Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Kürzlich aufgefallen: Beim Discounter liegt das Biogemüse vorne, gut sichtbar, auf Augen- und Griffhöhe. «Normales» Gemüse hingegen – für Kleinwüchsige unter 1,75 m nur schwer erreichbar – oben hinten auf dem Gestell. Man stellt sich Fragen: Ist der Discounter besonders biofreundlich und «nudged» uns Richtung Gesundheit, oder liegt’s an der Marge? Und wenn’s an der Marge liegt, warum ist die bei Bio höher? Aber vielleicht ist ja alles nur Zufall (zwinker!).
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Die Qual der Wahl beginnt nicht erst vor dem Brotgestell, und sie endet auch nicht dort. Aber die frivole Gisela will gar nicht wählen. Sie möchte am Samstag einen Zopf kaufen. Gut gelaunt in den Laden gehen und sagen: «Bittschön en Zopf, en mittlere, guet bache.» Und sich dann auf den Brunch freuen. Aber heutzutage geht es nicht mehr ohne Wahl. «Darf’s ein Biozopf sein? Oder vielleicht ein Holzofenzopf? Ein Dinkelzopf? Oder gar ein Urdinkelzopf. Oder doch eher ein «Puurezopf»? Wir haben auch süssen Zopf und natürlich Russenzopf (schmunzel).» Die frivole Gisela ist genervt: «Geben Sie mir den dort!» Zuhause stellt sich heraus: Der Zopf auf dem Frühstückstisch ist … vegan. «Nichts gegen veganes Essen», schimpft die Gisela, «aber ich wollte doch nichts weiter als «en Zopf», einen ganz normalen, durchschnittlichen, langweiligen Sonntagsbutterzopf.»
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Die Qual der Wahl ist ein Phänomen der Neuzeit. Früher gab’s Naturjoghurt und sonst nichts. Ein Radioprogramm, und das hiess «Beromünster». Einen Typ Telefon: Es war schwarz, hatte ein Kabel und wurde von der PTT geliefert. Es ging uns gut dabei und vor allem: Wir vermissten nichts. Internet und Künstliche Intelligenz gab’s nur in Science-Fiction-Romanen. Heute haben wir die Wahl zwischen Dutzenden von Joghurtgeschmäckern, tausend unterschiedlichen Radio- und
TV-Sendern, mindestens hundert Designs von Smartphones und ganz neu: fast so vielen unterschiedlichen Geschlechtern. Kunststück, werden die Leute deppert.
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Modifizierte Weisheit: Gib einem Mann einen Fisch, und du ernährst ihn für einen Tag. Bring einem Mann das Fischen bei, und er wird … in wenigen Jahrzehnten die Meere leerfischen. Auf dem Lande: Bring einem Mann bei, wie man Linsen anbaut und kocht – und er wird es schaffen, die Welt auch mit Linsen zu ruinieren.
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Er (Sie): «Ich bin Veganer, trinke keinen Alkohol und dusche immer kalt.» – Sie (Er): «Toll, wenn man so offen über seine psychischen Probleme sprechen kann!»
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Präsident Biden verhalf vielen älteren Menschen zu einem Tag der Freude. Mit seiner Ankündigung, als dannzumal 82-Jähriger noch einmal für das Amt des Präsidenten der mächtigsten Nation der Welt zu kandidieren, liess er die Herzen aller 70-und-mehr-Jährigen hüpfen, die sich auf einmal ungeheuer jung vorkommen durften. Auch wenn ausser dem Herzen und der Wampe wenig mehr hüpfte.
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War Kleopatra, die ein paar Jahrzehnte vor Christi Geburt den Männern, unter ihnen Caesar, den Kopf verdrehte, eigentlich eine Weisse oder eine Schwarze oder etwas dazwischen? Fotos aus der damaligen Zeit gibt’s leider keine und zuverlässige Berichte von Prominenten, die bei ihr zu Besuch waren, auch nicht. Spielt doch keine Rolle, meinen Sie? Na denn … Im neuesten Netflix-Movie über die angeblich schönste Frau aller Zeiten wird Kleopatra (sie heiratete mit 18 und starb
mit 39), nein, nicht von einer Weissen gespielt, sondern von einer schwarzen Schauspielerin. Und zwar nicht zufällig, sondern aus politischen Gründen. Von wegen Gleichberechtigung, Diskriminierung und so – Sie kennen das. Die unerwartete Folge: Jetzt sind die Ägypter sauer. Kleopatra war schliesslich die letzte weibliche Pharaonin, also eine Ägypterin: Und eine Schwarze soll «ihre» Kleopatra spielen? Geht gar nicht. Dann lieber eine Weisse. Noch lieber aber eine ägyptisch Braune. Tja, «political correctness» heisst eben je nach Breitengrad etwas anderes. Genau wie Rassismus. Oder auf Schweizerdeutsch: Es isch halt alles relativ!
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Gelesen: «So manches, über das man früher ganz unschuldig gelacht hat, findet man heute gar nicht mehr witzig. Wie man damit umgeht, macht den Unterschied zwischen Menschen mit Humor und Empathie – und den anderen.» Voilà! Genau so geht Wokeness: Die Nicht-Woken, das sind «die anderen», «Empathielosen». Die Woken entscheiden darüber, was Humor ist und worüber man keine Witze machen darf. Noch darf man herzhaft über Woke lachen. Noch.
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Gelesen: Wer als Journalist das Gendern mit substantiviertem Präsenspartizip für eine gute Idee hält, sollte sich fragen: Möchte ich wirklich ein Gericht betreten, in dem gerade Mordende auf Richtende treffen?
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Und das meint Walti: Am liebsten sind mir Menschen mit Sonne im Herzen und Blödsinn im Kopf.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 10+11 | 2023