Transkript
Virushepatitis
Ende gut, alles gut?
BERICHT
Am FOMF-Update-Refresher Innere Medizin in Zürich informierte Beat Helbling von der Gemeinschaftspraxis Gastroenterologie Bethanien, Zürich, über den aktuellen Stand zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Hepatitis B, D und C.
Zu Beginn seines Vortrags ging Helbling zusammen mit dem Publikum der Frage nach, welche Personengruppen gegen Hepatitis B geimpft werden sollten. In der Vergangenheit wurde eine Impfung gegen Hepatitis B nur bei Jugendlichen und bei aktuellen Anlässen oder Reisen ins Ausland empfohlen. Mittlerweile erstreckt sich diese Empfehlung jedoch auf alle Personengruppen. Vor allen Dingen sollten alle Kleinkinder zwischen 2 und 12 Monaten geimpft werden, betonte der Referent. Eine Impfung sei aber auch bei Jugendlichen und sexuell aktiven Erwachsenen angeraten. «Vielen Menschen ist nicht klar, dass sie sich auch hier mit Hepatitis B infizieren können», führte er weiter aus. Für Kleinkinder stehen in der Schweiz Infanrix hexa® und Vaxelis® zur Verfügung. Erwachsene können mit Engerix® B oder Twinrix® geimpft werden.
Wie können Patienten mit chronischer Hepatitis B identifiziert werden?
Da die Impfung in der Schweiz erst spät eingeführt worden sei, könne man davon ausgehen, dass die erwachsene Population nicht gut durchgeimpft sei, erläuterte Helbling. Somit können immer noch viele Personen das Virus übertragen, und es kommen jedes Jahr etwa 1000 Hepatitis-B-Neudiagnosen dazu. Die Anzahl der Hepatitis-C-Patienten steigt in der gleichen Grössenordnung an (Quelle: BAG; Stand: 20.02.2023). Hepatitis A und E sind dagegen eher Raritäten,
KURZ & BÜNDIG
� In der Schweiz sollte bei allen Patienten, die südlich oder östlich vom Gotthard geboren sind, eine Hepatitis-B-Serologie vorgenommen werden.
� Ein serologischer Nachweis der chronischen Hepatitis B ist anhand eines HBs-Ag-Tests möglich.
� Zur Behandlung der Hepatitis D steht Bulevirtid als neues Medikament zur Verfügung.
� Bei der Behandlung von Hepatitis C ist auf eine konsequente Therapietreue zu achten.
ebenso wie die akuten Formen von Hepatitis B und C. Da Patienten mit chronischer Hepatitis B meist keine Beschwerden hätten, fände man sie nur, wenn man aktiv danach suche, erklärte Helbling. Für eine gezielte Vorgehensweise müsse man wissen, dass etwa 80 Prozent der HBV-Patienten einen Migrationshintergrund haben. Weltweit ist Hepatitis B hauptsächlich in Asien oder Afrika und weniger in Nordamerika verbreitet. In der Schweiz sollte bei allen Personen, die südlich oder östlich vom Gotthard geboren sind, eine Hepatitis-B-Serologie vorgenommen werden. Für serologische Untersuchungen im Zusammenhang mit Hepatitis B stehen Tests zur Bestimmung von HBs-Antikörpern (Anti HBs), dem HBs-Antigen (HBs-Ag), HBcAntikörpern (Anti HBc) und der HBV(Hepatitis-BVirus)-DNA zur Verfügung. Zum Nachweis einer chronischen Hepatitis-B-Erkrankung ist HBs-Ag geeignet, während Anti HBs darauf schliessen lässt, dass der Betreffende eine Impfung erhalten oder bereits eine von selbst ausgeheilte Infektion durchgemacht hat (Tabelle).
Hepatitis B ist gut behandelbar
Nicht alle Personen mit einer chronischen Hepatitis B müssen behandelt werden. Eine Therapie ist nur bei Patienten mit einer Leberfibrose (Elastographie/Leberbiopsie) höher als Grad 2, einer Erhöhung der Transaminasewerte um mehr als das Doppelte oder bei einem HBV-DNA-Wert über 2000 IU/l erforderlich. Zur Behandlung der Hepatitis B stehen Tenofovir alafenamid (Vemlidy®) 25 mg/Tag oder das Generikum Tenofovir disoproxil in einer Dosierung von 245 mg/Tag zur Verfügung. Beide Medikamente sind sehr gut verträglich und können über viele Jahre eingenommen werden. Bei Patienten mit chronischer Hepatitis B ohne Leberfibrose und mit normalen Transaminasewerten ist 1- bis 2-mal im Jahr eine Kontrolle der Transaminasen erforderlich. Bei erhöhten Werten sollte eine Bestimmung der HBV-DNA-Werte vorgenommen und der Patient zum Spezialisten überwiesen werden. Unter bestimmten Umständen kann eine Hepatitis B aber auch bei normalen Transaminasewerten exazerbieren. Dies ist beispielsweise bei einer Therapie mit Immunsuppressiva der Fall, etwa bei einer mehrwöchigen Kortisonbehandlung
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BERICHT
Tabelle:
Serologie der Hepatitis B
Impfung
HBs-Ag –
Anti HBs
+
Anti HBc
–
HBV-DNA –
Status nach Hepatitis B – + + –
Chronische Hepatitis B + – + +
oder einer Therapie mit Biologika oder Chemotherapeutika. Deshalb muss 1 Woche vor einer Immunsuppression mit der Therapie begonnen werden.
Hepatitis D
An Hepatitis D erkranken nur Personen, die bereits unter Hepatitis B leiden. Hepatitis D verläuft ungünstiger als Hepatitis B und führt schneller zu einer Zirrhose. Zudem konnte Hepatitis D bis vor Kurzem lediglich mit Interferon behandelt werden, was mit einer begrenzten Wirksamkeit verbunden war. Als neues Medikament steht jetzt Bulevirtid (Hepcludex®) zur Verfügung. Der Wirkstoff blockiert den Eintritt des Hepatitis-B- und Hepatitis-D-Virus in Hepatozyten, indem es an einen Gallensalzlebertransporter bindet, der als HBV/ HDV-Eintrittsrezeptor dient, und diesen inaktiviert. Mit diesem Wirkprinzip soll die Infektion unterdrückt werden (1). In der Schweiz ist das Medikament bis anhin noch nicht offiziell zugelassen, von der European Medicines Agency (EMA) hat es eine provisorische Zulassung erhalten. Helbling hat einen ersten Patienten damit behandelt. Dessen Hepatitis D war nach 1 Jahr nicht mehr nachweisbar, und seine Leberzirrhose hatte sich verbessert.
Hepatitis C
«Die Behandlung der Hepatitis C ist eine Erfolgsgeschichte», betonte Helbling. Lange Zeit konnte diese Form der Hepatitis nur mit Interferon behandelt werden. Heute stehen gezielte Medikamente zur Verfügung, die bei 95 Prozent der Patienten wirksam sind und keine Nebenwirkungen haben. Aufgrund dessen geht die Inzidenz der Hepatitis C entsprechend einer Prognose aus dem Jahr 2002 in der Schweiz immer mehr zurück (2). Dies ist zum einen auf die Prävention, zum anderen aber auch auf den Therapieerfolg zurückzuführen. Die rückläufige Inzidenz macht sich auch am Rückgang der Hepatitis-C-bedingten Leberzirrhose bemerkbar. Vor 10 Jahren war eine Hepatitis C der häufigste Grund für eine Lebertransplantation, mittlerweile ist sie nur noch für etwa ein Drittel der Transplantationen verantwortlich. Derzeit entwickelt sich die nicht alkoholische Fettleber zu einer Volkskrankheit und ist der häufigste Grund für eine Transplantation (3). Die meisten Hepatitis-C-Patienten sind zwischen 35 und 75 Jahre alt, und nur etwa die Hälfte von ihnen hat einen Migrationshintergrund, wie Daten von 2015 bis 2020 aus der Schweiz belegen (4).
Auch für die Hepatitis C stehen verschiedene serologische
Nachweistests zur Verfügung. Der Anti-HCV-Test sagt ledig-
lich aus, ob ein Patient mit dem Virus Kontakt hatte, und
Patienten, die erfolgreich behandelt wurden, sind ein Leben
lang Anti-HCV-positiv. Zum definitiven Nachweis der akti-
ven Erkrankung ist ein HCV-RNA-Test erforderlich.
Die Behandlung der Hepatitis C kann vom Hausarzt mit
Epclusa® oder Maviret® vorgenommen werden. Beide Medi-
kamente sind bei über 90 Prozent der Patienten wirksam,
und es kommt nur selten zu Nebenwirkungen. Allerdings
müssen potenzielle Interaktionen mit anderen Medikamen-
ten beachtet werden. Nach abgeschlossener Behandlung sind
die Patienten geheilt.
Bei einer Hepatitis C ohne Leberzirrhose oder bei einer Zir-
rhose Child A erhalten Patienten aller Genotypen entweder 8
Wochen lang 1-mal täglich 3 Tabletten Maviret® mit den
Mahlzeiten oder 12 Wochen lang 1-mal täglich 1 Tablette
Epclusa®. Die Wirksamkeit beider Medikamente ist ver-
gleichbar. Patienten mit einer Leberzirrhose Child B sollten
zum Spezialisten überwiesen und dort mit Epclusa® behan-
delt werden. Bei einer Niereninsuffizienz ist nur Maviret®
möglich. Für Therapieversager steht noch eine Rescue-
Therapie mit der Dreifachkombination Vosevi® (Sofosbuvir/
Velpatasvir/Voxilaprevir) zur Verfügung. Darauf sprechen
95 Prozent der Patienten an, bei denen eines der beiden ande-
ren Medikamente nicht ausreichend wirksam war.
Der Referent wies ausdrücklich darauf hin, dass die Medika-
mente vorschriftsmässig ohne Unterbrechung eingenommen
werden müssen. Zur Überprüfung der Compliance sollten
deshalb während der Therapie regelmässige Kontrollen statt-
finden. 3 Monate nach Beendigung der jeweiligen Therapie
wird dann anhand eines HCV-RNA-Tests geprüft, ob die
Therapie angeschlagen hat und der Patient geheilt ist.
Die Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C sind für
Kinder ab 12 Jahren oder ab einem Gewicht von 30 Kilo-
gramm zugelassen, können aber auch bei Patienten über 80
Jahren sicher angewendet werden. Allerdings müssen im
Alter mehr Medikamenteninteraktionen beachtet werden,
und es sollte eine sorgfältige Abwägung der Indikation in
Bezug auf die Lebenserwartung erfolgen. Zum Abschluss
seiner Vortrags verwies der Referent auf die Website www.
hepcare.ch. Hier finden Grundversorger alles Wissenswerte
zur Behandlung der Hepatitis C.
s
Petra Stölting
Quelle: Vortrag «Virushepatitis: Ende gut, alles gut?» von Dr. med. Beat Helbling, Gastroenterologie Bethanien, Gemeinschaftspraxis für Magen Darm Leber Galle, Zürich, beim FOMF-Update-Refresher Innere Medizin, Zürich, 21. Juni 2023.
Referenzen: 1. Wedemeyer H et al.; MYR 301 Study Group: A phase 3, randomized trial
of bulevirtide in chronic hepatitis D. N Engl J Med. 2023;389(1):22-32. 2. Sagmeisetr M et al.: Simulation of Hepatitis C based on a mandatory
reporting system. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2002;14(1):25-34. 3. Kasmi S et al.: Increasing prevalence of obesity and diabetes among pa-
tients evaluated for liver transplantation in a Swiss tertiary referral center: a 10-year retrospective analysis. Swiss Med Wkly. 2022;152:w30138. 4. http://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/p-und-p/ hiv-sti-statistiken-analysen-und-trends/hiv-sti-epizahlen-2020.pdf. download.pdf/bu-48-hiv-sti-hepbc-2020-de.pdf
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