Transkript
Ophthalmologie
Augenfarbe und Krankheitsrisiken
Von hellem Blau oder Grau über grünliche bis hin zu tiefbraunen Tönen: Die Iris des Auges kann eine breite Palette von Farbschattierungen annehmen. Die Augenfarbe prägt aber nicht nur das Aussehen, sondern sie ist auch mit dem Risiko für bestimmte Augenerkrankungen sowie mit der Prognose bei Hornhauttransplantationen verbunden. Die Augenfarbe ist von der Melaninkonzentration der Iris abhängig. Das Farbpigment ist auch bei grünen oder blauen Augen dasselbe; über die Augenfarbe entscheidet die unterschiedliche Brechung des Lichts je nach Melaningehalt. Melanin schützt die Augen vor Licht und seinem UV-Anteil. Menschen mit sehr hellen Augen reagieren daher besonders empfindlich auf starken Lichteinfall. Bei niedrigerem Melaningehalt steigt das Risiko, an einem uvealen Melanom zu erkranken, einem aggressiven, sehr seltenen Tumor der Aderhaut, der bei Personen europäischer Abstammung 20- bis 30-mal häufiger auftritt als bei Personen asiatischer oder afrikanischer Abstammung. Mit einem geringeren Schutz vor den schädlichen Auswirkungen des Sonnenlichts lasse sich vermutlich auch die Beobachtung erklären, dass Menschen mit hellen Augen eher eine altersabhängige Makuladegeneration (AMD) entwickeln als Menschen mit dunklen Augen, heisst es in einer Medienmitteilung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Ein Zusammenhang zwischen Augenfarbe und AMD-Risiko wurde zwar nicht in allen Studien gefunden, eine umfangreiche Metaanalyse mit fast 130 000 Personen habe jedoch belegt, dass zumindest die feuchte Form der AMD bei Menschen europäischer Herkunft deutlich häufiger sei als bei Menschen mit asiatischen oder afrikanischen
Wurzeln, so die DOG. Ob das hauptsächlich auf die Augenfarbe zurückzuführen ist oder ob auch andere genetische Faktoren eine Rolle spielen, ist noch unklar. Bei der Entwicklung einer Linsentrübung sind hingegen Dunkeläugige im Nachteil. Diese Augenerkrankung entwickelt sich bei Menschen mit braunen Augen 2- bis 4-mal so häufig wie bei blauäugigen Menschen – ein Effekt, der auch innerhalb der weissen Bevölkerung nachgewiesen wurde und somit von der Ethnie unabhängig zu sein scheint. Warum eine dunkle Augenfarbe den Grauen Star begünstigt, weiss man nicht. Eine Hypothese dazu lautet, dass in der vorderen Augenkammer eine umso höhere Temperatur herrsche, je mehr Licht durch die Iris absorbiert werde. Bei dunkler Iris wäre demnach mit einer leicht erhöhten Temperaturbelastung zu rechnen, welche wiederum ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung des Grauen Stars ist. Auch das Ergebnis operativer Eingriffe am Auge kann von der Augenfarbe abhängen. Bei einer Hornhauttransplantation, bei der die Hornhaut in ihrer gesamten Dicke ausgetauscht wird (perforierende Keratoplastik), werden Abstossungsreaktionen und andere Komplikationen häufiger beobachtet, wenn die Iris dunkel ist. Die Zahl der klassischen, perforierenden Hornhauttransplantationen nimmt jedoch seit einigen Jahren stark zugunsten minimal invasiver Techniken ab. Bei einem minimal invasiven Eingriff, bei dem lediglich die innerste Schicht der Hornhaut transplantiert wird (DMEK: descemet membrane endothelial keratoplasty), fand sich keine Assoziation zwischen der Augenfarbe und dem Transplantatüberleben. RBO/DOG s
Medienmitteilung der DOG vom 12. Juni 2023.
ARS MEDICI 13 | 2023
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