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FORTBILDUNG
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bei Frauen werden die Risiken oft unterschätzt
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind Haupttodesursache weltweit, auch bei Frauen. Trotz der hohen Anzahl von Todesfällen infolge einer Herzerkrankung oder eines akuten Herzinfarkts bei weiblichen Patienten besteht bezüglich Risikofaktoren und Primärprävention noch Aufklärungsbedarf.
Catharina Hamm
Während die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie (AHT) und Fettstoffwechselstörungen bei Frauen in höherem Alter dominieren, gibt es frauenspezifische Faktoren und Ereignisse während der reproduktiven Phase, die das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen jungen und mittleren Alters massgeblich beeinflussen, aber in den üblichen Risikokalkulatoren zur Bestimmung des 10-Jahres-Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse nicht berücksichtigt werden. Nachfolgend werfen wir einen genaueren Blick auf die Risikofaktoren (vgl. Tabelle).
Klassische Risikofaktoren
Diabetes mellitus In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit Diabetes verdoppelt. Aktuell haben etwa 11 Prozent aller Männer und 8 Prozent aller Frauen einen Typ-2-Diabetes. Frauen mit Diabetes haben ein 3-fach höheres Risiko für fatale koronare Herzkrankheit (KHK) als Frauen ohne Diabetes. Das Risiko für die Entwicklung einer KHK war in einer grossen Metaanalyse mit mehr als 850 000 Individuen bei Frauen mit Diabetes um 44 Prozent und das Risiko für einen Schlaganfall um 27 Prozent höher als bei Männern mit Diabetes (1). Diabetes ist bei Frauen zudem ein grösserer Risikofaktor für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz als bei Männern. Trotz der verbesserten Zugänglichkeit zu Diagnostik und Therapie auch für Frauen in der letzten Dekade bleibt bis heute in den westlichen Industrienationen ein Unterschied bezüglich Medikation und Risikofaktoreneinstellung zugunsten von Männern bestehen.
MERKSÄTZE
� Bluthochdruck ist bei Frauen häufiger schlecht eingestellt.
� Übergewicht sollte bereits im Kindesalter vermieden werden.
� Die Menopause ist mit einer Zunahme des kardiovaskulären Risikos assoziiert.
Bei Frauen und Männern mit Diabetes sollte ein aggressives Management der Risikofaktoren erfolgen. Frauen mit Typ-2Diabetes brauchen etwas mehr körperliche Aktivität/Intensität als Männer, um einen positiven Effekt zu erzielen.
Arterielle Hypertonie Die AHT ist bei Frauen weltweit der stärkste Risikofaktor für Mortalität. Die Prävalenz der AHT ist bei Menschen unter 60 Jahren beim männlichen Geschlecht höher als bei Frauen; allerdings kehrt sich dies bei Menschen über 60 Jahre um. Bei über 40-Jährigen wird bei Frauen, verglichen mit Männern, häufiger ein Übergang von normalen Blutdruckwerten zu Prähypertonus beobachtet. Frauen entwickeln AHT im Schnitt eine Dekade später als Männer. Es gibt Hinweise, dass bereits ein geringerer Blutdruckanstieg bei Frauen das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Trotzdem gibt es derzeit noch keine unterschiedlichen Grenzwerte und Empfehlungen zur Initiierung einer medikamentösen Therapie bei Frauen. Es gibt derzeit keine eindeutige Evidenz dafür, dass antihypertensive Medikamente bei Frauen weniger effektiv sind; allerdings machten nur wenige der grossen Medikamentenstudien geschlechtsspezifische Analysen. Frauen leiden unter Antihypertensiva häufiger unter Nebenwirkungen, ausser bei Aldosteronpräparaten. Diuretikaeinnahme führt bei Frauen häufiger zu Elektrolytentgleisungen; unter Kalziumantagonisten vom Dihydropiridintyp kommt es häufiger zu Ödemen, und auch der ACE(angiotensin-converting enzyme)-Hemmer-Husten wird bei Frauen häufiger beobachtet (2). Bluthochdruck ist bei Frauen häufiger schlecht eingestellt. Die Patientinnen sollten ermutigt werden, Blutdruckziele durch konservative Massnahmen wie Ernährungsumstellung, Bewegung/Sport und Vermeidung von zu viel Kochsalz (< 5 g/ Tag) und Alkohol zu erreichen. Die Initiierung einer Pharmakotherapie sollte bei Blutdruckwerten über 140/90 mmHg erfolgen.
Hyperlipidämie Ein Drittel aller KHK ist durch hohes Cholesterin verursacht. Frauen haben prämenopausal ein günstigeres Lipidprofil als
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Kasuistik: Kollaps beim Nordic Walking
Eine 54-jährige Frau kollabiert beim Nordic Walking im Park im Beisein der Tochter und ist nicht mehr ansprechbar. Die Tochter alarmiert den Rettungsdienst, der 8 Minuten später am Einsatzort eintrifft und sofort mit der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) beginnt. Im EKG zeigt sich Kammerflimmern, das mehrfach defibrilliert werden muss. Nach 10-minütiger Reanimation kam es zur Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC). Im EKG zeigen sich eindeutige ST-Hebungen über der Vorderwand. Nach wenigen Minuten erneutes Kammerflimmern und Fortsetzung der CPR. Transport ins nahe gelegene Krankenhaus unter laufenden Reanimationsmassnahmen. Die Patientin wird direkt ins Herzkatheterlabor (HKL) verbracht, und es wird umgehend eine venoarterielle extrakorporeale Membranoxxygenierung (ECMO) zur Herz-Kreislauf-Unterstützung gelegt. Die Darstellung der Herzkranzgefässe zeigt als Ursache für den plötzlichen Herzstillstand ein verschlossenes Vorderwandgefäss (LAD). Es erfolgt die erfolgreiche Rekanalisation des Vorderwandgefässes mit Implantation von insgesamt 3 Stents. Die Patientin wird 15 Tage später ohne neurologisches Defizit in die Reha entlassen; die Pumpfunktion des Herzens bleibt leichtgradig eingeschränkt (Ejektionsfraktion [EF]: 50%). Eine Laienreanimation wurde initial weder von ihrer Tochter noch von weiteren anwesenden Passanten durchgeführt. Die Tochter berichtet dem Rettungsdienst, dass bisher keine kardialen Vorerkrankungen bekannt gewesen seien, ihre Mutter in den letzten Wochen immer wieder über Schmerzen in Oberbauch und Rücken geklagt habe, weshalb sie u. a. zu einem Orthopäden geschickt wurde. Sie raucht und ist übergewichtig (Body-MassIndex [BMI]: 28), nahm bis zum Ereignis keine Dauermedikation ein.
Tabelle:
Kardiovaskuläre Riskofaktoren bei Frauen (mod. n. [1])
Klassische Risikofaktoren
Frauenspezifische Risikofaktoren
Diabetes mellitus
Frühe Menarche
Arterielle Hypertonie
Polyzystische Ovarien
Hyperlipidämie
Schwangerschaftserkrankungen
Adipositas/Übergewicht
(Frühe) Menopause
Rauchen Autoimmunerkrankungen
Körperliche Inaktivität
Brustkrebsbehandlung
Deutschland sind adipös (BMI > 30). Adipositas erhöht das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen um 64 Prozent im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen (4). Adipositas bei Frauen über 50 Jahren ist ein grösserer Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes als für Männer und mit einem 3,5-fach (vs. 2,1-fach bei Männern) erhöhten Risiko für einen Diabetes vergesellschaftet (5). Einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung des Übergewichts ist verminderte körperliche Aktivität. Die Prävalenz von Inaktivität ist bei Frauen höher als bei Männern und steigt mit dem Alter an. Im Alltag ist es so, dass 65 Prozent aller Frauen weniger als 2,5 h/Woche körperlich aktiv sind. Es sollte zu einer Abnehmstrategie mit Ernährungsumstellung und körperlicher Aktivität mit hohem Umfang geraten werden (≥ 60 min moderate Aktivität/Tag).
Rauchen Frauen, die rauchen, haben ein um 25 Prozent höheres Risiko für KHK als Männer, die rauchen. Rauchende Frauen verlieren im Schnitt 11 Lebensjahre, davon sind 90 Prozent wieder aufzuholen. Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen, sollten aktives Rauchen vermeiden aufgrund der synergistischen Effekte bei der Entstehung von Herzinfarkten, Schlaganfall und venösen Thrombembolien. Frauen sollte man auf das erhöhte kardiovaskuläre Risiko durch Rauchen hinweisen, bei jeder Visite Rauchstopp empfehlen und Entwöhnungsprogramme anbieten.
Frauenspezifische (Risiko-)Faktoren
Menarche Eine frühe Menarche (< 12. Lebensjahr) ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und späterer Adipositas im Erwachsenenalter assoziiert, unabhängig von demografischen Faktoren (6). Der Mechanismus hierfür ist noch nicht genau erforscht; neben genetischen Faktoren spielen aber potenziell modifizierbare Faktoren wie Übergewicht in der Kindheit eine zentrale Rolle (7). Erhöhte Leptinspiegel, wie sie bei Adipositas zu messen sind, weisen auf eine Dysregulation von Adipokinen, endokrin aktiven Proteinen aus dem Fettgewebe, hin, die bereits im Pubertätsalter ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im späteren Alter determinieren. Übergewicht und Adipositas sollten deshalb bereits im Kindesalter vermieden werden.
Männer; allerdings kommt es postmenopausal hin zu einem Wandel zugunsten eines proatherogenen Lipidprofils. Ein Anstieg des Gesamtcholesterins um 1 mmol/l (38,9 mg/dl) erhöht das Risiko für KHK bei Frauen um 20 Prozent (3). Die Atheromregression in den Gefässen und die LDL(low-density lipoprotein)-Senkung unter Statintherapie sind bei Frauen grösser als bei Männern. Trotzdem werden sie Frauen seltener verschrieben, und die Compliance ist schlechter. Statine sind in der Sekundärprävention von KHK bei Männern und Frauen gleichermassen effektiv. Bei Frauen gibt es ein erhöhtes Nebenwirkungsprofil (Myalgien).
Übergewicht/Adipositas In der Schweiz sind 23 Prozent, in Deutschland sogar 46 aller Frauen übergewichtig (Body-Mass-Index [BMI] >25), etwa 10 Prozent der Schweizerinnen und 18 Prozent der Frauen in
Polyzystisches Ovarialsyndrom Auch gynäkologische Erkrankungen können mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sein. Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) betrifft etwa 5 bis 13 Prozent aller Frauen und ist durch Amenorrhö, Hyperandrogenismus, Hirsutismus, Akne und polyzystische Ovarien gekennzeichnet. Frauen mit PCOS weisen im Vergleich zu Frauen ohne PCOS häufiger einen erhöhten BMI, Fettstoffwechselstörungen und einen gestörten Glukosemetabolismus auf. Das Risiko für einen Typ-2-Diabetes ist deutlich höher, unabhängig davon, ob ein erhöhter BMI vorliegt oder nicht. Ebenso ist das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, um bis zu 70 Prozent erhöht, allerdings nur für prämenopausale Frauen (8). Unabhängig vom BMI weisen Frauen mit PCOS mehr Ablagerungen an den Herzkranzgefässen auf, auch nach Adjustierung des BMI als Risikofaktor (9).
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Rechtzeitiges Screening und Einstellung von Risikofaktoren haben oberste Priorität und verhindern frühzeitige manifeste Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ernährungsberatung und Lifestyle-Modifizierung haben einen hohen Stellenwert. Ausgewählte Patientinnen (z. B. solche mit schlecht einstellbaren Risikofaktoren oder bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren) sollten zum Internisten/Kardiologen zur Beurteilung des Gefässstatus überwiesen werden.
Schwangerschaftserkrankungen Etwa 5 bis 10 Prozent aller Schwangerschaften werden durch hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (HPD) verkompliziert. Eine vorbestehende Hypertonie erhöht das Risiko für eine Präeklampsie um 25 Prozent. Frauen mit hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen sind auch im Langzeitverlauf einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ausgesetzt. Das Risiko, einen manifesten Hypertonus zu entwickeln, ist 3-fach erhöht. Ebenso besteht langfristig ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus. Der Beginn kardiovaskulärer Erkrankungen ist bei diesen Frauen verfrüht; man spricht von einem beschleunigten «kardiovaskulären Aging» (10). Gestationsdiabetes (GD) ist definiert als Entwicklung einer Glukoseintoleranz während der Schwangerschaft. Die Prävalenz in Westeuropa liegt laut aktuellen Daten bei 10,9 Prozent. Hauptrisikofaktoren sind das hohe Lebensalter und Übergewicht/Adipositas zu Beginn der Schwangerschaft. In den meisten Fällen bildet sich der Schwangerschaftsdiabetes postpartal zurück, bei 10 Prozent sistiert der Diabetes aber auch nach der Entbindung. Etwa 50 Prozent entwickeln in den 5 Jahren nach Entbindung einen Typ-2-Diabetes (11). Unabhängig davon haben diese Frauen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Das Risiko für einen akuten Myokardinfarkt ist 4-fach, das Risiko für einen Schlaganfall 2-fach erhöht im Vergleich zu Frauen ohne GD. Eine grosse Screeningsstudie zeigte, dass Frauen im mittleren Lebensalter (40 bis 60 Jahre) mit GD in der Anamnese ein 2-fach höheres Risiko für Koronarkalk haben (12). Insbesondere Frauen mit HPD/Präeklampsie haben ein erhöhtes Risiko, verfrüht einen manifesten Hypertonus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln. Schwangerschaftserkrankungen sollten in der Anamnese also erfragt werden. Die derzeit gültigen Präventionsleitlinien der European Society of Cardiology (ESC) empfehlen ein regelmässiges Screening auf AHT und Typ-2-Diabetes (oraler Glukosetoleranztest [oGTT] alle 1 bis 3 Jahre); Frauen mit GD wird 1 bis 3 Monate nach Entbindung ein oGGT empfohlen.
Menopause Die Menopause ist mit einer Zunahme des kardiovaskulären Risikos assoziiert. Es kommt zur Abnahme der vaskulären Funktion und der NO(Stickstoffmonoxid)-vermittelten Vasodilatation. Zudem kommt es zur Hochregulation anderer Hormonsysteme wie des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) und des sympathischen Nervensystems. Grund für die Zunahme der Inflammation ist unter anderem die beobachtete Gewichtszunahme insbesondere des abdominellen, stoffwechselaktiven Fettgewebes. Die Inflammation begünstigt wiederum die Entstehung eines Diabetes. Das Lipid-
profil verändert sich zugunsten eines proatherogenen mit Zunahme von Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin und Triglyzeriden um etwa 15 Prozent (13). Es besteht eine lineare Assoziation zwischen vasomotorischen Symptomen (Hitzewallungen und Nachtschweiss) und kardiovaskulärem Risikoprofil. In einer grossen Observationsstudie der Women’s Health Initiative (WHI) hatten Frauen mit ausgeprägtem Nachtschweiss und Hitzewallungen ein um 48 Prozent höheres Risiko für einen Typ-2-Diabetes (14). Der starke Blutdruckanstieg postmenopausal mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Palpitationen wird häufig als vasomotorisches Symptom verkannt (15). 30 bis 50 Prozent aller Frauen entwickeln einen Bluthochdruck vor dem 60. Lebensjahr. Oft wird er nicht oder zu spät erkannt und unzureichend therapiert. Die AHT gilt bei Frauen als Hauptrisikofaktor für die Entwicklung von Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern (16). Die sogenannte verfrühte Menopause vor dem 40. Lebensjahr wird anders als in den europäischen Leitlinien von den US-amerikanischen Leitlinien bereits als «risk enhancer» für kardiovaskuläre Erkrankungen eingestuft. Es besteht ein bidirektionaler Zusammenhang: Ein schlechteres kardiovaskuläres Risikoprofil ist mit einer frühen Menopause assoziiert. Frauen mit einem kardiovaskulären Ereignis (Schlaganfall, Herzinfarkt) vor dem 35. Lebensjahr haben ein 2-fach erhöhtes Risiko für eine frühe Menopause (< 45. Lebensjahr; [17]). Frauen mit früher Menopause haben eine erhöhte Inzidenz von Vorhofflimmern, Herzinfarkten und Herzinsuffizienz. Es konnte gezeigt werden, dass eine Menopause vor dem 40. Lebensjahr das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen um bis zu 35 Prozent erhöht (18). Auch die verfrühte «chirurgische Menopause» durch beidseitige Ovarektomie (z. B. bei Tumorerkrankung) mit abruptem Abfall des Östrogenspiegels ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Eine Hormontherapie kann das Risiko allerdings senken (19). Zusammengefasst sollte bei Frauen im mittleren Lebensalter (45 bis 60 Jahre) ein Screening auf AHT erfolgen. Insbesondere Frauen mit vasomotorischen Symptomen (Hitzewallungen etc.) sind gefährdet. Empfohlen wird eine Kontrolle der Cholesterinwerte perimenopausal. Autoimmunerkrankungen Autoimmunerkrankungen begünstigen Inflammationsprozesse im Körper und sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Ursache hierfür sind kardiovaskuläre Erkrankungen. Die meisten Autoimmunerkrankungen kommen deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern vor, zum Beispiel die rheumatoide Arthritis (RA; Ratio weiblich/männlich: 2,5:1) oder der systemische Lupus erythematodes (9:1). Patientinnen und Patienten mit RA haben ein 2-fach erhöhtes Myokardinfarktrisiko und ein um 50 Prozent höheres Schlaganfallrisiko. Das kardiovaskuläre Risiko bei Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen wird oft unterschätzt. Eine sorgfältige Einstellung und Kontrolle aller behandelbaren Risikofaktoren wird empfohlen. Brustkrebs Brustkrebsbehandlungen können sowohl ischämische als auch Herzklappenerkrankungen auslösen. Werden Frauen 542 ARS MEDICI 20 | 2023 FORTBILDUNG mit Brustkrebs einer Strahlentherapie unterzogen, kommt es insbesondere bei Bestrahlung der linken Brust zu Schäden am Herzen durch die ionisierende Strahlung. Bei diesen Patientinnen kommt es zu einem vermehrten Auftreten von ischämischen Herzerkrankungen, valvulären Herzerkrankungen und Kardiomyopathien im Kurz- und Langzeitverlauf, oft mit einer Latenz von 10 bis 20 Jahren. Die Anwendung von potenziell kardiotoxischen Chemotherapeutika, wie den Anthrazyklinen, und von Trastuzumab erhöht das Risiko für akute sowie subakute Herzschädigungen. Die Patientinnen werden in der Regel bereits ab Therapiebeginn kardiologisch angebunden, um akut auftretende Herzschäden rasch zu detektieren. Laut Consensus Statement der European Association of Cardiovascular Imaging (EACVI) wird eine symptombasierte Vorstellung beim Kardiologen/Internisten zur Echokardio- grafie bis zu 10 Jahre nach Ende der Chemotherapie empfoh- len. Hochrisikopatientinnen, bei denen weitere kardiovasku- läre Risikofaktoren vorliegen, wird ein nicht invasiver Stresstest in den ersten 10 Jahren nach Ende der Strahlen- therapie empfohlen (20). s Dr. med. Catharina Hamm Oberärztin Abteilung für Kardiologie Kerckhoff-Campus der Justus-Liebig-Universität Giessen D-61231 Bad Nauheim Interessenlage: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte deklariert. Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 6/23. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin. Literatur bei der Autorin ARS MEDICI 20 | 2023 543