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BERICHT
Helicobacter pylori
Neues zum Magenkeim – und wie er beseitigt wird
Die Infektion mit Helicobacter pylori ist häufig und kann – muss aber nicht – eine ganze Reihe von Beschwerden verursachen. Wann lohnt es sich, den Helicobacter aufzuspüren? Wie lässt er sich am besten beseitigen? Zu diesen und anderen Fragen referierte Dr. Bigna Straumann-Funk der Privatklinik Bethanien, Zürich, am FOMF-Update-Refresher Innere Medizin.
Seit über 30 Jahren ist bekannt, dass die Infektion mit Helicobacter pylori die weltweit häufigste Ursache von Gastritis und Magengeschwüren ist. Somit sind peptische Ulzera meist eine Infektionskrankheit, die per Antibiotikakombination geheilt werden kann. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn seit seiner Entdeckung ist einiges an Wissen zu H. pylori hinzugekommen. «Helicobacter pylori ist ein an das saure Milieu des Magens perfekt angepasstes Bakterium«, erinnerte Straumann-Funk. Das verdankt es dem von ihm produzierten Enzym Urease, das lokal den pH-Wert der Umgebung anhebt und es ihm so ermöglicht, trotz der Säure zu überleben. Die Hälfte der Weltbevölkerung trägt H. pylori in sich, wobei vor allem Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status betroffen sind, die sich bereits in der Kindheit infizieren – vermutlich auf oral-fäkalem Weg. Macht sich H. pylori nicht bemerkbar oder wird nichts dagegen unternommen, persistiert der Keim meist lebenslang im Magen. Wird er aber eradiziert, komme es nur sehr selten zur Reinfektion, so Straumann-Funk.
Wann sollte nach H. pylori gesucht werden?
Wer mit H. pylori infiziert ist, muss nicht zwangsläufig Beschwerden haben. Umgekehrt können die Auswirkungen vielfältig sein. Wann sollte aber nach H. pylori gesucht wer-
KURZ & BÜNDIG
� PPI-Dauertherapie und H-pylori-Infektion erhöhen möglicherweise das Risiko für ein Magenkarzinom über eine atrophe Gastritis.
� H.-pylori-Gastritis fördert Eisen- und Vitamin-B12-Mangel.
� Antibiotikakombinationen zusammen mit Bismut sind sehr effektiv gegen H. pylori.
� Ein nicht invasiver Eradikationsnachweis (z. B. per Stuhlprobe) genügt.
� Reinfektionen nach Eradikation sind selten.
den? Die klassischen Indikationen sind ein Verdacht auf ein peptisches Ulkus, ein MALT(mucosa associated lymphoid tissue)-Lymphom oder ein Magenfrühkarzinom. Doch in der Praxis ist der häufigste Grund für ein H.-pylori-Screening die Dyspepsie. Allerdings seien die Oberbauchbeschwerden meist funktioneller Natur, schränkte Straumann-Funk ein. Selbst wenn der Keim erfolgreich eradiziert werde, blieben die Beschwerden häufig bestehen. Man müsse 15 Eradikationen vornehmen, um bei 1 Patienten die Dyspepsie dauerhaft zu beseitigen. Auch bei Patienten mit ASS(Acetylsalicylsäure)- beziehungsweise NSAR(nicht steroidale Antirheumatika)-Dauertherapie lohnt es sich zu wissen, ob eine H.-pylori-Infektion vorliegt. Denn die Kombination aus den nicht steroidalen Schmerzmitteln und dem Keim fördert Komplikationen wie Magenulzera und Blutungen. Ebenfalls sollte bei einer ungeklärten Eisenmangelanämie oder bei einem Vitamin-B12-Mangel nach H. pylori gesucht werden, denn eine Helicobacter-Gastritis erschwert die Aufnahme von Eisen und Vitamin B12. Bei Patienten mit Immunthrombozytopenie lohnen sich ebenfalls ein Screening und gegebenenfalls die Eradikation von H. pylori. Dies könne erfahrungsgemäss die Thrombozytenzahl wieder anheben, so Straumann-Funk. Auch bei Patienten, die langfristig Protonenpumpenhemmer (PPI) einnehmen, sollte nach H. pylori gesucht werden. Denn die Kombination aus PPI und H.-pylori-Infektion steigert das Risiko für eine atrophe Gastritis, die wiederum ein Risikofaktor für ein Magenkarzinom ist. Personen mit Magenkarzinomen in der Familienanamnese und Menschen asiatischer Herkunft haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für ein Magenkarzinom und sollten daher auf H. pylori untersucht werden.
H.-pylori-Suche nach PPI-Pause
Doch wie kommt man nun dem Helicobacter auf die Spur? Wann ist eine invasive, wann eine nicht invasive Diagnostik erforderlich? Bei der nicht invasiven Diagnostik (Helicobacter-Atemtest oder Antigenstuhltest) sollten Antibiotika mindestens 4 Wochen und PPI mindestens 2 Wochen vor der Diagnostik pausiert werden. Bei der invasiven Diagnostik ist
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eine vorgängige PPI-Pause nicht zwingend, aber von Vorteil. Mögliche Alternativen zur PPI-Medikation sind Antazida oder H2-Blocker.
Nicht invasive Diagnostik
Nicht invasive diagnostische Methoden kommen für Patienten unter 40 Jahren ohne Alarmsymptome infrage. Bei dem etwas aufwändigeren Harnstoffatemtest nehmen die Patienten 13-C-markierten Harnstoff ein. Bei einer Helicobacter-Infektion wandelt die Urease von H. pylori den Harnstoff in Ammoniak und Kohlendioxid um, und das 13-C-markierte Kohlendioxid kann dann in der Atemluft gemessen werden. Die andere nicht invasive – und nach Ansicht von Straumann-Funk praktikablere – Möglichkeit ist der Antigenstuhltest. Wichtig dabei ist, dass die Patienten das Proberöhrchen am gleichen Tag zurückschicken, um falsch negative Befunde zu vermeiden.
Invasive Diagnostik (Gastroskopie)
Invasiv heisst bei der H.-pylori-Diagnostik Gastroendoskopie. Diese sollte bei s Patienten mit Alarmsymptomen, s Personen über 40 Jahren mit Dyspepsie s Menschen mit erhöhtem Magenkarzinomrisiko (Fami-
lienanamnese, asiatische Herkunft) vorgenommen werden. Mit der dabei entnommenen Biopsie kann mittels eines auf Ureasenachweis beruhendem H.-pylori-Schnelltests der Keim festgestellt werden. Klassisch ist der H.-pylori-Nachweis in der Histologie. Die Biopsie kann auch via Kultur zur Antibiotikaresistenztestung genutzt werden.
s Concomitant-Therapie: PPI + Clarithromycin + Metronidazol + Amoxicillin: Es handelt sich um eine Kombinationstherapie, bei der allfällige Resistenzen für Clarithromycin oder Metronidazol durch eine Kombination dieser Antibiotika zusammen mit Amoxicillin überwunden werden können. Die Therapiedauer beträgt 14 Tage.
s Pylera® (Dreifachkombination aus Bismut, Tetrazyklin, Metronidazol) + PPI: Diese Therapie weist die höchste Eradikationsrate auf (> 90%) und wird deshalb heute als Standardtherapie verwendet. Nachteil ist, dass 14 Tabletten pro Tag über 10 Tage eingenommen werden müssen, was eine Herausforderung für die Compliance der Patienten bedeutet.
Second-line-Eradikationsschemata
«Second line» kann bei Versagen von Pylera® eine fluorochi-
nolonbasierte Triple-Therapie (z. B. Levofloxacin, Amoxicil-
lin, PPI) verwendet werden. Wurden «first line» clarithromy-
cinbasierte Therapien eingesetzt, sollte «second line» Pylera®
+ PPI zum Einsatz kommen.
Straumann-Funk wies explizit darauf hin, dass nach jeder
Therapie der Eradikationserfolg nachgewiesen werden muss
– die nicht invasiven Verfahren reichen hier aus. Praktischer
Tipp der Züricher Gastroenterologin: Mit dem Rezept für die
Antibiotikakombination dem Patienten gleich ein Stuhlröhr-
chen mitgeben und ihn anweisen, dieses erst 4 Wochen nach
der Therapie und nach mindestens 2 Wochen PPI-Pause ein-
zuschicken.
Insgesamt lohnt sich der Aufwand zur Eradikation von H.
pylori: Einmal beseitigt, komme es nur sehr selten zur Re-
infektion, so Straumann-Funk.
s
Antibiotikakombinationen zur Eradikation
First-line-Eradikationsschemata s Standard-Triple-Therapie: PPI + Clarithromycin + Amo-
xicillin oder Metronidazol: Früher war die clarithromycinbasierte Triple-Therapie Standard, heute hat sie infolge hoher Resistenzraten von H. pylori gegenüber Clarithromycin in Europa nur noch eine geringe Bedeutung. Bei clarithromycinnaiven Personen aus nordeuropäischen Ländern mit tiefer Clarithromycinresistenz wie Skandinavien ist sie jedoch weiterhin eine gute Therapieoption. Die Therapiedauer beträgt 14 Tage.
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Vortrag «Helicobacter – Diagnostik und Therapietrends« von Dr. med. Bigna Straumann-Funk, Gastroenterologie Bethanien, Zürich, im Rahmen des Update-Refreshers Innere Medizin des Forums für medizinische Fortbildung (FOMF) am 21. Juni 2023 in Zürich.
Referenzen: 1. Malfertheiner P et al.: Management of Helicobacter pylori infection: the
Maastricht VI/Florence consensus report. Gut. 2022; doi: 10.1136/ gutjnl-2022-327745. 2. Fischbach W et al.: Update S2k-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit. Juli 2022, AWMF-Registernummer: 021-001.
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