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Diabetes und Herzinsuffizienz
FORTBILDUNG
Diabetes mellitus ist mit der Entwicklung von chronischen Folgeerkrankungen assoziiert, die sich langfristig nicht nur auf die Lebensqualität, sondern auch auf die Lebenserwartung auswirken. Zu den häufigen Komorbiditäten von Diabetes gehören kardiovaskuläre Erkrankungen wie die Herzinsuffizienz.
Oliver Schnell und Elena Tonchevska
Patienten, die unter Herzinsuffizienz (HI) leiden, werden entsprechend der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) 1 von 3 Kategorien zugeordnet (2, 3): s HI mit erhaltener EF (heart failure with preserved ejection
fraction, HFpEF; LVEF ≥ 50%) s HI mit mittlerer EF (HFmEF; LVEF 41–49%) s HI mit reduzierter EF (HFrEF; LVEF ≤ 40%). Das Vorliegen eines Diabetes ist ein eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung von HI. Patienten mit Diabetes entwickeln 2- bis 5-mal häufiger und in jüngeren Lebensjahren eine HI (4–7). Bis zu 30 Prozent aller Patienten mit Diabetes haben eine HI (8, 9). Davon wiesen nahezu 30 Prozent eine HFpEF und zirka 5 Prozent eine HFrEF auf (8). Umgekehrt ist das Vorliegen einer HI ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes (10, 11, 7). Etwa 30 bis 40 Prozent aller Patienten mit HI haben einen Prädiabetes oder einen manifestierten Diabetes (9, 12).
Das gemeinsame Vorliegen eines Diabetes und einer HI verschlechtert die Prognose der Patienten signifikant. Es erhöht das Risiko für HI-bedingte Hospitalisierungen und ist mit einer höheren kardiovaskulären und allgemeinen Mortalitätsrate assoziiert (12–15). Das frühzeitige Erkennen und die konsequente Behandlung von Diabetes und seinen Begleiterkrankungen, wie der HI, besitzen daher hohe Priorität.
Diagnostik von Herzinsuffizienz mit Biomarkern
In den vergangenen Jahren ist die Bestimmung von zirkulierenden Biomarkern zur frühzeitigen Erkennung einer HI mehr und mehr in den Vordergrund der klinischen Diagnostik gerückt. Hierzu gehören natriuretische Peptide (BNP [B-Typ-natriuretisches Peptid], NT-proBNP [N-terminales Propeptid BNP]). Erhöhte Plasmakonzentrationen der natriuretischen Peptide korrelieren mit dem Schweregrad der HI und einem höheren Mortalitätsrisiko und eignen sich daher über die Diagnose hinaus auch zu prognostischen Zwecken, insbesondere bei Patienten mit Diabetes (16, 17).
MERKSÄTZE
� Das Vorliegen eines Diabetes gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz und umgekehrt.
� Das gleichzeitige Auftreten von Diabetes und Herzinsuffizienz ist mit einem höheren Hospitalisierungs- und Mortalitätsrisiko assoziiert. Daher sollten Patienten mit Diabetes oder Herzinsuffizienz regelmässig auf die jeweils andere Erkrankung untersucht werden.
� Die aktuellen Empfehlungen des DGK/DDG-Positionspapiers 2022 und des ADA-Konsensuspapiers 2022 unterstreichen natriuretische Peptide, wie zum Beispiel NT-proBNP, als geeignete Biomarker für die Diagnose und die Beurteilung der Prognose einer Herzinsuffizienz.
Natriuretische Peptide: Empfehlungen aus Konsensuspapieren von 2022
DGK/DDG-Positionspapier 2022 Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfehlen in einem aktuellen Positionspapier (9) sowohl ein Screening auf Diabetes bei Patienten mit HI als auch umgekehrt, um das mögliche gemeinsame Vorliegen beider Erkrankungen frühzeitig erkennen zu können (Abbildung 1). Patienten mit einer HI sollten auf Diabetes gescreent werden, wenn Symptome eines Diabetes vorliegen oder ein erhöhtes Diabetesrisiko besteht (Abbildung 1A). Bei einem positiven Befund wird eine gleichzeitige Messung von Plasmaglukose und HbA1c-Wert empfohlen. Eine Diabetesdiagnose kann ab einer Plasmakonzentration von ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l) und einem HbA1c-Wert von ≥ 6,5 Prozent gestellt werden. In den Graubereich fallen Patienten mit einer Plasmaglukose von 100 bis 125 mg/dl
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FORTBILDUNG
A Screening auf DM bei Patienten mit HI
1. Symptome eines DM ODER Erhöhtes Risiko für DM
Gewichtsverlust, Polyurie,
Polydipsie …
Diabetesrisikofragebogen, Folge-/
Begleiterkrankungen …
JA NEIN
Regelmässige Wiederholung der
Anamnese
2. Bestimmung von Plasmaglukose UND HbA1c
Plasmaglukose:
HbA1c:
< 100 mg/dl (< 5,6 mmol/l) und < 5,7 % 100–125 mg/dl (5,6–6,9 mmol/l) und/oder 5,7–6,4 % ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l) und ≥ 6,5 % B Screening auf HI bei Patienten mit DM 1. Symptome einer HI ODER Zeichen einer HI Dyspnoe, Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, reduzierte Belastungstoleranz, Müdigkeit, verlängerte Erholungszeit nach Belastung, Knöchelödeme … Halsvenenstauung, hepatojugulärer Reflux, 3. Herzton (Galopprhythmus), lateralisierter Herzspitzenstoss … JA NEIN Wiederholung der Anamnese bei jeder ärztlichen Vorstellung 2. Bestimmung von NT-proBNP ODER BNP NT-proBNP: BNP: < 125 pg/ml* < 35 pg/ml* ≥ 125 pg/ml* ≥ 35 pg/ml* kein DM Graubereich DM 3. Bestimmung von 2-h-Plasmaglukose im oGTT 2-h- < 140 mg/dl 140–199 mg/dl ≥ 200 mg/dl Plasma- (< 7,8 mmol/l) (7,8–11,0 mmol/l) (≥ 11,1 mmol/l) glukose: keine HI Verdacht auf HI 3. Echokardiografische Untersuchung LVEF: ≥ 50 % 41–49 % ≤ 40 % kein DM Gestörte Glukosetoleranz/ Prädiabetes DM HFpEF HFmEF HFrEF * Bei Patienten mit Vorhofflimmern können höhere und bei Patienten mit Adipositas niedrigere Grenzwerte gelten. Abbildung 1: Empfohlene Screening- und Diagnoseverfahren bei Diabetes mellitus (DM) und Herzinsuffizienz (HI) laut DGK/DDG-Positionspapier 2022 (HbA1c: Hämoglobin A1c, oGTT oraler Glukosetoleranztest, BNP: natriuretisches Peptid Typ B, NT-proBNP: N-terminales Propeptid BNP, LVEF: linksventrikuläre Ejektionsfraktion, HFpEF: «heart failure with preserved EF», HFmEF: «heart failure with mid-range EF», HFrEF: «heart failure with reduced EF»; mod. nach [9]). (5,6–6,9 mmol/l) und/oder einem HbA1c-Wert von 5,7 bis 6,4 Prozent. Als sicherer Nachweis eines Diabetes gilt eine 2-Stunden-Plasmaglukose von ≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l). Patienten mit einem vorhandenen Diabetes sollten aufgrund des hohen Risikos für eine HI bei jedem ärztlichen Besuch auf das Vorliegen von Symptomen oder Zeichen einer HI gescreent werden (Abbildung 1B). Sobald Verdacht auf eine HI besteht, sollte eine Bestimmung der natriuretischen Peptide durchgeführt werden. Bei einem NT-proBNP < 125 pg/ml und einem BNP < 35 pg/ml ist eine HI unwahrscheinlich, wobei bei Patienten mit Vorhofflimmern höhere Grenzwerte (NTproBNP < 365 pg/ml und BNP < 105 pg/ml) gelten. Patienten mit Adipositas können hingegen falsch-niedrige Werte aufweisen und dennoch einem hohen HI-Risiko ausgesetzt sein (18). Bei einer über dem Grenzwert liegenden Plasmakonzentration der natriuretischen Peptide sollte eine unmittelbare Vorstellung beim Kardiologen erfolgen. Hier sollte mittels Echokardiografie die zugrunde liegende Ätiologie der HI geklärt werden, um mögliche reversible oder behandelbare Ursachen zu bestimmen. ADA-Konsensuspapier 2022 Einem aktuellen Konsensuspapier der American Diabetes Association (ADA) folgend, werden Patienten entsprechend ihrem Risiko und den Symptomen einer HI in die Stadien A, B oder C/D eingeteilt (19). Patienten, die ein hohes Risiko für die Entwicklung einer HI aufweisen, werden dem Stadium A zugeordnet. Grundsätzlich fallen alle Patienten mit einem manifestierten Diabetes automatisch in dieses Stadium, wenn sie mindestens 1 Risikofaktor, wie zum Beispiel Adipositas, aufweisen. Dem Stadium B werden Patienten zugeordnet, die eine strukturelle und/oder funktionelle kardiale Anomalie oder bereits erhöhte Werte an Biomarkern (NT-proBNP, BNP oder hs-cTN [hoch sensitives kardiales Troponin]) aufweisen, aber (noch) keine Symptome einer HI zeigen. Ein Grossteil der Patienten mit Diabetes fällt in dieses Stadium (20, 21). Sowohl Patienten im Stadium A als auch solche im Stadium B sollten mindestens 1-mal jährlich ein Biomarkerscreening durchführen. Die Grenzwerte für die Biomarker liegen laut ADA für NT-proBNP ≥ 125 pg/ml und für BNP ≥ 50 pg/ml. Wichtig ist, dass bei Patienten in einem höheren Alter, mit einer fortgeschrittenen chronischen Nierenerkrankung oder 368 ARS MEDICI 13 | 2023 FORTBILDUNG mit Vorhofflimmern höhere Grenzwerte und bei Patienten mit Adipositas geringere Grenzwerte gelten können. Bei erhöhten Werten sollte eine echokardiografische Abklärung folgen. Patienten mit früheren oder aktuellen Symptomen einer HI werden dem Stadium C/D zugeordnet. Diese sollten gründlich auf Zeichen einer HI untersucht und bildgebenden Verfahren unterzogen werden. Die Echokardiografie ist eine besonders geeignete Methode, um eine Diagnose und die klinischen Ursachen einer HI definieren zu können. Sie liefert Informationen zu den kardialen strukturellen und funktionellen Veränderungen, erlaubt eine Schlussfolgerung über die Ätiologie und ermöglicht eine Differenzierung zwischen HFpEF und HFrEF. Fazit Diabetes und HI stellen gegenseitige Risikofaktoren dar, und das Vorliegen beider Erkrankungen verschlechtert die Pro- gnose der Patienten signifikant. Daher sollten Patienten regel- mässig auf die jeweils andere Erkrankung gescreent werden. Die aktuellen Konsensuspapiere von DGK/DDG und ADA fassen klare Anleitungen für das Screeningverfahren von Pa- tienten mit Diabetes oder HI zusammen. Sie liefern definierte Grenzwerte für die natriuretischen Peptide, die als zirkulie- rende Biomarker eine frühe Diagnose einer HI erlauben. Dif- ferenzierte therapeutische Interventionen bei gleichzeitiger Vermeidung der Medikamentenklassen, die das HI-bedingte Hospitalisierungsrisiko erhöhen, werden empfohlen, um die langfristige Prognose von Patienten mit Diabetes und HI zu verbessern. s Prof. Dr. Oliver Schnell Elena Tonchevska Forschergruppe Diabetes e. V. D-85764 München-Neuherberg Interessenlage: Elena Tonchevska ist Angestellte der Sciarc GmbH. Prof. Dr. Oliver Schnell ist Gründer und Geschäftsführer der Sciarc GmbH. Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 4/23. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren. Literatur: 1. American Diabetes Association: Diagnosis and classification of diabetes mellitus. Diabetes Care. 2012;35 Suppl 1(Suppl 1),S64-S71. 2. Bozkurt B et al.: Universal Definition and Classification of Heart Failure: A Report of the Heart Failure Society of America, Heart Failure Association of the European Society of Cardiology, Japanese Heart Failure Society and Writing Committee of the Universal Definition of Heart Failure. J Card Fail. 2021;23(3):352-380. 3. McDonagh TA et al.; ESC Scientific Document Group: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-3726. 4. Kannel WB et al.: Role of diabetes in congestive heart failure: the Framingham study. Am J Cardiol. 1974;34(1):29-34. 5. 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