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FORTBILDUNG
Diagnostisch herausfordernd: Mundschleimhautveränderungen
Diagnostisch herausfordernde Verfärbungen oder Läsionen im Bereich der Mundhöhle werden am ehesten erstmals von Zahnmedizinern als Zufallsbefund bemerkt. Bis die Patienten aus eigenem Antrieb einen Arzt konsultieren, vergeht oft viel Zeit. Dabei kann eine frühe Diagnose lebensrettend sein.
Monika Schwaninger
Wenn die Patienten selbst eine Veränderung an ihrer Mundschleimhaut bemerken, konsultieren sie damit Ärzte verschiedenster Fachgebiete wie der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der Allgemeinmedizin, der Dermatologie und/oder der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Andere Patienten wiederum leben mit einer unerkannten Läsion und haben unter Umständen ein erhebliches Krebsrisiko. Es lohnt sich also, bei der körperlichen Untersuchung immer auch einen orientierenden Blick in die Mundhöhle zu werfen.
Genaue Anamnese ist der halbe Weg zur Diagnose
Nicht immer lässt sich eine Läsion auf den ersten Blick eindeutig einordnen. Es ist wichtig, eine genaue allgemeinmedizinische Anamnese zu erheben. Denn viele Mundschleimhautveränderungen stehen in engem Zusammenhang mit anderen Erkrankungen oder werden von Medikamenten verursacht. Die «orale Medizin» verbindet die Zahnheilkunde mit der Medizin und wird international von Zahnmedizinern ausgeübt. Dieses Spezialgebiet wäre die ideale Anlaufstelle für Patienten mit oralen Läsionen.
Ist eine Biopsie immer notwendig, und wo biopsiert man?
Es können oft mehrere Begutachtungen mit Fotodokumentation erforderlich sein, um die Dynamik einer Läsion zu erkennen. Suspekte Läsionen sollten allerdings zeitnah biopsiert werden, um gegebenenfalls rasch eine Therapie beginnen zu können. Die Entscheidung, wie lange man zuwarten kann, um eine Läsion zu biopsieren, ist oft Erfahrungssache. Als Faustregel in der Zahnheilkunde gilt: Wenn ein Ulkus 2 Wochen nach Entfernen der Ursache (Trauma, z. B. Prothesendruckstelle) nicht abheilt, gilt es als suspekt. Biopsien zur Diagnostik dürfen nicht ausschliesslich aus dem Zentrum eines Ulkus gewonnen werden, sondern sollen auch die umgebende Schleimhaut beinhalten. Nur auf diese Weise kann der Pathologe die veränderte Schleimhaut mit der gesunden vergleichen. Auch zum Ausschluss einer autoimmunen blasenbildenden Mundschleimhauterkrankung wird empfohlen, eine Biopsie eines anscheinend gesunden Areals zu entnehmen und Serum zu gewinnen. Auf diese Weise können eine direkte und indirekte Immunfluoreszenz mittels Antikörperbestimmung erfolgen.
MERKSÄTZE
� Als Leukoplakie (griechisch: «weisser Fleck») werden nicht abwischbare Läsionen bezeichnet, die keiner bestimmten Erkrankung zuzuordnen sind.
� Potenziell prämaligne Läsionen gelten als Vorstufe zum Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle.
� Unter einer Amalgamtätowierung versteht man eine dunkle narbige Veränderung, die durch rotierende Instrumente beim Bearbeiten von Amalgam verursacht wird.
Weisse Veränderungen: Soor, oraler Lichen planus, lichenoide Läsion?
Weisse, abwischbare Beläge auf meist rotem Grund sind typisch für einen Soor. Betroffen sind Patienten, die immunsupprimiert sind, Antibiotika eingenommen haben oder regelmässig Kortison inhalieren. Aber nicht immer finden sich bei Candidainfektionen weisse, abwischbare Beläge: Unter Prothesen zeigt sich gelegentlich ein rotes, zum Teil brennendes Prothesenlager – ein Zeichen einer kontinuierlich getragenen, oft schlecht sitzenden Prothese. Lassen sich die weissen Flecken nicht abwischen und finden sich keine erkennbare Ursache und keine Erkrankung, die damit in Verbindung stehen könnte, spricht man von «Leu-
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Abbildung 1: Plattenepithelkarzinom im Unterkiefer bei einem Patienten mit oralem Lichen planus (© M. Schwaninger)
thelkarzinom der Mundhöhle besteht, und der Erythroleukoplakie, bei der sich rötliche und weissliche Areale abwechseln. Vorstufen eines Plattenepithelkarzinoms werden als sogenannte potenziell maligne Veränderungen bezeichnet. In diese Kategorie gehören beispielsweise der erosive Lichen planus, die seltene verruköse Leukoplakie und die orale submuköse Fibrose, die durch Kauen von Betelnüssen verursacht wird. Bei weissen, nicht abwischbaren Läsionen in Höhe der Kauebene könnte es sich auch um harmlose chronische Einbisse wie Morsicatio buccarum im Planum buccale handeln. Ausserdem gibt es lichenoide Kontaktläsionen, die von Füllmaterialien oder von Medikamenten verursacht werden können. Auch eine andere Erkrankung wie zum Beispiel eine Graft-versus-Host-Reaktion kann dahinterstecken. Alle diese lichenoiden Läsionen sind mitunter schwierig von einem retikulären Lichen planus mit farnkrautartiger weisser Zeichnung zu unterscheiden. Die Zeitspanne von der Transformation einer potenziell malignen Veränderung bis zur Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms (Abbildung 1) wird in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich angegeben. Beispielsweise liegt beim oralen Lichen planus (OLP) und der lichenoiden Veränderung die Transformationsrate in verschiedenen Studien zwischen 0 und 3,5 Prozent (1).
Abbildung 2: Amalgamtätowierung am zahnlosen Unterkieferkamm (© M. Schwaninger)
Lichenoide Kontaktläsion oder oraler Lichen planus?
Histologisch ist eine Unterscheidung nicht möglich. Wenn kein örtlicher Zusammenhang zu einer dentalen Irritation besteht, keine Medikamente ursächlich sind, keine entsprechende Grunderkrankung vorliegt, die Läsion symmetrisch ist und an mehreren Stellen im Mund vorkommt und die Beschwerden, falls solche vorhanden sind, schubweise auftreten, ist ein OLP sehr wahrscheinlich. Treten hierbei auch noch typische Haut- und Genitalschleimhautveränderungen auf, ist die Diagnose so gut wie sicher. Am Gaumen kommen gehäuft Veränderungen der kleinen Speicheldrüsen vor. Häufig fällt bei starken Rauchern eine typische Veränderung im Bereich der Ausführungsgänge der Speicheldrüsen auf, was oft als «Rauchergaumen» bezeichnet wird. Bösartige Speicheldrüsenveränderungen kommen hier häufiger vor als in den grossen Speicheldrüsen.
Abbildung 3: Amelanotisches Melanom im Oberkiefer (© M. Schwaninger)
koplakien». Man unterscheidet klinisch zwischen der homogenen Leukoplakie, der rötlichen, oft unscharf begrenzten Erythroplakie, bei der ein erhöhtes Risiko für ein Plattenepi-
Dunkle Veränderungen: Amalgam, Medikamente oder Melanom?
Dunkle Veränderungen können sich in der gesamten Mundhöhle manifestieren. Wenn ein Zusammenhang zu Amalgamfüllungen hergestellt werden kann, handelt es sich meist um eine «Amalgamtätowierung». Dazu kann es beim Bearbeiten von Amalgamfüllungen durch rotierende Instrumente kommen. Diese Metallpartikel werden eingelagert, und es entstehen dunkel gefärbte Narben. Bei eindeutiger Anamnese und Klinik ist eine Entfernung nicht erforderlich. Die Diagnose kann schwierig sein, wenn der verursachende Zahn fehlt oder der Patient komplett zahnlos ist (Abbildung 2). Bei pigmentierten Veränderungen der Mundschleimhaut muss immer ein malignes Melanom ausgeschlossen werden. Sind Läsionen multipel und annähernd gleichförmig, können genetische (ethnische) oder hormonelle (Morbus Addison) Ursachen vorliegen. Echte melanozytäre Veränderungen (Ma-
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kula, Nävus, Melanom) sind selten. Besonders das maligne Melanom, das bevorzugt am harten Gaumen oder am Oberkiefer auftritt, ist typischerweise unscharf begrenzt, unregelmässig pigmentiert und wird leider erst spät diagnostiziert (2). Eine besondere Herausforderung stellt das Erkennen eines amelanotischen Melanoms dar, das sich als sehr blasse rötliche Veränderung zeigt (Abbildung 3). Die chronische Einnahme von bestimmten Medikamenten wie beispielsweise Tetrazyklinen kann ein dunkles Band am Zahnfleischrand hervorrufen. Antimalariamittel, Kontrazeptiva, Zytostatika und Antimykotika können zu diffusen Pigmentierungen an Gingiva und Wange führen. Das Thema ist umfassend und beinhaltet sicherlich noch viele hier nicht erwähnte Veränderungen, die sowohl Zahnärzte als auch Dermatologen beschäftigen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es für die Diagnose und Therapie einer oralen Schleimhautveränderung ei-
ner guten interdisziplinären Zusammenarbeit bedarf. Bei
Verdacht auf eine dentale Ursache kann eine Vorstellung beim
Zahnarzt sehr hilfreich sein.
s
Dr. Dr. Monika Schwaninger Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Klinikum Wels-Grieskirchen A-4600 Wels
Interessenlage: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 3/23. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.
Literatur: 1. Fitzpatrick SG et al.: The malignant transformation of oral lichen planus
and oral lichenoid lesions: a systematic review. J Am Dent Assoc. 2014;145(1):45-56. 2. Beck-Mannagetta J, Hutarew G: Pigmentierte Veränderungen der Mundschleimhaut. Hautarzt. 2012;63:704-709.
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