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BERICHT
Künstliche Intelligenz
KI erkennt kardiale Amyloidose
Die kardiale Amyloidose ist eine schwere Erkrankung, bei der sich fehlgefaltete Proteine im Myokard ansammeln und die Herzfunktion beeinträchtigen. Da die Erkrankung zu schwerwiegenden Komplikationen wie Herzinsuffizienz und unbehandelt in vielen Fällen zum Tod führt, ist eine frühzeitige Diagnose unerlässlich, um rechtzeitig mit einer Behandlung beginnen zu können. Ein internationales Forschungsteam der MedUni Wien hat ein KI-System entwickelt und getestet, mit dem sich Herzamyloidose automatisiert und zuverlässig erkennen lässt. Die Ergebnisse der Studie wurden in «Lancet Digital Health» publiziert.
Bis vor wenigen Jahren konnte die kardiale Amyloidose nur anhand einer Myokardbiopsie diagnostiziert werden. Seit einigen Jahren ist das auch nicht invasiv via 99mTc-Szintigrafie möglich, bei der Amyloidablagerungen schwarz aufscheinen. Der szintigrafische Nachweis von kardialen Amyloidablagerungen ist diagnostisch für eine kardiale Amyloidose. Diese Diagnosemethode ist angewiesen auf eine subjektive Beurteilung, was zu Fehldiagnosen führen kann. Eine automatisierte Erkennungssoftware sollte die positiven Ergebnisse sicher erkennen können. Das neue KI-System wurde anhand von Datensätzen von 16 241 Patienten entwickelt und validiert, die sich zwischen 2010 und 2020 an 9 Institutionen in Europa und Asien einer Szintigrafie unterzogen. Diese wird zur Diagnose von Krebs-, Schilddrüsen-, Nieren- und Herzerkrankungen eingesetzt. Das neue KI-Tool kann Herzamyloidosen während einer Szintigrafie automatisiert erkennen und somit die Diagnosestellung entscheidend beschleunigen.
Kardiale Amyloidose
Die kardiale Amyloidose ist eine infiltrative Störung, hervorgerufen durch extrazelluläre Ablagerungen von Amyloidfibrillen, was in der Folge zu Organschädigungen führt. Die Ablagerungen entstehen durch eine Aggregation fehlgefalteter Proteine. Die 2 häufigsten Arten von kardialen Amyloidosen sind die Immunoglobulin-Leichtketten-Amyloidose (AL) und die Transthyrethin-Amyloidose (ATTR). Nach Ausschluss einer AL kann die ATTR szintigrafisch diagnostiziert werden (2). Während eine AL-Amyloidose mit kardialer Beteiligung eine schlechte Prognose aufweist (3), äussert sich eine ATTR-Amyloidose häufig mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion mit langsam progredientem Verlauf und im Vorfeld oft mit neurologischen Manifestationen wie unter anderem Karpaltunnelsyndrom, Bizepssehnenruptur und lumbalen Spinalkanalstenosen (4). Seit einiger Zeit steht eine spezifische Therapie mit Tafamidis zur Verfügung. Diese kann die entstandenen Ablagerungen zwar nicht entfernen, doch ist es damit möglich, neue Amyloidablagerungen zu verhindern und die Krankheitsprogression zu verlangsamen (5).
Mindestens so zuverlässig wie Ärzte
Die KI-Anwendung wurde im Rahmen der gross angelegten
Studie nicht nur entwickelt, sondern auch auf ihre Genauig-
keit im Vergleich zur Diagnoseleistung von Ärzten getestet.
Dabei haben die Forscher herausgefunden, dass das System
eine Herzamyloidose durchgängig mindestens genauso zu-
verlässig erkennen kann wie medizinische Experten. Das For-
schungsteam analysierte ausserdem mögliche Zusammen-
hänge zwischen den Diagnosen des KI-Systems und dem
Auftreten einer Herzinsuffizienz sowie dem Mortalitätsri-
siko. Dabei wurde festgestellt, dass Szintigrafiepatienten, bei
denen das KI-System eine kardiale Amyloidose vorhersagt,
im Vergleich mit Patienten ohne ein solches Ergebnis ein
doppelt so hohes Mortalitätsrisiko und ein mehr als 17-fach
höheres Risiko für eine Herzinsuffizienz haben.
Die kardiale Amyloidose ist eine seltene und oft spät diagnos-
tizierte, aber schwerwiegende Erkrankung, die sich häufiger
als bisher angenommen beispielsweise hinter einer Herzin-
suffizienz verbergen kann. Erst vor ein paar Jahren wurden
erstmals krankheitsmodifizierende Therapien zugelassen, die
das Fortschreiten der kardialen Amyloidose stoppen können.
Da bestehende Proteinablagerungen und damit die Krank-
heit jedoch nicht rückgängig gemacht werden können, spielt
eine frühzeitige und genaue Diagnose für Patienten eine
wichtige Rolle.
s
Valérie Herzog
Referenzen: 1. Spielvogel CP et al.: Diagnosis and prognosis of abnormal cardiac scinti-
graphy uptake suggestive of cardiac amyloidosis using artificial intelligence: a retrospective, international, multicentre, cross-tracer development and validation study. Lancet Digit Health. 2024 Apr;6(4):e251-e260. 2. Donnelly JP et al.: Cardiac amyloidosis: an update on diagnosis and treatment. Cleve Clin J Med. 2017;84(12 Suppl 3):12-26. 3. Palladini G et al.: What is new in diagnosis and management of light chain amyloidosis? Blood. 2016; 128: 159-168. 4. Galuszka OM et al.: Red Flags Suggesting Cardiac Transthyretin Amyloidosis (ATTR) in Clinical Practice. Praxis. 2023;112(5-6):357-361. 5. Zang KW et al.: Emerging Therapeutics for the treatment of light chain and transthyretin amyloidosis. J Am Coll Cardiol Basic Trans Science. 2019;4(3):438-448.
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