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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Frakturen
Chronischer Stress bremst die Knochenbildung
Eine Studie der Ulmer Universitätsmedizin hat aufgedeckt, über welche molekularen Mechanismen psychische Traumen und andere massive Stresserfahrungen die Heilung von Knochenbrüchen verzögern. Das Forscherteam, zu dem auch Wissenschaftler aus Kanada und Japan gehörten, konnte nachweisen, dass neutrophile Granulozyten unter Stress das Enzym Tyrosinhydroxylase (TH) produzieren, welches die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin fördert. Im Frakturhämatom wirken diese Stresshormone hemmend auf die Umwandlung von Knorpel in Knochen, sodass sich die Heilung der Fraktur verzögert. Dass diese Hypothese zutrifft, untermauerte das Team mit einem Experi-
ment mit sogenannten Knock-out-Mäusen, bei denen einerseits die TH-Expression unterbunden und andererseits der Adrenorezeptor geblockt war. Das Fehlen von TH und die mangelnde Rezeptorfunktion führten tatsächlich dazu, dass Stress bei diesen Tieren keinen Einfluss auf die Frakturheilung hatte. Im klinischen Teil der Studie wurden Patienten mit Sprunggelenksfraktur untersucht. Bei Patienten mit hoher psychischer Belastung durch Stress, traumatische Belastungen oder Depressionen war der TH-Spiegel im Frakturhämatom hoch, und die Heilung der Fraktur dauerte länger. Die subjektive Einschätzung der Belastung und das Schmerzempfinden waren mit dem TH-Spiegel assoziiert.
Die Studie habe bereits jetzt eine ge-
wisse praktische Relevanz, heisst es in
einer Medienmitteilung der Universi-
tät Ulm. So könne es ratsam sein, bei
der Behandlung von Patienten mit
Knochenbrüchen und anderen massi-
ven Verletzungen die persönliche
Stresshistorie zu berücksichtigen und
eventuell Betablocker einzusetzen, um
den negativen Einfluss von Stresshor-
monen auf die Knochenheilung zu
dämpfen.
RBO/Universität Ulm s
Medienmitteilung der Universität Ulm vom 20. Juni 2023 und Tschaffon-Müller MEA et al.: Neutrophil-derived catecholamines mediate negative stress effects on bone. Nat Commun. 2023;14(1):3262.
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ARS MEDICI 13 | 2023