Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Lys Assia, Céline Dion, Nemo – wie die Welt sich verändert hat! Vom Gesangsund Kompositionswettbewerb zum Klamauk-, Queerness- und schrillen Outfit-Spektakel. Schade? Vielleicht, aber wer würde sich heute an einem Samstagabend schon Lys Assia anschauen? OK, auch die Gegenfrage sei erlaubt: Wer schaut sich schon freiwillig Nemo oder Bambie Thug (Irland) an? Soll man sich über den ESC nerven und aufregen? Natürlich soll man, das macht den ESC aus. Genau wie Politik. Was wäre Malmö gewesen ohne die von allerlei (diesmal politischen) Profiteuren ausgenutzte, sich inzwischen selbst überschätzende, Opfer und Täter verwechselnde linke Aktivistin Greta Thunberg? Genau: noch ein Mü langweiliger. Immerhin waren zwei Drittel der Auftritte ziemlich identisch: 1 Frau, leichtbekleidet, gesangsbemüht und hüftwedelnd, umtanzt von 4 (oder 5) muskulösen Hampeln. Dazu laute Musik vom Band. Und viel farbig blinkendes Licht. Alles gut, heute ist heute, die Vergangenheit ist vergangen. Udo (1966), ABBA (1974) oder Nicole (1982) sind den Jüngeren kaum mehr als ein gnädiges Lächeln wert. Was bleibt der Schweiz? Nationalstolz! «Wir» haben gewonnen. Warum «wir»? Weil Nemo ist wie die Schweiz: Erstens anders. Zweitens nett. Und das ist schon ziemlich viel.
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VW verkauft E-Autos. Ein paar. Kein Vergleich mit der Zahl der verkauften Autos mit Verbrennermotoren, die man, so der Eindruck, nur deshalb noch herstellt, weil die Leute E-Autos ums Verrecken nicht lieben wollen. Ganz interessant dazu eine Schlagzeile von vorvorgestern: «VW verkauft mehr Currywürste als Autos.»
sss
Jeffrey Dahmer war ein Massenmörder. Er brachte 17 junge Männer um und frass seine Opfer auf. Er war also
das, was man einen Kannibalen nennt. (Seine Geschichte erschien 2022 auf Netflix als Serie unter dem Titel «Dahmer».) Gefasst und hinter Gitter gesetzt, zeigte sich bei Dahmer ein arg makabrer Humor. Nervöse Wärter erschreckte er mit einem plötzlichen «Ich beisse!». Und abends hängte er manchmal ein selbst gebasteltes Schild in seiner Zelle auf: «Heute Abend: Treffen der anonymen Kannibalen». Sein extrem schwarzer Sarkasmus kostete ihn allerdings am Ende sein Leben. 1994 hatte ein Mithäftling genug von Dahmers «Scherzen» und erschlug ihn – ziemlich humorlos. Was wir daraus lernen? Humor hilft nicht in allen Lebenslagen.
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Eine uralte Erkenntnis: Männer werden nicht älter, nur ihre Spielzeuge werden teurer.
sss
Wo Müll deponiert wird, wird noch mehr Müll abgelagert. Und wo Geld sich häuft, landet Geld erst recht. Man spricht vom sogenannten Matthäus-Effekt. Das Phänomen wird auch in Sprichwörtern thematisiert, etwa im bekannten «Wer hat, dem wird gegeben». Oder: «Es regnet immer dorthin, wo es schon nass ist». Oder: «Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu». In bodenständigem Schweizerdeutsch heisst das: «De Tüüfel schisst immer uf de gröscht Huufe.» Es wäre zu hoffen, die europäischen Politiker würden den Matthäus-Effekt ernster nehmen und danach handeln. Denn er gilt auch bei Gewalt und Kriminalität: Gewalt ist ansteckend! Ob im Viertel, in der Schule oder international: Wer Gewalt und Gewalttätigen nicht sofort, resolut und mit weniger als null Toleranz begegnet, wird sie nicht mehr los. Wer migrantische Gewalt mit Armut, Perspektivlosigkeit, traumatischen Erfahrungen oder Diskriminierung kleinredet, erntet mehr Gewalt. Wer linke und rechte Anti-
semiten protestieren lässt, erntet Antisemitismus. Und wer Jugendlichen ihre Messer, Islamisten ihre Parolen und Dealern und Dieben ihre Freiheit lässt, findet sich am Ende in einer Gesellschaft wieder, in der das Fuchteln mit Messern, religiöser Fundamentalismus, aber auch Einbrüche, Drogenhandel und Diebstähle «normal» geworden sind.
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Erinnern Sie sich? April 2023: Alarm! Noch nie war der Pegelstand des Gardasees so niedrig (47 cm). Bauern, Touristiker, Klimatiker, die ganze Po-Ebene zittern: Der Klimawandel bedroht uns mit einer Jahrtausenddürre. Mai/Juni 2023: Der Pegel des Gardasees ist wieder völlig durchschnittlich (90 cm). Entwarnung! Und überhaupt: Im Mai/Juni 2007 war der Pegel noch tiefer (35 cm) als im Alarm-April 2024, im September 2007 sogar rekordtief (10 cm) – nur hat’s damals keinen interessiert. Vielleicht auch deshalb, weil der Pegel ein halbes Jahr später, im Juni 2008, bereits wieder rekordhoch war (140 cm). Und heute, Mai 2024? Alarm, Alarm! Noch nie war der Pegel des Gardasees im April so hoch (130 cm). Na gut, im Dezember 2002 war er dann kurze Zeit bei 140 cm – genau wie im Juli 1995. Fazit: Man hat’s nicht einfach als Alarmist. Gut, dass die Leute deren Mist rasch vergessen. (Übrigens: Der Gardasee ist 346 m tief! Doch, doch, der Pegelstand hat mit der Menge an Wasser im See schon zu tun. Ein ganz klein wenig.)
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In Deutschland heisst es jetzt: Säufst du noch, oder kiffst du schon?
sss
Und das meint Walti: Deutsche neigen zu vorausschauender Verzweiflung.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 11 | 2024