Transkript
STUDIE REFERIERT
Antihypertensiva
Individuelle Auswahl kann Behandlungserfolg verbessern
In einer schwedischen Crossover-Studie zeigte sich, dass Patienten mit einer Hypertonie Grad 1 auf vier häufig angewendete Antihypertensivaklassen individuell sehr unterschiedlich ansprechen. Eine personalisierte Behandlung kann daher mit einer effektiveren Blutdrucksenkung verbunden sein.
JAMA
Die Anzahl der Menschen mit Bluthochdruck hat sich in den letzten 30 Jahren weltweit verdoppelt. Zur Behandlung stehen mehrere Klassen hochwirksamer Blutdrucksenker zur Verfügung. Dennoch erreichen nur 1 von 4 Frauen und 1 von 5 Männern den angestrebten Zielbereich. In den meisten Hypertonieleitlinien wird eine kombinierte Pharmakotherapie befürwortet. In der Routineversorgung erhalten viele Patienten jedoch weiterhin eine Monotherapie. In einer randomisierten, doppelblinden Studie untersuchten Johan Sundström von der Universität Uppsala (Schweden) und seine Arbeitsgruppe jetzt, ob und in welchem Ausmass die Blutdrucksenkung durch eine gezielte Auswahl individuell geeigneter Antihypertensiva verbessert werden kann. Für ihre Untersuchung wählten die Forscher ein Crossover-Design, bei dem manche Medikamente bei den Teilnehmern mehrmals getestet wurden. Mit dieser Vorgehensweise konnten Unterschiede des Blutdruckansprechens auf einen Wirkstoff bei derselben Person und zwischen verschiedenen Patienten quantifiziert werden. In die Studie wurden 280 Patienten (davon 54% Männer) aus einer ambulanten Forschungsklinik in Schweden mit einem durchschnittlichen Alter von 64 Jahren mit Bluthochdruck Grad 1 und geringem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse eingeschlossen. Der durchschnittliche Blutdruck der Patienten betrug 154/89 mmHg bei Studienbeginn. Jeder Teilnehmer erhielt in zufälliger Reihenfolge ein Medikament aus 4 verschiedenen Antihypertensivaklassen.
Dabei handelte es sich um s Candesartan (Atacand®, Blo-
press®und Generika), 16 mg (Angiotensinrezeptorblocker) s Lisinopril (Zestril® und Generika), 20 mg (ACE[angiotensin-converting enzyme]-Hemmer) s Amlodipin (Norvasc® und Generika), 10 mg (Kalziumkanalblocker) s Hydrochlorothiazid (Esidrex®), 25 mg (Thiazid). Zusätzlich wiederholten alle Patienten die Behandlung mit 2 zufällig ausgewählten Medikamenten. Die Behandlungszeiträume erstreckten sich über jeweils 7 bis 9 Wochen, wobei für die Wochen 1 und 2 halbe Dosen und für die Wochen 3 bis 9 volle Dosen vorgesehen waren.
Zum Teil grosse Differenzen im Ansprechen
Bei 270 der 280 Teilnehmer konnten 1468 abgeschlossene Behandlungsperioden mit einer mittleren Dauer von 56 Tagen ausgewertet werden. Die ausgewählten Behandlungsdosen der 4 Medikamente waren nicht in gleichem Masse wirksam. So wiesen die Teilnehmer unter Hydrochlorothiazid durchschnittlich einen höheren Blutdruck auf als unter den anderen 3 Medikamenten. Unter Amlodipin und unter Candesartan war der durchschnittliche systolische Blutdruck höher als unter Lisinopril. Grosse Unterschiede zeigten sich bei der Gegenüberstellung von Lisinopril und Hydrochlorothiazid, bei Lisinopril und Amlodipin, bei Candesartan und Hydrochlorothiazid und bei Candesartan und Amlodipin. Beim Vergleich von Lisinopril mit Candesartan und Hydrochloro-
thiazid mit Amlodipin ergaben sich dagegen keine grossen Differenzen. Des Weiteren variierte der durchschnittliche systolische Blutdruck bei Personen, die den gleichen Wirkstoff erhielten, sowie bei wiederholten Behandlungen einer Person mit dem gleichen Medikament. Modellberechnungen ergaben, dass die Behandlung mit einem individuell ausgewählten Antihypertensivum den systolischen Blutdruck zusätzlich um durchschnittlich 4,4 mmHg im Vergleich zu einer nicht personenbezogenen Medikamentenauswahl senken konnte. Das entspricht etwa dem Effekt einer Dosisverdopplung eines ersten Antihypertensivums oder dem halben Effekt, der mit der Zugabe eines zweiten Antihypertensivums erreicht werden kann.
Fazit der Autoren
Aufgrund ihrer Ergebnisse kommen die
Autoren zu dem Schluss, dass gängige
Antihypertensiva mit einem individuell
sehr unterschiedlichen Blutdruck-
ansprechen verbunden sind. Angesichts
der Grössenordnung des erwartbaren
Nutzens sollte in weiteren Untersu-
chungen jetzt auch geklärt werden, wel-
che Patienten von welchen Wirkstoff-
kombinationen am meisten profitieren
könnten.
PS s
Quelle: Sundstrom J et al.: Heterogeneity in Blood Pressure Response to 4 Antihypertensive Drugs: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2023;329(14):1160-1169.
Interessenlage: 3 der 9 Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. Bei den verbleibenden Autoren liegen keine Interessenkonflikte vor.
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ARS MEDICI 13 | 2023