Transkript
Chronischer Husten
Hustenhypersensitivität dämpfen
BERICHT
Husten gehört bei vielen Erkrankungen zum Symptomspektrum – das gilt nicht nur für primäre Lungenleiden. Doch auch wenn diese Grunderkrankungen gut eingestellt sind, husten viele Patienten immer noch. Hier könnte sich Hustenhypersensitivität etabliert haben. Wie diese zu lindern ist, stellte Dr. Thomas Rothe, Leitender Arzt Pneumologie am Kantonsspital Graubünden in Chur, in seinem Vortrag im Rahmen des FOMF WebUp Pneumologie vor.
Husten ist keine Bagatelle – vor allem wenn er chronisch wird, also länger als 8 Wochen andauert. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität – sowohl physisch, psychisch und sozial – könnten nämlich enorm sein, sagte Rothe. Starke und häufige Hustenstösse können beispielsweise zu Stressinkontinenz und muskuloskelettalen Schmerzen führen, die Entwicklung von abdominalen Hernien fördern und sogar Rippenbrüche verursachen.
Soziale Isolation als häufige Folge
Langfristig stellen sich Erschöpfung und Schlafstörungen ein, die wiederum psychischen Probleme wie depressive Verstimmung oder Angststörungen nach sich ziehen können. Damit verbunden sind auch die sozialen Einschränkungen: Wer dauernd husten muss und sich dabei womöglich einnässt, kann kaum an Kino- oder Theaterbesuche denken. Auch im Freundeskreis stört das dauernde Husten und macht Unterhaltungen schwierig. Die Folgen sind oft Rückzug und soziale Isolation.
Hustenrezeptoren nicht nur in der Lunge
Der Ursache des chronischen Hustens auf die Spur zu kommen, ist gar nicht so einfach. Schliesslich gehört Husten als mehr oder weniger bedeutsames Symptom zu vielen Erkrankungen. Das liegt unter anderem daran, dass Rezeptoren für den Hustenreiz nicht nur in den Bronchien zu finden sind, sondern auch im Gehörgang, in den oberen Atemwegen, im Kehlkopf, am Zwerchfell oder an der Pleura.
KURZ & BÜNDIG
� Chronischer Husten hat physische, psychische und soziale Auswirkungen.
� Besonders bei Asthma, postnasalem Drip und Refluxkrankheit kann sich ein chronischer Husten etablieren.
� Mögliche Ursache ist eine Hypersensitivität der Hustenrezeptoren.
� Therapieansätze wie bei Neuropathie (Gabapentin, Gefapixant) sind vielversprechend.
In den meisten Fällen sei chronischer Husten eine Folge von Asthma, Reflux oder postnasalem Drip (PND), so Rothe. Differenzialdiagnostisch sollten Tumoren, Herzinsuffizienz, Bronchiektasien und Alveolitis beziehungsweise Fibrose ausgeschlossen sein, und eine ACE(angiotensin-converting enzyme)-Hemmer-Therapie sollte mindestens 8 Wochen zurückliegen.
Chronischer Husten als neuropathische Störung
Doch auch wenn die Grunderkrankung bestmöglich behandelt ist, hustet ein Gutteil der Patienten weiterhin. Hier könnte sich durch das Dauerhusten eine Hypersensitivität der Hustenrezeptoren etabliert haben, so Rothe. Chronischer Husten findet sich oft bei Asthma, Reflux und PND. Allerdings leiden viele unter diesen Symptomen, ohne dass sie chronisch husten. Erst eine idiopathische Hypersensitivität der Hustenrezeptoren und -nerven bewirkt, dass Patienten chronisch husten. Es ist wichtig, dass die kausalen Faktoren behandelt werden. Oft braucht es aber auch die Therapie der Hustenhypersensitivität. Ebenfalls ist seit einigen Jahren bekannt, dass auch eine idiopathische Hypersensitivität der Hustenrezeptoren im Sinne einer Neuropathie vorkommen kann. Zudem können Menschen mit ausgeprägter Hypersensitivität bereits auf unspezifische Reize wie Parfüm oder Rauch mit Husten reagieren.
Mehr als nur LUFU – Diagnostik erweitern
Zur Abklärung des therapierefraktären Hustens sollte zunächst die Diagnostik erweitert werden: s Lungenfunktionsprüfung (LUFU) mit Messung des frak-
tionierten exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO; Biomarker zur Diagnose und Verlaufskontrolle von Asthma); grosses Blutbild mit Messung der Eosinophilen, um Asthma bzw. eosinophile Bronchitis zu bestätigen s hochauflösende Computertomografie (CT) zum Ausschluss von Tumoren, Herzinsuffizienz, Bronchiektasien und Alveolitis bzw. Fibrose s Bronchoskopie zur Differenzialdiagnose (DD) z. B. nicht röntgendichter Fremdkörper, endoluminaler Tumoren, hilärer Lymphknotenadenopathie s kombinierte 24-Stunden-pH-Metrie und Ösophagusmanometrie (DD nicht azider Reflux).
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Allerdings ergeben sich oft auch nach eingehender Diagnostik keine weiteren kausalen Therapieoptionen. Doch die Palette der symptomatischen Behandlungsmöglichkeiten ist eingeschränkt. Bewährte Antitussiva wie Codein kommen bei chronischem Husten wegen der Suchtgefahr nur eingeschränkt zum Einsatz, klassische H1-Blocker machen müde.
Neuropathie behandeln, Husten dämpfen
Da beim idiopathischen Hypersensitivitätssyndrom eine Verbindung zu Neuropathie nachgewiesen werden konnte, liegt es nahe, Therapieversuche mit Substanzen zu wagen, die auch bei Neuropathien eingesetzt werden, beispielsweise Amitryptilin. Allerdings liegen laut Rothe hier zu wenig Daten vor. Zudem sei bekanntlich die Nebenwirkungsrate bei diesem Antidepressivum hoch. Aussichtsreicher erscheint da Gabapentin. Rothe zitierte eine Studie, nach der sich unter einer 8-wöchigen Therapie mit max. 1800 mg/Tag Gabapentin die hustenspezifische Lebensqualität signifikant besserte. Die Nebenwirkungen Übelkeit und Müdigkeit wurden als gering eingestuft (1). Ein neuer Ansatz scheint die Therapie mit Gefapixant zu sein. Der Wirkstoff hemmt purigene Rezeptoren der Klasse P2X3, die Nervensignale modulieren und offenbar bei der
Entstehung von Erkrankungen mit übersteigerter Reaktions-
bereitschaft, unter anderem der Atemwege, beteiligt sind. In
einer plazebokontrollierten Studie über 12 Wochen konnte
mit der maximalen Dosis von 50 mg Gefapixant eine um 37
Prozent reduzierte Hustenfrequenz gemessen werden. Nach-
teil: Unter dieser Dosis entwickelte fast die Hälfte der Patien-
ten Geschmacksstörungen (2). Gefapixant ist gegen chroni-
schen Husten seit Januar 2022 in Japan zugelassen; im Juli
2023 empfahl die European Medicine Agency (EMA) die
Zulassung für die Europäische Union.
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Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Vortrag «Update Husten» von Dipl.-Phys. Dr. med. Thomas Rothe, Kantonsspital Graubünden, im Rahmen des WebUp Pneumologie des Forums für medizinische Fortbildung (FOMF) am 5. September 2023.
Referenzen: 1. Ryan NM et al.: Gabapentin for refractory chronic cough: a randomised,
double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2012 Nov 3;380(9853):15831589. 2. Smith JA et al.: Gefapixant, a P2X3 receptor antagonist, for the treatment of refractory or unexplained chronic cough: a randomised, double-blind, controlled, parallel-group, phase 2b trial. Lancet Respir Med. 2020 Aug;8(8):775-785.
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