgebrochen ist (17).
3 Impfdosen gegen Tollwut
Das Tollwutrisiko sei immer auch eine Frage des Verhaltens, sagte Jelinek: «Ich bin nicht davon überzeugt, dass ich jeden Reisenden gegen Tollwut impfen muss.» Andererseits gebe es nie eine 100-prozentige Sicherheit, und er erlebe bei den Reisenden eine sehr hohe Bereitschaft, sich gegen Tollwut impfen zu lassen. Die Impfung ist aus seiner Sicht indiziert bei einem Risiko für Tierbisse in Regionen mit einer schlechten Impfstoffversorgung. Die Verabreichung von 3 Dosen plus 1 Booster führe in der Regel zu einer lebenslangen Immunität. Wer 3-mal geimpft wurde, verfüge über genügend protektive Immunglobuline, sodass er im Fall eines Tierbisses keine Immunglobuline benötige, sondern nur eine Boosterimpfung, sagte Jelinek. Wie in Studien in Thailand gezeigt werden konnte, reiche auch nach einer nur 2- oder gar nur 1-maligen Impfung ein Booster für das rasche Entwickeln protektiver Immunglobuline aus, sodass nach einem Biss nicht zwingend Immunglobuline verabreicht werden müssten (18). Das sei für Länder mit einer hohen Tollwutinzidenz und ausreichend Impfstoff zwar eine Alternative, um teure
Linktipps
Empfehlungen des Schweizerischen Expertenkomitees für Reisemedizin www.healthytravel.ch
Schweizerischer Impfplan 2024 www.rosenfluh.ch/qr/impfplan2024
Ärztinnen und Ärzte mit Bewilligung für Gelbfieberimpfung und Impfstellen für Reisende www.rosenfluh.ch/qr/gelbfieber
Immunglobuline einzusparen – nicht aber für Reisende, die
zum Zeitpunkt des Bisses über protektive Antikörper verfü-
gen müssten, sagte Jelinek.
Nach nur 2 Impfungen habe man eben nicht genügend pro-
tektive Antikörper (Antikörpertiter 0,5 IE/ml) und müsste im
Reiseland nach dem Biss rasch eine Booster-Impfung organi-
sieren, was in vielen Ländern mit nur wenig verfügbarem
Tollwutimpfstoff schwierig oder unmöglich sein könne. Am
CRM empfehle man deshalb, sich vor Antritt der Reise mit 3
Dosen impfen zu lassen, um einen ausreichenden Titer an
protektiven Antikörpern zu gewährleisten.
In der Schweiz stehen 2 Impfstoffe gegen Tollwut zur Verfü-
gung (Rabipur®, Tollwut-Impfstoff Mérieux®) (4). Die Imp-
fung wird vom Schweizerischen Expertenkomitee für Reise-
medizin dringend empfohlen, wenn Langzeitaufenthalte in
betroffenen Gebieten geplant sind, aber auch bei kurzen Rei-
sen mit hohem individuellen Risiko (z. B. Radreisen, Wande-
rungen, Kinder bis zu einem Alter von 8 Jahren). Ausserdem
sei die Impfung sinnvoll für Personen, die mit Tieren arbeiten
sowie für Höhlenforscher (Kontaktrisiko mit Fledermäusen)
(19).
s
Renate Bonifer
Quellen: Vortrag von Prof. Tomas Jelinek: Update Reiseimpfungen. 25. Forum Reisen und Gesundheit des CRM Centrum für Reisemedizin am 8. und 9. März 2024 in Berlin. Alle Angaben zu Empfehlungen, Zulassungen und Verfügbarkeit von Impfstoffen in der Schweiz wurden von der Autorin des Berichts ergänzt.
Literatur: 1. Steffen R, Chen LH, Leggat PA: Travel vaccines-priorities determined by
incidence and impact. J Travel Med. 2023;30(7):taad085. 2. www.infovac.ch 3. Saisonale Grippe und Grippeimpfung 2023/2024. BAG-Bulletin 2023;41:10-
17. 4. Angaben zu in der Schweiz verfügbaren Impfstoffen gemäss Swissme-
dic-Verzeichnis: Impfstoffe, Blutprodukte und andere immunologische Humanarzneimittel, die der Chargenfreigabepflicht und/oder Einzeleinfuhrbewilligungspflicht unterstehen (Stand: 31.03.2024) oder gemäss Fachinformationen (www.compendium.ch). 5. Schweizerischer Impfplan 2024, Stand März 2024. 6. www.bag.admin.ch, abgerufen am 18.4.2024. 7. www.healthytravel.ch > Impfungen > Meningkokokken; abgerufen am 22. April 2024. 8. CRM-Empfehlung zur Impfung gegen Dengue bei Reisenden, Januar 2024. https://crm.de; abgerufen am 20. April 2024. 9. BAG-Statistik zu Infektionskrankheiten; abgerufen am 20. April 2024. 10. www.healthytravel.ch > News > Dengue-Impfung – Stellungnahme des Schweizerischen Expertenkomitees vom 22.3.2024. 11. Stellungnahme der deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin (DFR) zur Impfung gegen Dengue bei Reisenden. https://www.fachgesellschaft-reisemedizin.de; abgerufen am 16. April 2024. 12. www.healthytravel.ch > News > D.R. Kongo: schlimmste Cholera-Epidemie seit 2017 vom 1. September 2024. 13. www.healthytravel.ch > Impfungen > Abdominaltyphus; abgerufen am 21. April 2024. 14. www.healthytravel.ch > Impfungen > Gelbfieber; abgerufen am 21. April 2024. 15. Cottin P, Niedrig M, Domingo C: Safety profile of the yellow fever vaccine Stamaril®: a 17-year review. Expert Rev Vaccines. 2013;12(11):1351-1368. 16. www.healthytravel.ch > Impfungen > Hepatitis A und Hepatitis B; abgerufen am 21. April 2024. 17. www.healthytravel.ch > Impfungen > Japanische Enzephalitis; abgerufen am 21. April 2024. 18. Langedijk AC et al.: Rabies Antibody Response After Booster Immunization: A Systematic Review and Meta-analysis. Clin Infect Dis. 2018;67(12):1932-1947. 19. www.healthytravel.ch > Impfungen > Tollwut; abgerufen am 21. April 2024.
270
ARS MEDICI 12 | 2024