Transkript
STUDIE REFERIERT
Direkte orale Antikoagulanzien
DOAK auch bei tiefer Kreatininclearance sicherer und effektiver als Warfarin
In einer Netzwerkmetaanalyse der individuellen Patientendaten aus den grossen Behandlungsstudien mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) wurden Sicherheit und Wirksamkeit bei Patienten mit Vorhofflimmern bei abnehmender Nierenfunktion bis zu sehr tiefen Kreatininclearance-Werten untersucht. Die Ergebnisse sind beruhigend.
Circulation
Vorhofflimmern ist ein wichtiger Risikofaktor für Hirnschlag und systemische Embolien. Diese Risiken werden noch verstärkt, wenn gleichzeitig eine gestörte Nierenfunktion vorliegt. Da alle DOAK teilweise renal ausgeschieden werden (mit einer renalen Clearance von 27% für Apixaban bis zu 80% für Dabigatran), liegen für solche Patientenpopulationen Sicherheitsbedenken nahe. Dies ist ein Grund dafür, dass DOAK bei Patienten mit Niereninsuffizienz noch seltener eingesetzt und oft unterdosiert werden. COMBINE AF (Kasten) vereinigte die Daten der zentralen Studien zu den DOAK, darunter auch diejenigen von 24 396 Patienten mit einer Kreatininclearance (CrCl) 60 ml/min. Auf dieser Basis erstellten die Autoren eine Netzwerkanalyse der individuellen Patientendaten über ein kontinuierliches Spektrum eingeschränkter Nierenfunktion bis hinunter zu einer CrCl von 25 ml/min.
Niedrigere DOAK-Dosis bringt keine Vorteile bei der Sicherheit
Bei der Gesamtheit der Patienten (n = 71 683, mittleres Alter: 70,6 ± 9,4 Jahre, 37,3% Frauen, mediane Beobachtungszeit: 23,1 Monate) betrug die mittlere CrCl 75,5 ± 30,5 ml/min. Die Inzidenz von Hirnschlägen und systemischen Embolien, schweren Blutungen, intrakraniellen Hämorrhagien und Tod stieg mit zunehmend schlechterer Nierenfunktion signifikant an. Über die kontinuierlichen CrCl-Werte bis zu 25 ml/min ergab sich keine Änderung beim Risiko für schwere Blutungen zwischen den zu DOAK in Standarddosierung randomisierten und den zu Warfa-
rin randomisierten Patienten (p f ür Interaktion = 0,61). Im Vergleich zu Warfarin ergab der Einsatz von DOAK in Standarddosierung bei einer CrCl < 122 ml/min ein signifikant geringeres Risiko für intrakranielle Blutungen und einen Trend zu besserer Sicherheit bei abnehmender Nierenfunktion. Dies entspricht einer Abnahme der Hazard Ratio (HR) von 6,2 Prozent pro 10 ml/min Abnahme der CrCl (p f ür Interaktion = 0,08). Auch das Risiko für Stroke und systemische Embolien war bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (CrCl < 87 ml/min) unter DOAK in Standarddosierung signifikant tiefer, und auch hier bestand ein Trend zu grösserer Sicherheit mit abnehmender Nierenfunktion (4,8% HR-Abnahme pro 10 ml/min CrCl-Abnahme, p für Interaktion = 0,01). Das Sterberisiko war bei Patienten mit einer eingeschränkten CrCl (< 77 ml/min) unter der DOAK-Standarddosierung signifikant tiefer als unter Warfarin, und es bestand ein Trend zu zunehmendem Nutzen mit tieferer CrCl (2,1% HR-Abnahme pro 10 ml/min CrCl-Abnahme, p für Interaktion = 0,08). Der Einsatz niedriger dosierter DOAK war bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion im Vergleich zur Standarddosierung nicht mit einem signifikanten Unterschied in der Häufigkeit neu aufgetretener Blutungen oder intrakranieller Hämorrhagien assoziiert, sondern mit einer höheren Inzidenz von Todesfällen sowie von Stroke und systemischen Embolien. Studien, welche die Daten für COMBINE AF (A Collaboration Between Multiple Institutions to Better Investigate Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulant Use in Atrial Fibrillation) lieferten Studien Direkte orale Antikoagulanzien RE-LY (Randomized Evaluation of Long-Term Dabigatran (Pradaxa®) Anticoagulation Therapy) ROCKET AF (Rivaroxaban Once Daily Oral Rivaroxaban (Xarelto®) Direct Factor Xa Inhibition Compared With Vitamin K Antagonism for Prevention of Stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation) ARISTOTLE (Apixaban for Reduction in Stroke and Apixaban (Eliquis®) Other Thromboembolic Events in Atrial Fibrillation) ENGAGE AF-TIMI 48 (Effective Anticoagulation With Edoxaban (Lixiana®) Factor Xa Next Generation in Atrial Fibrillation – Thrombolysis in Myocardial Infarction 48) 536 ARS MEDICI 20 | 2023 STUDIE REFERIERT DOAK mit weiterer Verschlechterung der Nierenfunktion besser als Warfarin Diese Analyse hat somit ergeben, dass der Einsatz von DOAK in Standarddosierung im Vergleich zum Vitamin-KAntagonisten Warfarin mindestens bis hinunter zu einer CrCl von 25 ml/min mit geringeren Risiken für intrakranielle Hämorrhagien, Stroke und systemische Embolien sowie Tod einhergeht. Darüber hinaus hatten Patienten mit tiefer CrCl, die zur Standarddosis randomisiert waren, ein signifikant gerin- geres Risiko für Stroke, systemische Embolien und Tod als solche mit tieferer DOAK-Dosis, und dies ohne ein signifikant höheres Blutungsrisiko. Es fand sich auch kein CrCl-Wert, ab dem die Risiken einer DOAK-Behandlung in Standarddosis höher waren als unter Warfarin. Trotz der Bedenken zur Sicherheit von Wirkstoffen, die teilweise renal ausgeschieden würden, seien diese Ergebnisse beruhigend, schreiben die Autoren, und zeigten, dass die Sicherheit der DOAK auch bei reduzierter Nierenfunktion bis mindestens zu einer CrCl von 25 ml/min erhalten bleibe und dass ihre Wirksamkeit in dieser Konstellation sogar noch zunehme. HB s Quelle: Harrington J et al.: Direct Oral Anticoagulants Versus Warfarin Across the Spectrum of Kidney Function: Patient-Level Network Meta-Analyses From COMBINE AF. Published online ahead of print, 2023 Apr 12. Circulation. 2023;10.1161/CIRCULATIONAHA.122.062752. Interessenlage: Die meisten der zahlreichen Autoren der referierten Metaanalyse deklarieren Forschungsgelder und Beraterhonorare verschiedener Pharmafirmen. ARS MEDICI 20 | 2023 537