Transkript
BERICHT
Diagnostik und Medikamente
Was gibt es Neues zur Malaria?
Die Malaria ist in vielen Regionen der Welt verbreitet und ein Risiko für Fernreisende. PD Dr. med. Andreas Neumayr vom Swiss TPH, Basel, fasste am 24. Forum Reisen und Gesundheit die wesentlichen neuen Erkenntnisse zur medikamentösen Malariaprophylaxe, zur Diagnostik und zur Malariatherapie für die Praxis zusammen.
Eines vorweg: Wenn Sie das Malariarisiko Ihres Patienten einschätzen wollen, sollten Sie sich besser nicht auf den «World Malaria Report» der WHO verlassen, empfahl der Referent. Dort werden nämlich einige Länder in Südostasien, wie zum Beispiel Malaysia, Borneo, die Philippinen und Thailand als malariafrei deklariert, obwohl sie das nicht sind. Die WHO berücksichtigt den Malariaerreger Plasmodium knowlesi nicht. P. knowlesi wurde zuerst bei Affen entdeckt und galt früher nur für diese als Gefahr. P. knowlesi kann aber auch Menschen befallen (Fieberschübe alle 2 Tage). So verzeichnete das gemäss WHO «malariafreie» Malaysia im Jahr 2021 nicht weniger als 3575 indigene Malariaerkrankungen mit 13 Todesfällen. Auf der Malariarisikokarte des Schweizerischen Expertenkommitees für Reisemedizin (EKRM) sind die regionalen Risiken für alle Malariaerreger und die entsprechend notwendigen Schutzmassnahmen auf einen Blick zu sehen (s. Linktipps).
Medikamentöse Malariaprophylaxe
Bei den Empfehlungen zur medikamentösen Prophylaxe hat sich in den letzten Jahren kaum etwas verändert. Üblicherweise wird eines der folgenden Medikamente dafür eingesetzt: s Atovaquon-Proguanil s Doxycyclin s Mefloquin
KURZ & BÜNDIG
� Eine aktive oder passive Reiseimpfung gegen Malaria ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
� Die übliche Chemoprophylaxe für Reisen in Malariarisikogebiete wird nach wie vor empfohlen.
� In der Schweiz wird empfohlen, mit Arthemeter/Lumefantrin nicht nur 3, sondern 5 Tage lang zu behandeln.
� Paracetamol hat einen nierenprotektiven Effekt bei schwerer Malaria.
Alle Substanzen töten die Malariaerreger im Blut (Merozoiten, Trophozoiten, Blut-Schizonten) ab; Atovaquon-Proguanil zusätzlich auch die Leberschizonten. Aus diesem Grund muss die Einnahme von Atovaquon-Proguanil nur 1 und nicht 4 Wochen nach dem Verlassen des Malariagebietes eingenommen werden. Die bei P. vivax und P. ovale vorkommenden «schlafenden» Leberformen (Hypnozoiten) werden jedoch von keinem der genannten Medikamente abgetötet, was zu Rückfällen durch das «Aufwachen» dieser Erreger nach dem Absetzen der Malariaprophylaxe führen kann. Aufgrund des Hypnozoitenproblems wären deshalb in Malariagebieten, in denen insbesondere P. vivax dominiert (v. a. Mittel- und Südamerika und Asien), Prophylaxemedikamente wie Primaquin oder das neuere Tafenoquin sinnvoll, weil sie auch auf Hypnozoiten wirken, sagte Neumayr. Derzeit sind allerdings beide Medikamente in Europa und der Schweiz nicht für diese Indikation zugelassen. Sie sind überdies nur eingeschränkt verfügbar und es bedarf vor der erstmaligen Einnahme obligat des Ausschlusses eines Glukose-6phosphat-Dehydrogenase-(G6PD-)Mangels. Während in den USA und Australien Tafenoquin neuerdings zur Malariaprophylaxe zugelassen wurde, ist eine Zulassung in Europa derzeit nicht in Sicht.
Keine Malariaimpfung für Reisende
Der Malariaimpfstoff RTS,S (Mosquirix®) ist von der EMA für die am stärksten durch Malaria gefährdete Bevölkerunsgruppe zugelassen, nämlich für Kinder im Alter von 6 Wochen bis 17 Monaten, die in Malariagebieten leben. Die WHO empfiehlt die Impfung von Kleinkindern in Regionen mit mässiger bis hoher Malariaübertragung als zusätzliche Massnahme neben den üblichen Schutzstrategien (Mückenschutz usw.). Die Schutzwirkung dieses Impfstoffs betrage je nach Alter des Kindes 30 bis 50 Prozent, sagte Neumayr. Das höre sich nach wenig an, sei aber in Verbindung mit Mückenschutznetzen usw. nützlich, um Morbidität und Mortalität der Kinder zu senken. Ein neuerer Impfstoff, R21/Matrix-M (next generation RTS,S-like vaccine), hat gemäss einer 2022 publizierten Phase-II-Studie mit afrikanischen Kindern im Alter von 5 bis 17 Monaten eine höhere Schutzwirkung von 75 bis 80 Prozent (3 Dosen + 1-Jahres-Booster).
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BERICHT
Insgesamt sei der Schutz durch die Malariaimpfung im Vergleich zur Chemoprophylaxe noch unzureichend und somit auf absehbare Zeit keine Option für Reisende, sagte Neumayr. Könnte eine passive Immunisierung mit monoklonalen Antikörpern irgendwann einmal eine Alternative sein? Ende letzten Jahres wurde eine sogenannte Proof-of-Concept-Studie publiziert, die mit Erwachsenen in Mali durchgeführt wurde. Ob diese Art der Prophylaxe jedoch Reisende mindestens genauso gut schützen kann wie die bewährte Chemoprophylaxe ist allerdings noch ebenso unklar wie die Antwort auf die Frage, ob eine Antikörpertherapie jemals in Bezug auf die Prophylaxekosten mithalten könnte.
Mikroskopieren Sie!
Der mikroskopische Nachweis der Plasmodien im dicken Blutstropfen ist nach wie vor der Goldstandard der Malariadiagnostik. Je nach Erfahrung liegt die Nachweisgrenze bei 5 bis 100 Plasmodien/µl. Mit den Schnelltests (Nachweis von Plasmodienantigenen) liegt sie bei 50 bis 200 Plasmodien/µl, in der PCR (Plasmodien-DNA) bei 0,01 bis 5 Plasmodien/µl. Nur unter dem Mikroskop kann man den Verlauf einer Malaria beziehungsweise eine Heilung wirklich beurteilen, denn DNA und Antikörper zirkulieren noch eine Zeit lang im Blut. Deshalb können Schnelltests und PCR eine Zeit lang noch positive Befunde liefern, auch wenn die Erreger nicht mehr vorhanden sind. Ein grosser Vorteil der Mikroskopie sei zudem, dass man Pathogene finde, nach denen man gar nicht gesucht habe: «Mikroskopieren Sie!», sagte Neumayr. Er gab zu Bedenken, dass die PCR zwar unschlagbar sensitiv sei, aber nur die Fragen beantworte, welche die Primer stellten. Als Beispiel nannte er die afrikanische Schlafkrankheit bei Reiserückkehrern aus Ostafrika. Sie sei mit 1 bis 2 Fällen pro Jahr in Europa und Nordamerika zwar sehr selten, aber «diese Patienten wären alle tot, wenn sie nicht durch die Malaria-Mikroskopie ihre Diagnose bekommen hätten».
Linktipps
Weltkarte mit Risikogebieten der Schweizerischen Fachgesellschaft für Tropen- und Reisemedizin www.rosenfluh.ch/qr/malariarisiko
Malaria: Schweizer Therapieempfehlungen 2023 www.rosenfluh.ch/qr/ch-malaria
Choosing Wisely in der Tropen- und Reisemedizin www.rosenfluh.ch/qr/reisemedwisely
Nützlich für alle Fragen rund um die Reisemedizin: https://www.healthytravel.ch/
Schnelltests sind praktisch, und sie werden weltweit häufig verwendet. Sie weisen Parasiten-Antigene nach, die für alle oder nur für bestimmte Plasmodien spezifisch sein können. Seit einigen Jahren kommt es vermehrt zu Problemen mit dem Nachweis via HRP2-Antigen, das spezifisch für P. falciparum ist. Es gibt mittlerweile P.-falciparum-Stämme, die HRP2-negativ sind. Durch den weit verbreiteten Gebrauch von monovalenten Schnelltests auf P. falciparum hat man in den Endemiegebieten falsch negative Patienten allzu oft als «malariafrei» nach Hause geschickt, und den mutierten Erregern damit einen Evolutionsvorteil verschafft. Das Ergebnis: Die HRP2-negativen P.-falciparum-Mutanten nehmen rasant zu. Deshalb sind bei der Malariadiagnostik folgende Punkte zu beachten: s keine HRP2-Monotests verwenden s immer auch eine Mikroskopie durchführen s im Verlauf bei fortbestehendem Verdacht auf eine Malaria
und fehlender plausibler Alternativdiagnose die Testung wiederholen (durchaus auch mehr als 3-mal).
Neues zur Therapie
Für die Details zur Therapie von Malariapatienten verwies
der Referent auf die 2023 publizierten Empfehlungen der
Schweizerischen Fachgesellschaft für Tropen- und Reiseme-
dizin (s. Linktipps) sowie auf Guidelines aus Deutschland
und die Richtlinien der WHO.
Neu in den Schweizer Empfehlungen ist, dass die empfohlene
Therapiedauer mit Arthemether/Lumefantrin bei unkompli-
zierter Malaria nun 5 Tage beträgt (früher nur 3 Tage).
Die Indikation für Arthemether/Lumefantrin bei einer un-
komplizierten P.-falciparum-Malaria in der Schwangerschaft
erstreckt sich nun auch auf das 1. Trimenon, für das früher
Chininsulfat plus Clindamycin empfohlen wurde. Auch hier
empfiehlt man in der Schweiz neuerdings eine Therapiedauer
von 5 Tagen (WHO: 3 Tage).
Für die Rückfallprophylaxe (Hypnozoiten-Eradikation, «ra-
dical cure») bei Infektionen mit P. vivax und P. ovale gilt als
aktuelle Standardtherapie die Gabe von Primaquin für 14
Tage. In den USA wird seit 2020 Tafenoquin 300 mg plus
Chloroquin empfohlen. In Europa ist jedoch, wie bereits er-
wähnt, in absehbarer Zukunft keine Zulassung für diese
Substanz zu erwarten.
Eine relativ neue Erkenntnis ist, dass Paracetamol die Nieren
von Malariapatienten zu schützen vermag. Akutes Nieren-
versagen ist eine der häufigsten Komplikationen bei Patien-
ten mit schwerer Malaria. Hämoglobin, das durch die
Malaria-bedingte Hämolyse freigesetzt wird, schädigt die
Nierentubuli. Paracetamol vermindert diesen Effekt. In 2
Studien wurde ein positiver Effekt von Paracetamol auf die
Nierenfunktion nachgewiesen (KDIGO-Score, Kreatinin-
spiegel). Auch wenn diese beiden Studien für klinische End-
punkte wie Dialysepflichtigkeit oder Mortalität nicht aus-
reichend gross angelegt waren, gebe man in Basel allen Pati-
enten mit einer schweren Malaria trotzdem zusätzlich
Paracetamol, sagte Neumayr. Es sei höchstwahrscheinlich
nützlich und schade sicher nicht.
s
Renate Bonifer
Quelle: Referat von Dr. med. Andreas Neumayr: «Malaria Update» am 11. März 2023, am 24. Forum Reisen und Gesundheit des CRM (Centrum für Reisemedizin GmbH) am 10. bis 11. März 2023 in Berlin.
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