Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Die Banane, die ein koreanischer Student von der Wand des Museums klaubte, an der sie mit einem Klebeband befestigt war, stillte zwar seinen Hunger, war aber dummerweise Teil einer Installation namens «Comedian» des italienischen Künstlers Cattelan. Die Installation (bzw. deren Konzept) hatte er zuvor schon zweimal für je 120 000 Dollar verkauft. Nun war nur noch die leere Schale übrig, die der Student netterweise wieder an die Wand geklebt hatte. Zum Glück und vermutlich auch aus Nutzenüberlegungen verzichteten der geschäftstüchtige 62-jährige Künstler und das Museum auf Schadenersatz. Die verspeiste Frucht wurde einfach durch eine neue ersetzt – wie das ohnehin alle zwei, drei Tage geschieht! Fazit: Installation wiederhergestellt, begleitende PR gratis.
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Deutsch ist ganz leicht? Was ist der Unterschied zwischen Du, dich, dir, Sie, Ihnen, ihr und euch? Vergleichen wir mal mit Englisch: What is the difference between you, you, you, you, you, you and you?
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Wer drei Selfies am Tag schiesst, ist, so eine Studie, grenzwertig psychisch gestört, auch wenn die Selfies nicht auf einer Social-Media-Plattform gepostet werden. Publiziert man die Aufnahmen, dann ist das Verhalten zumindest auffällig. Und von einer chronischen Störung – einer «Selfitis» – sprechen die Forscher, «wenn ein unkontrolliertes Bedürfnis besteht, ständig Selfies zu schiessen und davon mehr als sechs am Tag zu teilen». Leider gibt es noch keine Studie über die Gestörtheitsgrade von Soziologen hinsichtlich der von ihnen gewählten Studienthemen.
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Sind Sie auch süchtig nach Reels? Gemeint sind nicht Bilder des schottischen Volkstanzes gleichen Namens, sondern Kurzvideos bis 60 Sekunden, die über eine Dopamin- oder Oxytocin- oder sonstwas-Ausschüttung ein Verlangen nach «mehr» auslösen. Egal, ob es herzige Tier-Videos sind, brutale Jagden aus der Serengeti, Fails von Kindern, Velofahrern oder Hochzeitpaaren, Comedians, egal, ob sie Angst machen, zum Brüllen komisch sind, dramatische Unfälle und Rettungsaktionen zeigen oder ob es einfach wunderschöne Makroaufnahmen sind – man denkt, man habe das Lustigste, das Schönste, das Verrückteste gesehen, clickt auf das nächste Reel und … staunt, wievielWunderliches täglich auf derWelt geschieht, das sich in ein paar Sekunden zeigen lässt und von dem man kaum genug kriegen kann. James Bond, Titanic, Find Nemo, Mad Max, Forrest Gump, My Fair Lady, Ice Age, Bambi & Co. als Kürzestversionen in Endlosschleife. Unwiderstehlich, bis jemand ruft «Chunnsch jetzt äntlich, der Kaffi wird chalt!»
sss
Es gibt eine Kultur des Fluchens. Ausgeprägt und kreativ vor allem in arabischen Ländern, wie alle wissen, die Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah kennen. Das tönt dann etwa so: «Ich furze in den Bart deines Vaters.» Wie plump und einfallslos tönen dagegen die heute gängigen Flüche vom Typ «Ich f* deine …!»
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Wir sind eine Teilzeitgesellschaft. Es droht die 4-Tage-Woche. Nur, was machen die Leute mit der vielen Freizeit, wenn ihnen das Geld fehlt, sich all das zu leisten, was sie in der Freizeit gerne tun möchten? Vermutlich zusätzlich einen 20-Prozent-Teilzeitjob annehmen.
Bald stimmen wir zum 3. Mal über das COVID-19-Gesetz ab.Worüber? COVID? Da war doch mal was. Wobei, wer anlässlich der «Arena»-Sendung zum Thema bis zum Ende durchhielt, rieb sich die Augen. COVID ist noch lange nicht vorbei – ausser natürlich für die 12 000 Toten (7 Millionen weltweit), die kaum jemanden von den Gesetzesgegnern kümmern. Die wiederum sind voll im Anti-CoronaKampfmodus geblieben. Als offenbar nachhaltig Coronamassnahmen-Geschädigte glauben sie, dem Virus und den Behörden endlich und mit allen Mitteln ihre persönliche Freiheit abtrotzen zu müssen. Ihre gehässig vorgetragene Forderung: Corona darf sich nicht wiederholen! Liebe Coronauten: Das unterschreiben wir andern doch gerne. Aber ob es die Viren beeindruckt?
sss
Das Bio-Joghurt (Mango, «ohne Zuckerzusatz») ist für jemanden, der mit Gummibärli und Toblerone sozialisiert wurde, schlicht ungeniessbar. Da helfen auch ein Sprutz Gesundheitsbewusstsein und eine Tasse schlechtes Gewissen nichts. Erst ein gehäufter Teelöffel Zucker ändert die Situation.
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Und das meint Walti: «… mehr Blumen während des Lebens, denn auf den Gräbern sind sie vergebens.» (Teil eines Gedichts von Peter Rosegger)
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 12 | 2023