Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Geriatrie
Ältere fitter als Jüngere
Von den Verbesserungen der Lebensbedingungen, den Fortschritten in der Medizin und dem gestiegenen allgemeinen Wissen um eine gesunde Lebensweise profitiert offenbar vor allem die ältere Generation. Die jüngeren Jahrgänge werden hingegen wieder früher und häufiger krank. Das ergab eine Studie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Wer heute in Rente geht, hat statistisch gesehen weitaus mehr Lebensjahre vor sich als seine Grosseltern. Man profitiert von den verbesserten Lebensbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg: weniger schwere körperliche Arbeit, bessere Ernährung, gute medizinische Versorgung und mehr Gesundheitsbewusstsein. «Bereits Anfang der 1980er-Jahre stellte der amerikanische Mediziner James Fries die These auf, dass aufgrund der insgesamt besseren Lebensumstände die Erkrankungsraten sinken und das Auftreten von Krankheiten und Behinderungen sich nach hinten in spätere Lebensphasen verschiebt», so Prof. Siegfried Geyer, Leiter der Medizinischen Soziologie der MMH. Von dieser positiven Perspektive ausgehend untersuchte er
mit seinem Team, wie sich der Gesundheitszustand unterschiedlicher Altersgruppen in der Bevölkerung entwickelt. Die Forscher werteten vorhandene Studien aus und stellten eigene Recherchen an. Ausserdem nutzten sie Daten der Krankenkasse AOK Niedersachsen, die eine breite Sozialstruktur abbilden. «Wir haben uns den Zeitraum von 2005 bis 2019 angeschaut und zu verschiedenen Zeitpunkten Kohorten gleichen Alters miteinander verglichen», so Geyer. Das überraschende Ergebnis: Der sich früher über Jahre verbessernde Gesundheitszustand der Älteren setzt sich bei den später geborenen Generationen nicht fort. Diese Entwicklung findet sich auch in den USA. Der Gesundheitszustand der heutigen älteren Generation, also der in den 1950er- und 1960er-Jahren Geborenen, hat sich deutlich verbessert: Alle Arten von Herzkreislauferkrankungen nahmen ab oder verschoben sich in ein höheres Lebensalter. Das Gleiche gilt auch für Schlaganfälle und Lungenkrebs, primär bei Männern. Parallel zum Rückgang des Nikotinkonsums verringerte sich von 2006 bis 2017 die Lun-
genkrebsrate bei Männern um 31 Prozent. Auch demenzielle Erkrankungen treten in dieser Altersgruppe seltener oder später auf. Es gebe zwar bildungsund einkommensabhängige Unterschiede, aber insgesamt habe die derzeitige ältere Generation deutlich an Gesundheit gewonnen, heisst es in einer Medienmitteilung der MHH. Zu den Erkrankungen, deren Rate über alle Altersgruppen hinweg stieg, gehört Typ-2-Diabetes. Besorgniserregend sei, dass die Erkrankung immer häufiger schon im frühen Erwachsenenalter auftrete, mit einer verlängerten Erkrankungsdauer und einem erhöhten Risiko für Komorbiditäten verbunden sei und sich dieser Effekt bereits in den Altersgruppen der 18- bis 45-Jährigen zeige, so Geyer. Alarmierend sei auch die Entwicklung von Adipositas in jungen Lebensjahren. So habe sich der Anteil adipöser Menschen im Alter zwischen 25 und 55 Jahren im Zeitraum von 2004 bis 2020 fast verdoppelt. Er stieg von insgesamt 12,7 auf 23,4 Prozent an. MHH/RBO s
Medienmitteilung der MHH vom 4. September 2023.
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ARS MEDICI 19 | 2023