Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Onkel Hugo: Nein, ich bin nicht durchwegs glücklich darüber, wie die Leute gewählt haben, aber ich bin stolz darauf, dass alle haben wählen können.
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Es herrscht nicht zum ersten Mal Angst vor der Zukunft. Und doch scheint dieser Tage etwas anders zu sein als sonst, bedrohlicher, auch wenn die Kubakrise mit dem knapp abgewendeten Atomkrieg nicht vergessen ist und das Gefühl, «diesmal ist es ernster», zu jeder Krise gehört. Nur eben: Es fummeln zurzeit grad etwas viele Psychopathen an wichtigen Schalthebeln herum. Russland versucht, die Ukraine zu zerstören – als Auftakt zu Grösserem. Und dieses Grössere zeigt sich als Puzzle aus politischen Zündeleien, die von diktatorischen Regimes provoziert werden, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: theokratisch und den totalen Sieg des Islam vor Augen die Mullahs im Iran, imperialistisch aggressiv das von Putin missbrauchte Russland, gottlos, absurd und machtgierig Nordkorea, zielstrebig hegemonial China, in Versuchung geführt Serbien und als Mitläufer Belarus, Syrien, Hamas-Palästina & Co. Sie alle eint eines: der Hass auf «den Westen», auf Europa, die USA, die westliche Lebensweise («Dekadenz»), den westlichen Liberalismus («Schwäche»), den westlichen Säkularismus («Gottlosigkeit»), die westliche technologische Überlegenheit. Es scheint, viele westliche Gesellschaften haben das Drohpotenzial immer noch nicht erkannt und wollen ihn nicht kommen sehen, den Kampf um die (auch religiöse) Weltherrschaft, den «clash of civilizations», der ganz gewiss demografisch eskalieren und am Ende, so ist zu befürchten, mit Waffen entschieden wird. Und schlimmstenfalls in einem Desaster für uns alle endet. Ist das nur Kultur-, Polit- und Alterspessimismus? Hoffentlich. Aber wenn nicht, dann war
9/11 eine unbedeutende Störung der Weltordnung in Zeiten von immer mehr Irren und Idioten.
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Der Irrtum der Woche – klargestellt: Der Staat sichert Arbeit und unseren Wohlstand? Falsch, wir sichern mit unserer Arbeit den Wohlstand des Staates.
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Die Krankenkassenprämien steigen. Alles Abzocke – durch Ärzte, Pharma, Spitäler, Kassenfunktionäre oder die Patienten selber? Oder Inkompetenz von Politikern? Vorschläge, wie die Kosten-«Explosion» zu stoppen sei, gibt es Dutzende, von allen Seiten – seit Jahren die ewigselben. Die einen wollen Kosten reduzieren, die anderen sie anders verteilen. Und seit Jahrzehnten merkt man – jeden Herbst neu –, dass das eine nicht klappt, das andere nichts nützt und das Unangenehme ohnehin niemand will. Man hat privatisiert, gesteuert, verstaatlicht – es wurde nur schlimmer. Nicht für alle, aber für die, die zahlen (wir alle), und die, die das Gesundheitswesen nutzen (auch wir alle). Es wird an allen Schräubchen gedreht: Generikapflicht, Begrenzung des Leistungskatalogs, Spitalschliessung, Tarifstopp bei Ärzten und Physiotherapeuten. Wenn gespart wird, dann meist auf Kosten der wenigen im Gesundheitssystem, die arbeiten statt planen, kontrollieren, beraten und schwafeln. Wer das Problem nicht lösen kann, versucht es zu erklären. 1. Wir werden immer mehr. Die Schweiz wächst wegen der (ungebeten) Zuwandernden jährlich um eine Grossstadt. Für die braucht’s mehr Ärzte, Pflegende, Sozialarbeiter und so weiter – meist ebenfalls «Ausländer» – und mehr Spitalbetten. Klar steigen da die Kosten. 2. Wir werden älter, sterben
nicht mehr an der ersten schweren Krankheit, sondern überstehen mit viel Aufwand die ersten 4 und sterben erst an der fünften. 3. Die Industrie tut, was sie muss: Sie forscht, entwickelt, macht Profit. Zum Glück, denn dank ihrer Steuern können wir zum Beispiel die Prämien verbilligen, und dank HighTech-Innovationen und revolutionären neuen Medikamenten leben wir, statistisch gesehen, länger und besser. Aber eben: Die Neuerungen kosten. 4. Die Leute gehen wegen «jedem kleinen Scheiss» zum Arzt. Stimmt, aber ob der Scheiss klein oder gross ist, wissen Patienten wie Ärzte eben oft erst nach Arztbesuch und Abklärungen. 5. Die häufigste Erklärung, über die sich alle einig sind: Die anderen sind schuld! Was also tun? Sicher, Mini-Sparmöglichkeiten nutzen, auch das elektronische Patientendossier – aber bitte ohne Illusionen! Viel wichtiger: Freuen wir uns vielmehr, dass wir gerade Zähne haben, geimpft sind, nicht mehr an Tbc erkranken, schwerste Unfälle lebend und optimal zusammengeflickt überstehen, vorderhand noch jederzeit einen Arzt finden und ein sauberes Spitalbett, dass wir nicht am erstbesten Krebs sterben und Jahre auf eine Gelenkprothese warten müssen, die dann auch noch qualitativ minderwertig ist, dass alle die besten Medikamente erhalten, sogar wenn sie vorher über Big Pharma geschimpft haben, dass wir rüstig älter werden und Alzheimer eines Tages besiegt sein wird. Wofür wollen wir und soll der Staat denn sonst das ausreichend vorhandene Geld ausgeben?
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Und das meint Walti: «Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen!»
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 22 | 2023