Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte. Jede Vorgeschichte eine Vorvorgeschichte, jede Vorvorgeschichte eine Vorvorvorgeschichte, jede … In allen diesen Vorn-Geschichten findet sich zu irgendeinem Zeitpunkt ein Ereignis, das einem erlaubt, die Geschichte so zu interpretieren, wie sie einem passt.
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Wann verbietet man endlich das rassistische N-Wort «N-Wort», wo doch jeder weiss, dass es nichts anderes bedeutet als «N-Wort»? Es ist ja noch viel schlimmer: Es gibt inzwischen so viele N-Wörter, dass niemand mehr weiss: Ist jetzt genau dieses erste, wichtigste, sozusagen stilbildende «N-Wort» gemeint oder vielleicht doch ein anderes? Und wie soll ich eigentlich jemanden nennen, der gleichzeitig ein «N-Wort» und ein «N-Wort» ist?
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Wenn Historiker mit Komposita gendern … wird’s lustig! Sie kennen natürlich die «Bauernkriege» (es gab deutsche, Schweizer und anders genannte an anderen Orten der Welt). Wie sprechen gendernde Historiker darüber? Nennen sie den Bauernkrieg künftig Bäuer*innenkrieg? Nein, tönt zu abstrus. Aber wie wär’s mit «Landvolkskrieg»? Beinahe – wobei: Das Wort «Volk» ist eben auch nicht mehr so unproblematisch, heute. Also korrekter – und völlig ernst gemeint: «Krieg der landbewirtschaftenden Bevölkerung». Nachzuschlagen ist dieser Vorschlag zur ultimativen sozialen und sprachlichen Gleichstellung von Mannen und Frauen auf «geschicktgendern.de»! Da finden Sie noch mehr unfreiwillige Gender-Komik. Der Astronaut heisst neu die «ins Weltall reisende Person», einen geschlechtlich nicht unterscheidbaren Architekten nennt man da die «baukunstschaffende Person», aus dem Damenfahrrad wird das «Fahr-
rad mit tiefem Einstieg» (Tönt das nicht sogar etwas gar frivol?) und die freie Arztwahl ist neu die «freie Wahl des ärztlichen Fachpersonals».
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Es ist nicht Aufgabe des Staates, Menschen die Unvernunft zu verbieten. Extra viel Anreiz dafür zu schaffen, wäre aber auch nicht nötig.
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Der bekannte Tierfilmer Andreas Kieling wollte harmlose Wasseramseln und den Dreizehenspecht filmen. Mal wieder etwas Ungefährliches, nachdem er vor Kurzem in Namibia beim Versuch, ein Selfie mit einer schwarzen Mamba zu schiessen, von der «not amusten» Schlange gelocht worden war. Kieling hatte Glück, die Mamba hatte offenbar mit Gift gespart; er überlebte den Biss. Doch diesmal war es ein Karpatenbär, der etwas gegen den tierfilmenden Eindringling hatte. Wie Kieling auf Facebook berichtet, wurde er beim Angriff teilweise skalpiert, erlitt eine Bisswunde im rechten Oberarm und brauchte die Kunst eines bzw. wohl mehrerer guter Chirurgen, um den zermanschten linken Unterarm zu retten. Man fragt sich da nachträglich schon: Musste es ausgerechnet der Dreizehenspecht sein? (Und wünscht ganz ernsthaft selbstverständlich gute Besserung!)
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Onkel Hugo, in die Jahre gekommen, beklagt sich. Die Jungen von heute hätten fast alles und wollten noch mehr. «Wollen» sei «in», die andern hätten zu parieren. Gut, die Älteren würden das kennen: Einige seiner Generation wollten, als sie noch jünger und aufmüpfig waren, ebenfalls alles und erst noch «subito». Insofern also wenig Neues. Heute «wolle» man – von FFF bis zur allerletz-
ten Generation – fossile Energien ersetzen, Klimaneutralität – und das ohne AKWs, auch wenn die viel klimafreundlicher wären als die wegen Strommangels neu zu bauenden Kohle- und Gaskraftwerke. Wobei: Strom «wolle» man dann schon auch genug, immer und überall und soviel, dass es reicht für Smartphones, Wärmepumpen, e-Bikes, Digitalisierung. Wenn die Politik nicht tue, was die ungeduldige Jugend «wolle» und – fast wichtiger – nicht alles nicht tue, was sie «nicht wolle», dann klebe sie (wenigstens eine kleine radikale Minderheit) sich halt fest. Onkel Hugo erinnert sich: Früher drohte die aufgebrachte Jugend, aus dem Staat Gurkensalat zu machen. Das scheine ja fast gelungen – die Reaktion des Staates auf jene, die alles wollen, erinnere jedenfalls stark an eine Gurkentruppe.
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Gelesen: «Die modernen KIs ahmen nach, ohne zu wissen, wovon sie reden. Sie verfügen nicht über Know-how. Sie sind einfach nur Schwätzer.» Ist das nun eine realistische Einschätzung, die auch noch in 20 Jahren gilt, oder eher Pfeifen im Wald gegen die Angst vor dem bösen KI-Wolf? Versuchen Sie ruhig ChatGPT Pro. Aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie danach zum Kunstpfeifer werden!
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Zeitlose Sätze: «Als ich Fische vor meinem Fenster sah, wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmt.»
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Und das meint Walti: Wenn ein Clown in einen Palast einzieht, wird der Clown nicht König, sondern der Palast zum Zirkus.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 13 | 2023