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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Die frivole Gisela ist seit dem 7. Oktober nicht mehr dieselbe. Sie sagt jetzt Sätze wie «Du solltest daran denken: Verhandlungen mit dem Teufel sind deswegen wenig erfolgversprechend, weil der Teufel sich auf dein Wort verlassen kann».
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Man kann die letzten Spiele der Schweizer Fussballnationalmannschaft, die sich mit Glück für die EM qualifiziert hat, zum Jahresabschluss auch positiv sehen: «Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss.» Etwas fatalistischer betrachtet, tönt es so: «Haste Scheisse am Schuh, haste Scheisse am Schuh.» (Andi Brehme) Der Fussballintellektuelle hingegen meint: «Man darf jetzt nicht alles so schlechtreden, wie es war.» (Fredi Bobic) Und der Analytiker stellt klar: «Speziell in der zweiten Halbzeit haben wir einen guten Tag erwischt.» (Andreas Möller) Und unsereiner fügt bei: Gratulation, Murat Yakin, Job gesichert. Wäre ja auch ungerecht gewesen, den Trainer für das uninspirierte Gemurkse der Spieler verantwortlich zu machen.
sss
Der Lieblingssatz, nicht nur von Fussballern, nach peinlichen sportlichen oder politischen Leistungen: «Wir werden das analysieren (müssen).»
Seit 2015, dem Beginn der Flüchtlingskrise, behaupten deutsche Politiker – auch heute noch, in allen Talkshows, als wär’s ein Sprung in der Vinylplatte –, die Krise müsse «gesamteuropäisch» und «solidarisch» gelöst werden. Gemeint war und ist: durch von allen EU-Staaten akzeptierte Verteilquoten – eine bereits acht Jahre andauernde Illusion, die nicht totzukriegen ist. Wer bereits 2015 einwandte, das Problem lasse sich nie und nimmer durch eine – völlig unrealistische – «gerechtere» (d. h. Deutschland entlastende) Verteilung lösen, sondern einzig und allein durch eine drastische Beschränkung der Zuwanderung, mit Kontrolle der Grenzen der EU, wurde politisch versenkt, hielt besser den Mund – oder landete bei der AfD (in anderen Ländern beim Front National, bei den Schwedendemokraten, bei der WildersPartei o. Ä.). Heute merken sogar (wenige) Grüne und (manche) Linke, dass weder Lampedusa noch Europa als Ganzes den halben afrikanischen Kontinent (plus Teile von Asien) bei sich aufnehmen kann. Die EU-Politik hat nur zwei Optionen – und die sind allen halbwegs Ehrlichen bekannt: Realitätsverweigerung aufgeben und unangenehme Entscheide treffen (auch wenn’s, bis das Wort «abschotten» salonfähig ist, noch ein paar Monate oder Jahre dauert) oder – schlimmer! – das Feld den politischen Profiteuren überlassen. Wer’s nicht wahrhaben will, soll’s bleiben lassen, aber später nicht jammern.
her hätte kommen können und die andere sehr viel früher hatten, verdient keine nachträgliche Hochachtung, sondern ein paar kräftige Hiebe.
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Sie kennen den Sänger Reinhard Fendrich? Er reimt so schön, zum Beispiel im Song «Midlife Crisis»: «Bevor sie in den Hosen lahmen, geh’n sie zu den losen Damen. Bei Kerzenlicht und bei Champagna, stell’n sie dann fest: Hurra, ich kann ja.»
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Der Spruch tönt etwas unanständig, aber unanständig heisst nicht zwingend unwahr: Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten.
sss
Alte Witze, reloaded: Unterhalten sich zwei Yetis, sagt der eine: «Ich habe gestern Reinhold Messner gesehen.» Meint der zweite: «Was, den gibt’s wirklich?»
sss
Und das meint Walti: Ein Diamant ist auch nur ein Kohlehaufen. Allerdings einer, der es unter Druck zu etwas Besonderem gebracht hat.
Richard Altorfer
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Noch so ein Satz, den niemand mehr ernst nimmt – oder eben nur so ernst, wie man Sätze von überforderten Politikern nehmen sollte: «So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen.»
sss
Richtig ist (nicht nur, weil wir den Satz aus der Werbung kennen): «Es ist nie zu früh und selten zu spät …» Hingegen
stimmt nicht: «Es ist nie zu spät …»
Doch, manchmal ist es zu spät. Und des-
halb sollte gelten: Wer zu spät zu einer
Einsicht kommt, zu der man sehr viel frü-
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ARS MEDICI 24 | 2023