Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
So heissen in Deutschland wichtige Gesetze: «Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz», abgekürzt ALBVVG.
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Sommersex ist gefährlich wegen der Hitze, Alterssex im Sommer ist – logisch – noch gefährlicher. Von wegen Kreislauf und so. Es meinte, im Hinblick auf den Hinschied seines – vordem noch aktiven – ziemlich alten Onkels ein gnadenloser (auch nicht mehr ganz junger) Enkel: Da bekomme der Begriff «kommen und gehen» eine ganz neue Bedeutung.
sss
Hollywood streikt. Genauer: Die Drehbuchautoren und jene 99 Prozent der Schauspieler, die ziemlich mies bezahlt sind, haben die Arbeit niedergelegt. Verständlich. (Naja, wenn Hollywood-Multimillionäre von Matt Damon bis Robert John Downey mitstreiken, darf man auch ein bisschen schmunzeln.) Aber doch: Schauspielerei ist ein ehrenwerter Beruf, auch wenn – das zu sagen, mag einem ja leid tun – nicht so gesellschaftsrelevant wie Polizist oder Pflegerin oder Lastwagenchauffeur. Wenn die streiken, wird’s für uns nämlich ziemlich unangenehm. Wenn Hollywoods Schauspieler streiken, dann kommen zwar ein paar Dutzend Filme mit Verspätung ins Kino, und Disney, Netflix & Co. verdienen etwas weniger Geld mit ihren Serien. Aber mal ehrlich: Auf «Indiana Jones V», «Mission Impossible VIII» oder «Barbie» warten oder auf einige Folgen von Fantasy-Serien ganz verzichten zu müssen, wäre sooo schlimm jetzt auch wieder nicht. Ganz im Gegenteil.
sss
Der Hausmeister heisst heute ganz selbstverständlich «Facility Manager». Der Mann, der vor dem Fast-Food-Store Kunden zum Eintreten animiert, «Front
Office Assistant Manager in Face to Face Marketing». Ob Obdachlose in der Statistik demnächst als «Urban Survival Specialists» aufgeführt werden – Hauptsache chic, frisch und bedeutend?
sss
Howard Zinn, Politikwissenschafter, meinte, unser (gesellschaftliches) Problem sei nicht der zivile Ungehorsam, sondern ziviler Gehorsam. Er meint: Wir sollten die Obrigkeit und ihre Anordnungen viel häufiger kritisch hinterfragen. Tönt gut, schliesslich finden wir alle die Politik unserer Regierungen des Öfteren total verkehrt. Erster Reflex deshalb: Genau! Es sollten sich viel mehr Bürger häufiger gegen unsinnige und ungerechte Vorschriften von Behörden zur Wehr setzten. Doch dann: Wie ist das dann mit den zivil ungehorsamen Klimaaktivisten? Und überhaupt: Wer bestimmt denn, was sinnig, unsinnig, gerecht und ungerecht ist? Jeder Einzelne? Auch die vielen Spinner mit ihren irren Verschwörungsphantasien? Ist es also vielleicht so, dass Herr Zinn das eine Mal recht hat, das andere Mal aber halt nicht – je nachdem, wie man selber die Sache sieht? Fazit: Es wird wohl schon richtig sein, so wie’s ist – aber gut, dass man sich’s wieder mal überlegt hat.
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Es geht uns Schweizern gut. Sieben Millionen von uns neunen sogar sehr gut. Credit Suisse, Hitze hier, Überschwemmungen dort und Gendersternchen zum Trotz. Selbst krank oder alt, arm oder einsam geht es einem hier besser als anderswo. Es fällt leicht, zufrieden zu sein. Vor allem wenn man sich vor Augen führt, was andere durchmachen: Millionen Chinesen in Umerziehungslagern, Ukrainerinnen, mit ihren Kindern vor Bombenterror geflohen, Männer, Väter und Brüder in Putins Krieg, auch russische, erbarmungslos in den Tod schickt, Rohingas in Burma, vertrieben,
vergewaltigt, umgebracht, Frauen in Afghanistan, Familien in der Sahelzone, Menschen in Erdbebengebieten, politische Gefangene, Millionen in Flüchtlingslagern oder Slums, ohne medizinische Versorgung, Millionen ohne Geld, sauberes Wasser oder Aussicht auf Besserung. Es gibt nur eine einzige, eigenartige, aber nicht zu verleugnende Einschränkung: Wie es «uns» geht, entscheidet nicht unbedingt darüber, wie es «mir» geht. Ganz im Sinne von «Was kümmert mich das Leid der Welt, wenn mich ganz arg mein Grosszeh quält?»
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Auch für TV-Lanz und den Mode-Philosophen Precht gilt: Ich schwatze, also bin ich.
sss
Der klimaaktivistische Satz «Nur eine kalte Heizung ist eine gute Heizung» hat seine Vorläufer. Bekannteres sagte Philip Sheridan, Kommandierender im amerikanischen Sezessionskrieg und in den Indianerkriegen Mitte des 19. Jahrhunderts: «Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.» (Original: «The only good Indians I ever saw were dead.») Und schon 200 Jahre früher hatte der Wampanoag-Häuptling Metacomet sich über die vertragsbrüchigen und alles zerstörenden Weissen beklagt mit dem Satz: «Wir haben es in der Vergangenheit nicht glauben wollen, aber es ist eine Tatsache: Nur ein toter Weisser ist ein guter Weisser.» Es ist manchmal ganz gut zu wissen, wen man zitiert.
sss
Und das meint Walti: Manche haben die Mittel, nur leider nicht den guten Zweck.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 17 | 2023